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Redebeitrag für die Veranstaltung zum Antikriegstag in Berlin am 1. September 2018
- Es gilt das gesprochene Wort -
- Sperrfrist: 01.09., Redebeginn: ca. 11 Uhr -
Wie das Verbot nuklearer Waffen die Welt verändert hat
Liebe Freundinnen und Freunde,
Vor knapp zwei Monaten haben wir einen wichtigen Geburtstag gefeiert. Der UN-Vertrag über ein Verbot von Atomwaffen ist ein Jahr alt geworden. Am 7. Juli letzten Jahres hatten 122 Staaten ein Atomwaffenverbot beschlossen. Der Vertrag verbietet den Einsatz und die Drohung mit Atomwaffen sowie Besitz, Lagerung, Erwerb, Entwicklung, Erprobung und Herstellung, aber auch einen Transfer von Atomwaffen. Zudem werden in der Präambel die Opfer der Einsätze von Atomtests anerkannt und die überproportionalen Auswirkungen auf indigene Völker und auf Frauen benannt. Ein wahrlich bahnbrechendes Dokument.
Aber gibt es nach einem Jahr Grund zu feiern? Wurde wegen des Vertrages eine einzige Atomwaffen abgerüstet? Die Antwort lautet Nein.
Nach wie vor gibt es weltweit ca. 15.000 Atomwaffen. Die Atomwaffenstaaten rüsten auf und investieren jährlich Milliarden von Dollar in ihre Erneuerung und Aufrüstung. Außerdem haben die Besitzerstaaten von Atomwaffen klar gemacht, dass sie dem Vertrag nicht beitreten werden.
Genau wie die Kritiker gewarnt haben, hat der Vertrag Atomwaffen nicht automatisch abgeschafft. Dennoch zeigt der Vertrag nach nur einem Jahr erste Ergebnisse.
Fünf Erfolge:
1.
Der Verbotsvertrag hat der Anti-Atomwaffen-Bewegung neuen Schwung verliehen: In der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Nuklearwaffen (ICAN) beteiligte sich eine neue Generation von Aktivist*innen. Letztes Jahr wurde ICAN mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Der Friedensnobelpreis lenkte die mediale Aufmerksamkeit auf das Thema Atomwaffen.
In ganz Europa gab es politische Proteste. Am deutschen Atomwaffenstützpunkt Büchel waren die Kirchen in diesem Jahr erstmals mit einer großen Kundgebung mit 600 Menschen beteiligt. US-Friedensaktivisten gelang es zweimal, sich Zugang zu der Bundeswehr-Militärbasis verschaffen. In Großbritannien forderten Aktivist*innen die Regierung auf, den UN-Vertrag zu unterzeichnen, indem sie sich an das Geländer des House of Commons ketteten. Auch hier unterstützt die Kirche in Form der Church of England das Verbot.
2.
Bis jetzt haben den Vertrag bereits 60 Staaten unterzeichnet und 14 ratifiziert. Sobald 50 Ratifikationen erreicht sind, tritt er in Kraft. Die Ratifizierungsrate für den Verbotsvertrag läuft derzeit schneller voran als für jedes andere multilaterale Massenvernichtungsabkommen.
Die nächste Unterzeichnungszeremonie wird am 26. September 2018 in New York stattfinden.
3.
Dank des Engagements der Zivilgesellschaft werden Finanzen und staatliche Pensionsfonds, die in Atomwaffen investieren, in ganz Europa veräußert. Seit der Verabschiedung des UN-Vertrags ist die Gesamtzahl der Finanzinstitutionen, die in Atomwaffenhersteller investieren, um 8 % zurückgegangen. Zwei der fünf größten Pensionsfonds der Welt haben Änderungen ihrer Geschäftspolitik im Bezug auf Atomwaffenhersteller angekündigt. Und auch die Deutsche Bank nimmt Änderungen ihrer Geschäftspolitik vor. Sie sind zwar nicht perfekt, aber sie gehen in die richtige Richtung.
Auf der Homepage atombombengeschaeft.de können Sie sich weiter über die Finanzierung von Atomwaffen durch deutsche Banken informieren.
4.
Schon 950 Parlamentarier in mehr als 30 Ländern haben sich verpflichtet, ihre Regierung zum Beitritt zum Verbotsvertrag zu bewegen. Der Senat von Kalifornien hat die US-Regierung am 28. August 2018 aufgefordert, den Verbotsvertrag zu unterzeichnen. In Deutschland unterstützen knapp 300 Bundestags- und Landtagsabgeordnete die Erklärung. Im letzten Jahr hat die bremische Bürgschaft den Berliner Senat aufgefordert, sich auf Bundesebene für eine deutsche Unterzeichnung und Ratifizierung des UN-Vertrages einzusetzen.
5.
Der Vertragsprozess hat die Debatte über Atomwaffen verändert. Nicht mehr die Sicherheitspolitik steht im Vordergrund, sondern die humanitären Folgen dieser Massenvernichtungswaffen. Neue Perspektiven und Stimmen waren zu hören. Thematisiert werden nun auch die Macht- und Autoritätsansprüche der Atomwaffenstaaten, Rassengerechtigkeit, willkürliche Gewalt, nachhaltige Entwicklung, wirtschaftliche Gerechtigkeit und eine Gleichberechtigung der Geschlechter.
Der Verbotsvertrag hat die Debatte um Abrüstung ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt. Unsere Bundesregierung weigert sich, gemeinsam mit den Atomwaffenstaaten beharrlich dem Abkommen beizutreten und die US-Atomwaffen aus Büchel abzuziehen. Deswegen müssen wir weiter öffentlich Druck machen. Derzeit sammeln wir Unterschriften unter die Petition an die Bundesregierung „Unterzeichnen Sie das Atomwaffenverbot“. 60.000 Menschen haben schon unterzeichnet. Es müssen noch viel mehr werden. Unter www.nuclearban.de können Sie unterschreiben.
Angelika Wilmen ist Pressesprecherin und Koordinatorin der Öffentlichkeitsarbeit der IPPNW (Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung mit Sitz in Berlin.