Redebeitrag für die Veranstaltung zum Antikriegstag in Essen am 1. September 2018

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 01.09., Redebeginn: ca. 11.30 Uhr -

 

Liebe friedensbewegte Menschen, sehr geehrte Damen und Herren,

Im November dieses Jahres jährt sich zum 100. Mal das Ende eines bis dahin unvorstellbaren Gemetzels, des 1. Weltkriegs. Fast 65 Millionen Soldaten waren an diesem wahnsinnigen „Menschenschlachten“ beteiligt und fast 10 Millionen Soldaten waren auf grausame Weise in diesem Krieg zu Tode gebracht geworden und noch mehr Verwundete waren für den Rest ihres Lebens verstümmelt. Viele Landstriche in Europa waren völlig verwüstet. Doch der nur gut 20 Jahre später folgende 2. Weltkrieg mit 60 Millionen Toten, davon die meisten Zivilisten, übertraf die Gräuel, die unvorstellbaren Zerstörungen und das Abschlachten von Menschen des 1. Weltkrieges noch um ein Vielfaches.

Den heutigen Antikriegstag haben 1957 friedensbewegte Menschen, allen voran der Deutsche Gewerkschaftsbund, ins Leben gerufen, um an den Beginn des 2. Weltkrieges am 1. Sept. 1939 zu erinnern und zu mahnen: „Nie wieder Krieg!“ – Nie wieder Faschismus!“

„Die Kriege gemeinsam stoppen! Kriegsgefahr abwenden! Kein Werben fürs Sterben! “

ist unser Ruf heute, der unseren festen Willen und unsere Entschiedenheit zum Ausdruck bringt, dass nur ohne Krieg und ohne Gewalt dauerhaft Frieden erreicht werden kann. Der Glaube an den Mythos der erlösenden Gewalt ist ein Irrglaube. Mit Gewalt, mit Krieg, auch mit den sogenannten „humanitären“, aber letztlich doch kriegerischen Einsätzen können dauerhaft keine Konflikte gelöst werden. Kriege und Gewalt fördern nur neue Konflikte, sorgen nur für Tod, Leid und Zerstörung.

Doch scheinen die Schrecken der verheerenden Kriege im Bewussstsein bei vielen unserer regierenden Politiker nicht zu existieren, denn gegen den erklärten Willen der großen Bevölkerungsmehrheit in Deutschland wollen sie die Bundeswehr mehr und mehr zu einem Instrument der Kriegsführung, für Auslandseinsätze und zur Absicherung unserer wirtschaftlichen Interessen einsetzen. Das ist ein klarer Rechtsbruch und unmittelbar gegen unser Grundgesetz gerichtet.

Dazu sagen wir NEIN, nicht mit uns!

Wir wollen keine NEUE Macht, die Tod und Verderben bedeutet.

Unser Grundgesetz stellt die Friedensverantwortung unseres Landes in den Rahmen einer internationalen Friedens- und Rechtsordnung. Diese bietet die beste Gewähr, dem Wohl der einzelnen Menschen, der Völker und der gesamten Menschheit zu dienen.

Um des Profites willen werden riesige Mengen an Waffen produziert und in fast alle Regionen dieser Welt exportiert. Und Deutschland ist ganz vorne mit dabei. Gem. Rüstungsexportbericht der Bundesregierung wurden in 2017 Exportgenehmigungen für 6,24 Mrd. Euro erteilt, davon waren nur 39% für Nato- und EU-Länder, aber 44% für Drittländer und 17% waren für Entwicklungsländer bestimmt. Es ist ein Skandal, dass an Länder wie Algerien, Ägypten und insbesondere an Saudi-Arabien, trotz dessen verheerender Kriegsführung im Jemen, so etwas möglich ist.

Unsere Bundesregierung, die mit ihren „Politischen Grundsätzen für den Export von Kriegswaffen“, sich selbst hohe Hürden für Rüstungsexporte auferlegt hat, macht sich durch deren permanente Missachtung völlig unglaubwürdig und trägt zu Tod, Zerstörung, Elend und zur Flucht vieler Menschen bei. Wir protestieren dagegen und fordern ein Verbot für alle Exporte von Kriegswaffen und Rüstungsgütern.

Diejenigen, die uns weis machen wollen, dass unsere Sicherheit nur durch noch mehr Rüstung und noch mehr Ausgaben für das Militär garantiert werden kann, handeln gegen unsere humanen, sozialen, wirtschaftlichen und solidarischen Prinzipien und Interessen. Gem. des Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI gaben im Jahr 2016 die weltweit führenden 16 Staaten 1360 Milliarden Dollar nur für Rüstung und Kriegswaffen aus, wovon die USA mit 611 Mrd. Dollar fast die Hälfte dieser Ausgaben bestreiten. Welch ein Segen könnten diese Gelder sein, würden sie für Dinge eingesetzt, die den Menschen dienen und ihnen nützlich sind.

Um Sicherheit zu erreichen, seien solche Ausgaben notwendig, sollen wir glauben. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Was haben die Kriege der letzten Jahre gebracht? Mehr Sicherheit? Ganz im Gegenteil: Irak, Afghanistan, Lybien, Ukraine, Syrien, Jemen, Ägypten, Sudan, Israel und viele andere Kriegsschauplätze mehr beweisen, dass Frieden mit Krieg nicht erreicht werden kann. Mehr als 60 Millionen Menschen haben sich als Flüchtlinge auf den Weg gemacht, um diesen Gräueln zu entkommen.

Sicherheit und Frieden erhalten wir vor allem durch geduldiges Verhandeln und durch die Bereitschaft, Konflikte ohne Gewalt zu lösen. Es gibt inzwischen bewährte Methoden und genügend Beispiele dafür, dass Verhandlungen zwischen ehemals verfeindeten Parteien, auch wenn sie mühsam und langwierig waren, letztlich doch zu Lösungen geführt haben, die Frieden und Sicherheit statt Rache, Zerstörung und Tod gebracht haben.

Dr. Maria Stephan, eine Politikwissenschaftlerin aus Washingto, hat zusammen mit einer Kollegin in einer umfangreichen Studie nachgewiesen, dass gewaltloser Widerstand gegen einen starken Gegner, z. B. eine Militärmacht, doppelt so häufig Erfolg hat wie bewaffneter Widerstand. Aus der Studie geht auch hervor, dass gewaltfreie Kampagnen in einem Zusammenhang mit demokratischen und friedlichen Gesellschaften stehen. Hier drei Beispiele aus der etwas jüngeren Vergangenheit:

In Liberia, das viele Jahre Bürgerkrieg zwischen bewaffneten Rebellengruppen und der Regierung von Charles Taylor ertragen musste, fand sich eine Gruppe von Kirchgängerinnen, die gemeinsam eine Aktionskampagne organisierten und die kriegsführenden Parteien damit so unter Druck setzten, dass diese 2003 das Friedensabkommen unterzeichneten. Friedensmahnwachen, sexuelle Verweigerung der beteiligten Frauen und sozialer Druck waren dabei nur einige ihrer Taktiken.

In Guatemala boykottierte, streikte und protestierte eine breite Koalition aus Bauern, Studierenden, Anwälten und religiösen Führern gegen die langjährige korrupte Regierung und zwangen dadurch den Präsidenten 2015 gewaltfrei zum Rücktritt. Das war für ein Land, das während drei Jahrzehnten unter einem Bürgerkrieg gelitten hatte, ein bemerkenswerter Erfolg.

In Kenia griffen Kämpfer der al-Shabaab-Miliz 2014 einen Bus an und forderten die Passagiere auf, sich nach Christen und Muslimen aufzuteilen. Die muslimischen Reisenden, größtenteils Frauen, weigerten sich, die Christen auszuliefern. Sie forderten die Terroristen auf, sie entweder alle zu töten oder zu verschwinden und gaben christlichen Frauen Hijabs, also muslimische Verschleierungen. Die Terroristen zogen sich daraufhin zurück.

Eine friedliche und sichere Zukunft erhalten wir auch nur dann, wenn wir eine andere gerechtere Weltwirtschftsordnung mit allen Kräften anstreben. Diese muss am Gemeinwohl aller Menschen weltweit orientiert sein. Wo die Militär- und Wirtschaftsmächtigen den weniger Starken, insbesondere den einheimischen Bevölkerungen, die Weltmeere leerfischen, die Rohstoffe ausbeuten, Land in gigantischem Umfang aufkaufen, deren Bewohner vertreiben und mit billigen subventionierten Produkten die heimische Erzeugung von Nahrungsmitteln und anderen Gütern zerstören, da wird es keinen Frieden und keine Sicherheit geben. Fast immer finden diese Ausbeutungen mit Unterstützung einheimischer korrupter Eliten statt, die mit brutaler, meist militärischer Gewalt jede Auflehnung dagegen unterdrücken und Menschen fliehen müssen, um überleben zu können. Papst Franziskus hat es mit drei Worten auf den Punkt gebracht: „Diese Wirtschaft tötet!“.

Dabei zeigt die Globalisierung die gegenseitige Verbundenheit und Abhängigkeit aller Menschen und Länder unseres Planeten und dass die Sorge für Gerechtigkeit und Frieden eine übernationale weltweite Aufgabe ist. Doch Friedensförderung gelingt erst dann, wenn deutsche Interessen mit den Interessen anderer Länder durch ehrliches Streben nach gerechtem Ausgleich verwirklicht werden.

Wir fordern, dass Deutschland seinen Wohlstand nutzt, den Weltfrieden durch Stärkung und Verbreitung ziviler Konfliktbearbeitung, Diplomatie und Verhandlungslösungen fördert und auch die notwendigen Finanzen dazu beisteuert. So eingesetzte Ressourcen stiften Zusammenhalt und fördern die gegenseitige Anerkennung und die Entwicklung globaler Solidarität als wesentliches Element einer internationalen Friedens- und Rechtsordnung. Und sie sind ein wichtiger Beitrag, Menschen zu veranlassen, in ihren Heimatländern zu bleiben, weil dort dann ein menschenwürdiges Leben möglich ist.

Zum Schluss möchte ich noch auf den Skandal aufmerksam machen, der sich hier und heute in unmittelbarer Nähe abspielt: Mit großem finanziellen und technischem Aufwand versucht die Bundeswehr, an vielen Orten und bei vielen Gelegenheiten Männer und Frauen zu gewinnen, die bereit sind, das Töten zu erlernen und auszuführen, so hier und heute auch bei „Essen Original bzw. dem NRW-Tag“.

Aber Soldat zu sein, ist eben kein Job wie jeder andere, und jeder Soldat, jede Soldatin im Einsatz ist nicht auf einem Abenteuerspielplatz, sondern muss bereit sein, Menschen zu töten oder selbst getötet zu werden. Die große Zahl an traumatisierten Soldaten, die in Afghanistan im Einsatz waren, spricht eine deutliche Sprache, was Krieg aus kerngesunden Menschen machen kann. Wir sagen NEIN: „Kein Werben fürs Töten und Sterben“.

Wir verurteilen scharf, dass durch solche Veranstaltungen insbesondere auch Kinder und Jugendliche angelockt werden, die gem. NRW-Verfassung zum Frieden erzogen werden sollen, und dass die Bundeswehr nach wie vor auch 17jährige, also Minderjährige, für das Tötungshandwerk anwerben darf und damit gegen die UN-Kinderrechts-Konvention verstößt. Wir fordern, dass die Bundesregierung endlich die Kinderrechtskonvention der UN in vollem Umfang anerkennt und ratifiziert.

 

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

lasst uns weitermachen und unserer Zukunft durch unser permanentes Bemühen um Abrüstung und zivile Friedenspolitik ein menschliches Gesicht geben!

Ich danke für Ihre/für eure Aufmerksamkeit

 

Alfred Keienburg ist pax christi-Diözesanvorsitzender im Bistum Essen und Mitglied im Essener Friedensforum.