Redebeitrag von Werner Siebler (DGB Freiburg) für die Antikriegstagsveranstaltung am 1. September 2017 in Freiburg

 

- Es gilt das gesprochene Wort -
- Sperrfrist: 1.9., Redebeginn: ca. 17 Uhr -

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Friedensfreunde

»Wir sagen Nein zur Aufrüstung der Bundeswehr, zur Produktion von Kriegswaffen und zu Rüstungsexporten. Wir fordern stattdessen Abrüstung und die Rüstungs- und Kriegsmilliarden für soziale Zwecke zu verwenden!« Dies forderte die Kreiskonferenz des DGB Kiel im März 2017. Gleichzeitig rief sie alle DGB-Mitglieder auf, sich am Ostermarsch zu beteiligen.

Die Kieler Kolleginnen und Kollegen stehen hier zum Glück nicht alleine, auf dem Gewerkschaftstag von ver.di im September 2015 nahm die Debatte wie der Frieden sicherer gemacht werden kann, einen breiten Raum ein und ich konnte miterleben wie klare Forderungen mit überwältigender Mehrheit beschlossen wurden.

Auch die Delegierten des IG Metall-Gewerkschaftstags im Oktober 2015 haben ein klares Signal ausgesendet: Die Rüstungskonversionsdebatte muss wiederbelebt werden.

Nach Jahren des Stillstandes hat die Diskussion um Konversion damit in der IG Metall wieder Fahrt aufgenommen. Sie zeigt aber auch das Dilemma der Arbeitskräfte in der Rüstungsbranche als lohnabhängig Beschäftigte in einer privatkapitalistisch organisierten Branche. Ihr Bewusstsein ist geprägt – wie das aller Lohnabhängigen – von der Angst um den Arbeitsplatz.

Auch der Spagat der IG Metall als Organisation, die sich »für Frieden, Abrüstung und Völkerverständigung« ebenso einsetzt wie für die »wirtschaftlichen und sozialen Interessen ihrer Mitglieder«, wurde in der Debatte und in den Anträgen deutlich. Die Delegierten des Gewerkschaftstages von 2015 forderten u.a., die Rüstungsausgaben deutlich zu senken und einen Konversionsfonds für Projekte zur Rüstungskonversion einzurichten. Gefordert wird aber auch eine Erhöhung des Innovationsfonds des Wirtschaftsministeriums für Diversifikationsprojekte und dabei ein Antragsrecht der IG Metall und der Betriebsräte. Als konkretes Ergebnis des Gewerkschaftstages hat der Vorstand ein Projekt »für Konversion und Diversifikation in Betrieben der wehrtechnischen Industrie« gestartet. »Ziel ist es, Betriebsräte und Belegschaften der Rüstungsindustrie bei der Suche nach anknüpfungsfähigen Produkten für zivile Märkte zu unterstützen« (Brief des IGM Vorstandes an die Geschäftsstellen, Sept.2016) und als IG Metall den Suchprozess aktiv anzustoßen. Entwickelt werden soll ein betrieblicher Handlungsleitfaden für Innovations- und Diversifikationsprojekte, betriebliche Workshops in Zusammenarbeit mit der IGM sowie ein Strategiepapier auf der Basis der Erfahrungen aus den Workshops.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das alles ist nicht ganz neu. Der Betriebsrat der Firma Litef in unserer Stadt ist gemeinsam mit der IG Metall seit mehr als 10 Jahren daran, den Konzern, der Steuerungselektronik herstellt zu ziviler Produktion zu bewegen. Inzwischen ist es gelungen die Firma dazu zu bewegen den Rüstungsanteil auf 50% der Produktion zu reduzieren. Doch nun kämpft der Betriebsrat am Verhandlungstisch und im Arbeitsgericht für einen ordentlichen Sozialplan, denn zahlreichen Beschäftigten wurde inzwischen betriebsbedingt gekündigt.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Konversion muss gegen staatliche und wirtschaftliche Interessen durchgesetzt werden. Ende Juni 2016 beschloss der EU-Rat, die EU müsse »eine schlagkräftige europäische Rüstungsindustrie schaffen, die ausschlaggebend dafür ist, dass Europa eigenständig entscheiden und handeln kann.« Die deutsche Regierung ist Treiber dieser Politik, denn Rüstungskonzerne sind an den hohen und nachhaltigen Profiten interessiert. Beschäftigte und ihre Gewerkschaften haben es mit starken Gegenmächten zu tun, wenn sie Rüstungsproduktion in zivile Produktion umgestalten wollen. Deswegen können IG Metall und Rüstungsbeschäftigte nicht allein gelassen werden in ihrem Kampf um Umstellung auf zivile Güter. Sie brauchen Bündnispartner aus der Friedensbewegung und der gesamten Gesellschaft. Konrad Ott, IG Metall-Bevollmächtigter, erklärte auf dem Friedenratschlag Ende 2016: »Die Abhängigkeit und Existenzangst der Beschäftigten darf nicht dazu führen, dass Arbeiter aus Rüstungsbetrieben unter die sprichwörtliche ›Glasglocke‹ gestellt werden. Anstelle der moralischen Vorwürfe, die nur Ablehnung hervorrufen können, sind die Beschäftigten mit der Problematik und den Widersprüchen von Rüstungsproduktion und dem damit zusammenhängendem Sozialabbau, Massenarbeitslosigkeit, Menschenrechtsverletzungen und Friedensgefährdung zu konfrontieren.

Das muss aber auf einer inhaltlichen und solidarischen Diskussionsebene geschehen! Möglichkeiten von Perspektiven und Alternativen, wie man die Rüstungsunabhängigkeit überwinden kann, sind mit den betroffenen Kolleginnen und Kollegen und nicht gegen sie zu diskutieren.«

Die Forderung, »den Wehretat in einem ersten Schritt einzufrieren und in einem zweiten Schritt pro Jahr um fünf Prozent zu senken, muss wieder auf die Tagesordnung der Friedensbewegung und der Gewerkschaften gestellt werden«, forderte Ott . Die frei werdenden Mittel könnten dann als Friedensdividende für die Rüstungskonversion eingesetzt werden. Für die Beschäftigten, die in den Rüstungsbetrieben ihre Existenzgrundlage haben, kann damit eine Win-Win-Situation geschaffen werden.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Rüstung und Sozialabbau das sind zwei Seiten einer Medaille. Auch die Kürzungen im Sozial- und Rentenbereich, bei der öffentlichen Infrastruktur wie Schulen, Sportstätten, Bahnstrecken und Straßen oder der Verkauf von Krankenhäusern zeigen, wofür Steuergelder sozial und ökologisch nützlich ausgegeben werden müssten. »Für die Sanierung der Schulen fehlen rund 35 Milliarden Euro, das entspricht in etwa der geplanten Erhöhung der Rüstungsausgaben für ein Jahr und drei Monate«, 1.250.000 Sozialwohnungen statt 1.775 Schützenpanzer oder 60 Eurofighter« könnten gebaut werden. Bündnisse aus Gesellschaft und Friedensbewegung und Beschäftigten der Rüstungsbranche können zivile Alternativen vorantreiben.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Anlässlich des Antikriegstages und der anstehenden Bundestagswahl haben die Kölner Gewerkschaften - zusammen mit vielen Erstunterzeichner/innen der Stadtgesellschaft, aus den Bereichen: Soziales, Kultur, Kunst, Medien und Wissenschaft - die Petition „#NO2PERCENT – Frieden geht anders!“ gestartet. Die Petition richtet sich gegen das 2-Prozent-Ziel der NATO-Mitgliedsstaaten und fordert die Bundestagskandidaten/innen auf, dieses Ziel abzulehnen.

„Das 2-Prozent-Ziel der NATO, das von der Trump-Regierung vehement eingefordert wird, sichert nicht den Frieden sondern führt zu einer neuen Rüstungsspirale. Außerdem: Schon heute verschlingt der Rüstungsetat in Deutschland über 11% des Bundeshaushalts.„30 Mrd. € mehr für den Verteidigungshaushalt – das hat drastische Haushaltskürzungen bei dringenden sozialen, ökologischen, infrastrukturellen und bildungspolitischen Projekten zur absehbaren Konsequenz. Dagegen wollen wir uns rechtzeitig auflehnen. Statt Friedensdividende müssten Arbeitnehmer die Lasten einer neuen Spirale des Wettrüstens tragen. Wir brauchen das Geld für sichere Renten, Bildung, Infrastruktur, soziale Sicherheit“, so Witich Roßmann, Vorsitzender des DGB Köln.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

es ist auch kein Geheimnis dass an der Universität und anderen Wissenschaftseinrichtungen in Freiburg, so dem Ernst Mach Institut Rüstungsforschung betrieben wird.

Doch seit 2009 entwickelt sich die Zivilklauselbewegung. Sie fordert friedliche und zivile Hochschulen, die ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden. Die Zivilklauselist eine Selbstverpflichtung von wissenschaftlichen Einrichtungen wie Universitäten, ausschließlich für zivile Zwecke zu forschen. Bis 2009 hatten sich zwölf Hochschulen dazu verpflichtet, so zum Frieden beizutragen. Mittlerweile sind es 62. Was macht die Freiburger Uni?

Ende Januar 2014 beschloss der Senat auf studentischen Druck eine Zivilklausel. Diese ist jedoch – so der Kompromiss nach Verhandlungen – nicht bindend. Allerdings wurde der Rektor verpflichtet, jährlich über militärische Forschung an der Universität zu berichten. Dies ist nun in der Grundordnung festgeschrieben, und soll zumindest für mehr Transparenz sorgen. In der Vergangenheit hatte die US-Army in Freiburg zum Beispiel an Panzerglas geforscht.

»Die Rüstungsindustrie ist not amused und beklagte 2014, ihre Bedingungen hätten sich durch die Ausgrenzung militärischer Forschung aufgrund der Erfolge der Zivilklauselbewegung an den Hochschulen deutlich verschlechtert«, Doch uns ist von einem Bericht des Unirektors Schiewer bisher nicht bekannt. Wir fordern von dieser Antikriegstagkundgebung aus, legen Sie der Freiburger Öffentlichkeit endlich einen Bericht vor Herr Schiewer!

Eine Ächtung der Profite aus der Waffen- und Rüstungsproduktion kann die Diskussion um zivile Güter statt Waffen wieder beleben. Denn wer Hundefutter produziert, braucht Hunde, wer Waffen produziert, braucht Kriege, sagte ein holländischer Zwangsarbeiter, einst bei Mauser beschäftigt. Es geht darum, gemeinsam Kriege, Rüstungsforschung und -produktion zu verhindern.

Und dass Erfolge hier möglich sind zeigt der Einsatz von unserem Kollegen Jürgen Grässlin.

Gemeinsam mit der Friedensbewegung wurde eine grundlegende Änderung bei Heckler& Koch erreicht:

AR-Vorsitzender John von Heckler & Koch sichert Rüstungskritikern Fortführung der Grüne-Länder-Strategie zu – keinerlei neue Waffenlieferungen außerhalb NATO/EU ++ Deutlich restriktivere Rüstungsexportpraxis als die der Bundesregierung Bestätigung aller auf H&K-Hauptversammlung getroffener Zusagen. Der H&K-Aufsichtsrat wird den Antrag auf Gründung eines Opferfonds ernsthaft diskutieren ++

Das macht Mut und deshalb kämpfen wir weiter für eine friedliche Welt.

Vielen Dank!

 

Werner Siebler ist Vorsitzender des DGB Stadtverband Freiburg.