Redebeitrag für die Veranstaltung zum Antikriegstag in Stukenbrock am 1. September 2018

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 01.09., Redebeginn: ca. 15 Uhr -

 

Nie wieder Krieg! Abrüsten statt Aufrüsten!

 

Sehr geehrte Herren und Damen,
liebe Kollegen und Kolleginnen,
liebe Friedensfreunde und –freundinnen,

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – das ist der erste Artikel unseres Grundgesetzes und eine unumstößliche Lehre aus Faschismus und Krieg, einem Krieg, der am ersten Sep-tember 1939 mit dem Überfall auf Polen begann und der 60 Millionen Menschenleben auslöschte.

Gerade in diesem Jahr haben wir besonderen Anlass, den Antikriegstag als Tag des Mahnens und Erinnerns vor den Folgen von Krieg zu begehen.

Denn 2018 jährt sich ebenfalls das Ende des Ersten Weltkriegs zum hundertsten Mal.

Wir stehen heute an einem Ort, an dem um die 65.000 zu Tode gequälten Menschen während des Nationalsozialismus im Kriegsgefangenlager Stalag 326 u.a. in Massengräbern begraben wurden. Nachweislich waren sogar über 300.000 vor allem sowjetische, aber auch polnische, italienische, französische und serbische Kriegsgefangene bis zur Befreiung im Stalag 326 (VI K) Senne untergebracht. Fast jeder 5. Gefangener ist hier nicht mehr weg gekommen. Er ist verhungert, gequält und ermordet worden.

Der Schritt, die Dokumentationsstätte als „Nationale Gedenkstätte“ über das Land NRW aufzuwerten, ist absolut begrüßenswert. Wir schauen nicht weg und erinnern über die Bildungsarbeit aber auch über die jährliche Gedenkveranstaltung zum Antikriegstag hier an diesem Ort an die vielen Opfer des Nationalsozialismus.

Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!

Das ist die Lehre, die viele von uns aus den Weltkriegsschrecken des 20. Jahrhunderts gezogen haben.

Dazu bekennen wir uns und machen das am Antikriegstag im Besonderen deutlich.

Für uns Gewerkschaften und alle weiteren demokratischen Kräfte geht es darum, Haltung zu zeigen. Nicht nur heute, sondern an 365 Tagen im Jahr. Solidarität, Toleranz und Gerechtigkeit sind sowas wie unsere DNA und diese gilt es hochzuhalten.

Jedoch werden heute immer noch viele Millionen Menschen weltweit Opfer von Kriegen, politischer, ethnischer und religiöser Verfolgung. Das schockt uns sehr und zeigt, dass wir Menschen keine wirklichen Lehren aus den Kriegen gezogen haben. Den Grundsatz, dass die Würde des Menschen wirklich unantastbar ist und über aller anderen Interessen stehen muss, muss endlich von allen verstanden werden.

Rund um den Globus toben mehr als 30 Kriege und bewaffnete Konflikte. Auch die nukleare Bedrohung hat eher zu- als abgenommen. Aber nicht nur die vielen Krisenherde auf der Welt machen mir Sorgen, sondern auch die scharfe Rhetorik vieler Politiker. Für beispielsweise Erdogan oder Trump geht es nicht um das Wohl aller, nicht darum zu versöhnen, sondern darum, einseitig Interessen durchzusetzen. Feindbilder werden entworfen und Zwietracht in der eigenen Bevölkerung und zu anderen Nationen gesät.

Ich sage hier ganz deutlich: Waffengewalt und militärisches und verbales Hochrüsten lösen keine Probleme. Eine neue Aufrüstungsspirale ist die falsche Antwort auf die veränderte Weltlage. Und doch sind die globalen Rüstungsausgaben mit über 1,7 Billionen US-Dollar so hoch wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Deutschlands Militärausgaben steigen seit 2013 stetig an. In 2017 haben wir über 44 Milliarden US-Dollar ausgegeben und gehören somit zu den 15 Ländern, die weltweit die höchsten Militärausgaben haben. Dieser Wahnsinn muss ein Ende haben.

Die Welt wird nicht nur zunehmend von Kriegen und Krisen erschüttert, sie rücken auch immer näher an uns heran.

Der Nahe Osten, Syrien, Irak und Jemen, wo seit Jahren täglich Menschen sterben, liegt nur wenige Flugstunden von uns entfernt.

Wir können und wir dürfen nicht so tun, als ginge uns das nichts an. Wer so tut, als wäre es damit getan, die Grenzen zu schließen und Europa immer weiter abzuschotten ist nicht nur herzlos, sondern auch sehr naiv.

Die Folge: Nie zuvor sind so viele Menschen auf der Flucht gewesen. Heute sind es weltweit 68,5 Millionen Menschen. Die meisten von ihnen mussten ihre Heimat verlassen, weil dort Krieg oder Bürgerkrieg herrscht.

Und anstatt das wir hier in diesem Land die Würde der geflüchteten Menschen für unantastbar halten und dieses auch umsetzen, gibt es eine steigende Anzahl von Rechtspopulisten, Antisemiten, Rassisten und sogenannten „besorgten Bürgern“, die Flucht und Asyl nutzen, um Stimmung zu machen: Sie wollen unsere Gesellschaft spalten, Hass und Misstrauen sähen und unser solidarisches Miteinander untergraben. Erst Anfang der Woche mussten wir wieder erleben, dass Rechtsextremismus nicht verharmlost werden darf! Ein Mord in Chemnitz wird von rechten Hooligans und Neonazis dafür genutzt, um Hass und Gewalt auf die Straßen von Chemnitz zu bringen. Der echte Mop jagte vermeintliche Migranten durch die Stadt. Die Polizei total überfordert. Das dürfen wir nicht zulassen!

 

Sehr geehrte Herren und Damen,
liebe Kollegen und Kolleginnen,
liebe Friedensfreunde und –freundinnen,

die gesamte Gesellschaft ist spätestens jetzt gefordert: Kirchen, Verbände, Vereine und Gewerkschaften haben eine gemeinsame Verantwortung für die Stärkung eines demokratischen Miteinanders. Für mich sind die Schritte für eine friedliche Weltordnung eigentlich ganz klar:

  • Wir müssen uns entschieden gegen eine Aufstockung der Militärhaushalte wenden. Die derzeit durch die CDU geforderte Erhöhung des Rüstungsetats um zwei Prozent des BIP – das wären alleine in Deutschland weitere 30 Milliarden Euro, die im zivilen Bereich fehlen würden: für z.B. Investitionen in Bildung Schulen und Kitas, oder für eine bessere Alterssicherung und mehr soziale Sicherheit.

  • Wir müssen uns für eine restriktive Rüstungsexportpolitik stark machen. Deutschland liefert derzeit so viele Waffen in Krisengebiete wie noch nie. Dieser Wahnsinn muss endlich aufhören!

  • Wir wollen, dass auch Deutschland den Vertrag der Vereinten Nationen über das Verbot von Atomwaffen unter-zeichnet, wie es bereits 130 Staaten getan haben. Heute existieren auf der Welt immer noch etwa 15.000 Nuklearwaffen, das sind 15.000 zu viel.

  • Menschen auf ihrer Flucht auf dem Mittelmeer sterben zu lassen, um die Abschottung Europas weiter voranzubringen und politische Machtkämpfe auszutragen, ist unerträglich und spricht gegen jegliche Humanität. Wir brauchen dringend den berühmten "Aufstand der Anständigen", der zeigt: Die Mehrheit der Bevölkerung steht für ein geeintes Europa, für Demokratie und für Menschlichkeit. Die Demonstrationen der Initiative Seebrücke sind zum Beispiel genau das und machen Mut!

Der niederländische Philosoph Spinoza formulierte einst folgen-den Gedanken:

"Friede ist nicht Abwesenheit von Krieg. Friede ist eine Tugend, eine Geisteshaltung, eine Neigung zu Güte, Vertrauen, Gerechtigkeit.“

Zum Schluß möchte ich meinen persönlichen Dank an den Arbeitskreis „Blumen für Stukenbrock“ aussprechen, die jährlich dafür sorgen, dass wir nicht vergessen!

Seit über 50 Jahren bringt ihr Euch ehrenamtlich für das Gedenken an die Kriegsopfer ein und sorgt mit Eurem Engagement auch dafür, dass die jüngere Generation nicht vergisst. Dafür danke ich Euch und allen Anwesenden sehr.

Glück auf!

 

Anke Unger ist Regionalgeschäftsführerin des Deutschen Gewerkschaftsbundes Ostwestfalen- Lippe mit Sitz in Paderborn.