Redebeitrag für die Veranstaltung zum Antikriegstag in Dortmund am 1. September 2018

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

heute stehen nicht nur hier, an der Mahn- und Gedenkstätte in Dortmund, sondern an vielen Orten in NRW und in der ganzen Bundesrepublik tausende von Menschen zusammen. Wir gedenken des Grauens und des unermesslichen Leids der beiden Weltkriege, die über 80 Millionen Tote gefordert haben.

Am 1. September erinnern wir Gewerkschaften daran, dass es dieser Tag war, an dem Nazi-Deutschland mit seinem Überfall auf Polen 1939 den Zweiten Weltkrieg entfacht hat.

Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus! Das ist die unumstößliche Lehre, die wir Gewerkschaften aus den Weltkriegsschrecken des 20. Jahrhunderts gezogen haben. Dazu bekennen wir uns. Dafür steht die Gewerkschaftsbewegung in Deutschland, Europa und weltweit!

Gerade in diesem Jahr haben wir besonderen Anlass, den Antikriegstag als Tag des Mahnens vor den zerstörerischen Folgen von besinnungslosem Nationalismus und Faschismus zu begehen. Denn 2018 jährt sich das Ende des Ersten Weltkriegs zum hundertsten Mal.

Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg! Wer sich diesem Motto verschrieben hat, muss die aktuelle politische Situation mit tiefer Sorge betrachten. Wir erleben in Deutschland einen dramatischen Rechtsruck in der öffentlichen Diskussion. Dinge, die bis vor kurzem zurecht nicht sagbar waren, sind es durch Gauland und Weidel, aber auch durch Seehofer und Söder geworden. Ich verhehle nicht, dass mich in diesen Tagen zuweilen großer Schrecken, manchmal sogar Ohnmacht ergreift. Zu viele Nachrichten zeugen davon, dass Rechtsstaatlichkeit, demokratische Grundsätze und die Würde des Menschen in Deutschland täglich angegriffen werden.

In Sachsen wurden wieder einmal Worte zu Taten. Hetze und Menschenfeindlichkeit schwappt vom Internet auf die Straßen und Plätze. Wir alle haben die Videos gesehen, wie Rechtsradikale jagt auf Menschen mit dunklerer Hautfarbe machen, wie sie grölend und mit Hitlergruß durch die Straßen ziehen. Und wir sehen, wie viele Bürgerinnen und Bürger keinerlei Scheu haben, sich bei den Rechten einzureihen und Seite an Seite mit ihnen zu demonstrieren. Das alles bereitet mir große Sorge. Und es zeigt: Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem wir Demokratinnen und Demokraten Haltung zeigen müssen!

Wir müssen deutlich machen: Nicht die Ausländerfeinde und Antidemokraten sind in der Mehrheit, wir sind es! Und wir lassen nicht zu, dass sich rechtes Gedankengut immer weiter in unser Land hineinfrisst!

Ich bin froh, dass wir in Nordrhein-Westfalen eine grundlegend andere Situation haben als in Sachsen.

Wenn hier Rechte aufmarschieren, gibt es jedes Mal ein Vielfaches an Gegendemonstranten.

Das liegt auch daran, dass wir hier eine funktionierende Zivilgesellschaft aus Gewerkschaften, Kirchen, Vereinen und Verbänden haben, die im Osten viel schwächer ausgeprägt ist. Dennoch gilt es auch bei uns, wachsam zu sein. Auch in NRW hat die AfD zur Bundestagswahl 15 Prozent der Stimmen bekommen. Und gerade ihr hier in Dortmund wisst, was es heißt, wenn die rechte Szene versucht Fuß zu fassen. Ich finde es großartig, wie ihr seit Jahren dagegen haltet und deutlich macht, wer in Dortmund die Mehrheitsgesellschaft ist und den Rechten erfolgreich die Stirn bietet. Weiter so!

 

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Wir leben seit 73 Jahren hier in Europa in Frieden! Das ist ein großes Privileg. Weltweit sind fast 70 Millionen Menschen auf der Flucht, die meisten mussten ihre Heimat verlassen, weil dort Krieg oder Bürgerkrieg herrscht.

Wenn wir den Frieden in Europa erhalten wollen, dann müssen wir etwas dafür tun. Mauern und Zäune werden unser Leben nicht lebenswerter und unsere Welt nicht friedlicher machen. Es ist ein moralischer Bankrott, wenn Seenotretter, die Menschen vor dem Ertrinken retten, angeklagt werden.

Ich kann mich Norbert Blüm nur anschließen, der gesagt hat: „Wenn 500 Millionen Europäer keine fünf Millionen oder mehr verzweifelte Flüchtlinge aufnehmen können, dann schließen wir am besten den Laden >Europa< wegen moralischer Insolvenz.“ Ich bin froh, dass viele Bürgermeister und eine Bürgermeisterin in Nordrhein-Westfalen angeboten haben, Flüchtlinge in ihren Städten aufzunehmen.

Das ist der richtige Weg.

Durch Aufrüstung und Abschottung wird unsere Welt nicht sicherer. Was wir brauchen, sind mehr zivile Strategien zur Friedenssicherung. Dazu gehören vor allem ein fairer Welthandel, eine gerechtere Verteilung des weltweiten Reichtums sowie soziale und ökologische Entwicklungs- und Klimaschutzprojekte.

Die Europäische Union hat vor gar nicht so langer Zeit den Friedensnobelpreis erhalten.

Sie darf jetzt nicht zum Militärpakt verkommen!

Wir wollen, dass Europa ein Vorreiter wird für friedliche Konfliktlösung. In diese Richtung muss jetzt gearbeitet werden!

Dazu gehört auch, dass Deutschland endlich den UNO-Vertrag über das Verbot von Atomwaffen unterzeichnet, wie es bereits 130 Staaten getan haben. Heute existieren auf der Welt noch etwa 15.000 Nuklearwaffen, das sind 15.000 zu viel. In einer Welt, in der nicht nur in autoritären und autokratischen Staaten, sondern auch in Demokratien unberechenbare und teils irrationale Menschen entscheidende Machtpositionen erhalten, wird das Verbot von Atomwaffen noch drängender!

Und wir brauchen jetzt die stärkere und bessere Kontrolle von Waffenexporten. Deutschland liefert derzeit so viele Waffen in Krisengebiete wie noch nie. Dieser Wahnsinn, dieses Geschäft mit dem Tod, muss endlich aufhören!

Abrüstung ist das Gebot der Stunde! Wir brauchen mehr friedenspolitische Initiativen. Und deshalb darf es nicht sein, dass der Rüstungshaushalt auf 2 Prozent des BIP aufgestockt wird. Der Deutsche Gewerkschaftsbund lehnt das 2 Prozent-Ziel der Nato-Mitgliedsstaaten entschieden ab! Es würde fast eine Verdoppelung des Militäretats bedeuten! Es würde bedeuten, dass weitere 30 Milliarden Euro im zivilen Bereich fehlen würden: Für Investitionen in Bildung, Hochschulen, Schulen und Kitas, Für die Verbesserung unserer Verkehrsinfrastruktur, für eine ökologische Energiewende, für bessere Alterssicherung und soziale Sicherheit. Und für eine Entschuldung der Kommunen, die gerade hier im Ruhrgebiet immens wichtig wäre.

Ich bitte auch jede und jeden von euch hier und heute: Unterstützt die Initiative „Abrüsten statt Aufrüsten“, damit das 2 Prozentziel der Nato nicht umgesetzt wird. Ihr findet die Petition im Internet, unterzeichnet sie! Am besten noch heute Abend. Abrüsten statt Aufrüsten, ist das Stichwort.

 

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

als gäbe es keine wichtigen Herausforderungen, hat die CDU jetzt eine Debatte um die Wehrpflicht losgetreten. Eine völlig verquere Debatte. Da wird der Nachwuchsmangel der Bundeswehr mit dem Pflegenotstand vermischt, die guten Erfahrungen eines freiwilligen sozialen Jahres hinzugefügt und aus allem soll dann eine Diskussion um die Verpflichtung der jungen Menschen für den Dienst am Vaterland gemacht werden. Und damit es noch etwas verquerer wird, sollen dann auch noch die Flüchtlinge dazu herangezogen werden.

 

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

mit Krieg spielt man nicht! Deshalb gehört Werbung für die Bundeswehr nicht auf Spielemessen wie die gamescom. Und deshalb sind solche Debatten unverantwortlich.

Wenn ich anfangs gesagt habe, dass die Auseinandersetzung für Frieden und Demokratie in der Mitte der Gesellschaft geführt werden muss, dann ist das auch eine Herausforderung an uns alle. Bert Brecht hat einmal gesagt, auch der Kampf gegen die Ungerechtigkeit verzerrt die Züge. Demokratie braucht eine gute Streitkultur, braucht die Diskussion unterschiedlicher Positionen. Da sind auch wir gefordert, unsere Haltung, unsere Argumentation zu überprüfen. Freund-Feind-Denken ist eine schlechte Grundlage für Friedensprozesse. Und da sind es leider nicht immer nur die anderen, die andere abwerten und beleidigen. Ich erschrecke manches Mal, über die Wortwahl in Kommentaren auf Facebook, gerade auch von Menschen die unsere Position liken. Im Grundgesetz steht nicht: „Die Würde derjenigen, die meine Meinung teilen ist unantastbar“. Sondern: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Ohne Einschränkungen.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,

auf der Oranienburger Straße in Berlin gibt es eine Bar, in der man für etwa 15 Euro einen »Weltfrieden « kaufen kann. Er wirkt ein paar Stunden. Mit dem echten Weltfrieden ist es leider eine etwas kompliziertere Sache.

100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, 73 Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges ist der Krieg als Mittel der Politik immer noch nicht geächtet. Wie viele gescheiterte Militärinterventionen braucht es noch, damit wir lernen, dass mit Krieg kein Frieden zu machen ist?

Im Juni 1945 wurde als Lehre aus den beiden Weltkriegen die Charta der Vereinten Nationen gegründet.

Heute haben fast alle Staaten dieser Welt diese erste Weltverfassung der Menschheitsgeschichte

unterzeichnet. Es lohnt sich, dieses Dokument nochmal zu zitieren:

WIR, [SIND] FEST ENTSCHLOSSEN, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat, […] UND FÜR DIESE ZWECKE Duldsamkeit zu üben und als gute Nachbarn in Frieden miteinander zu leben, unsere Kräfte zu vereinen, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren, […] [UND] HABEN BESCHLOSSEN, IN UNSEREM BEMÜHEN UM DIE ERREICHUNG DIESER ZIELE ZUSAMMENZUWIRKEN.“

Ich finde, wir sollten nicht einstimmen in den Chor derer, die die Vereinten Nationen schlecht reden.

Die Vereinten Nationen sind besser als ihr Ruf. Geht es um den Weltfrieden, sind sie die beste Institution, die wir haben. Es gibt keine Alternative zur friedlichen Konfliktlösung in einer komplexen Welt.

Erstmals wird Deutschland jetzt einen der wechselnden Sitze im UN-Sicherheitsrat einnehmen.

Deshalb ist es so wichtig, dass wir wieder Vorreiter werden für Entspannungspolitik und friedliche Konfliktlösung. Deshalb ist es jetzt noch wichtiger, dass wir Rüstungsexporte begrenzen und den Atomwaffensperrvertrag endlich unterschreiben. Deshalb ist es so wichtig dass wir in soziale Gerechtigkeit in Bildung und in Entwicklung investieren. Deshalb ist es so wichtig, dass wir die Europäische Union verteidigen und uns nicht auseinanderdividieren lassen. Und deshalb ist es so wichtig, dass wir klar Haltung beziehen für eine offene, friedliche und tolerante Gesellschaft. Wer Frieden will, muss sich auch mal den Hut des anderen aufsetzen!

Lasst uns dafür gemeinsam einstehen. Ich wünsche euch und uns einen kraftvollen Anti-Kriegstag!

Glückauf!

 

Anja Weber ist Vorsitzende des DGB NRW.