Redebeitrag für die Veranstaltung zum Antikriegstag in Freiburg am 1. September 2018

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Friedensfreundinnen und -Freunde, Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Am 1. Sept. 1957 wurde der Antikriegstag zum ersten Male begangen. Damals gab es massive Bestrebungen der damaligen CDU-Bundesregierung und der Bundeswehrführung, nicht nur die Verfügungsgewalt über die bereits vorhandenen amerikanischen Atomwaffen in Westdeutschland zu erlangen, sondern auch die Bundeswehr mit eigenen Atomwaffen auszurüsten. Dies konnte durch breite Proteste wie die Ostermarschbewegung verhindert werden. Aber noch immer gibt es Atomwaffen auf deutschem Boden: In Büchel in der Pfalz lagern 20 Sprengköpfe der US-Army, durch die ein großer Teil Europas unbewohnbar gemacht werden kann.

  • Wir fordern die Bundesregierung auf, dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten, der bereits von 122 Nationen unterstützt wird!
  • Wir brauchen keine Atomraketen - weder in Büchel noch irgendwo anders!

Rüstung, Krieg, wirtschaftliche Not und Flüchtlinge sind verschiedene Seiten der gleichen Medaille. Der unmenschliche Umgang Europas mit Flüchtlingen wird heute sicher in anderen Beiträgen thematisiert. Hier nur so viel:

  • Wir brauchen keine Abschottung, keine Festung Europa, keine Internierungslager, keine rassistische und neofaschistische Volksverhetzung, wir brauchen ein Europa der Solidarität der Völker.

Leider sind wir davon derzeit weit entfernt, auch in unserem Land. Die alarmierenden Vorkommnisse in Chemnitz sind ein Beleg dafür. Aktuell verantwortlich dafür ist die Volksverhetzung durch rechte Fanatiker, darunter auch solche in Kostüm oder Nadelstreifen. Mitverantwortlich sind jedoch auch

  • die seit vielen Jahren von den „großen bürgerlichen Parteien“ geführten Diskussionen um Zuwanderung und „deutsche Werte“,
  • die höchstrichterliche Duldung von NPD und anderen Neonazis,
  • die Verstrickung von „Verfassungsschutz“ und NSU-Verbrechern,
  • die immer schärfer werdenden Einschränkungen des Asylrechtes,
  • die Führung des letzten Bundestagswahlkampfes hauptsächlich darüber, wie die Zuwanderung zu beschränken sei,
  • die unsägliche und verlogene Polit- und Medienkampagne um angeblich Tausende kriminell verhinderte Abschiebungen in Bremen, angezettelt von Spitzenpolitikern der CSU,

Dies sind nur Beispiele, aber all dies hat Rechtsradikalen aller Couleur den Auftrieb verschafft, der zum Einzug der AfD in den Bundestag führte. Und - noch schlimmer , dass heute viel zu viele Politiker AfD-Forderungen aufgreifen, die vor wenigen

Jahren noch tabu waren, begründet mit dem Argument, man müsse ja AfD-Wähler „zurückgewinnen“.

Wer Rassismus und Fremdenhass ernsthaft zurückdrängen will, der muss vor allem im eigenen Land dafür Sorge tragen,

  • dass allen Menschen soziale Sicherheit gewährleistet wird,
  • dass allen ein Leben in Würde ermöglicht wird,
  • dass Frieden ausgeht von unserem Land,
  • und dass der Solidarität der Vielen ein höherer Stellenwert eingeräumt wird als dem Profit der Wenigen.

 

Liebe Friedensfreunde, Kolleginnen und Kollegen!

Der heutige Antikriegstag stellt Abrüstung in den Mittelpunkt. Im diesjährigen Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes heißt es: "Waffengewalt und militärisches Hochrüsten lösen keine Probleme. Eine neue Aufrüstungsspirale ist die falsche Antwort auf die veränderte Weltlage. Und doch sind die globalen Rüstungsausgaben mit über 1,7 Billionen US-Dollar so hoch wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Dieser Wahnsinn muss ein Ende haben. Deshalb lehnen der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften das NATO-Ziel ab, die Rüstungsausgaben der Bündnispartner auf zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung zu erhöhen. Für die Staaten Europas würde dies bedeuten, dass ihre Militäretats von 500 Milliarden Euro auf 800 Milliarden anwachsen. Auch Deutschland müsste seine Rüstungsausgaben annähernd verdoppeln."

Begründet wird die Notwendigkeit zur Erhöhung der Rüstungsausgaben in Europa in der Regel durch die angebliche Bedrohung durch Russland. Ist das zu verstehen? Die NATO hat bei den sog. 4+2Verhandlungen zur Wiedervereinigung Deutschlands der damaligen Sowjetunion zugesichert, ihre Grenzen nicht nach Osten auszudehnen. Diese Vereinbarung wurde gebrochen: Nahezu lückenlos umschließt die NATO heute Russland und führt jedes Jahr Manöver an dessen Grenzen durch. Nimmt man die Zahlen des renommierten Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI, so waren 2017 die Militärausgaben der USA alleine 9 mal so hoch wie die Russlands, die der NATO 13 mal so hoch. Während die NATO ihre Ausgaben jedes Jahr erhöht, hat Russland sie 2017 laut SIPRI um 20% gesenkt.

  • Da muss man doch die Frage stellen dürfen, wer hier wen bedroht!
  • Und man muss die Frage stellen, wer denn daran verdient!

In einem friedenspolitischen Antrag an die DGB-Landesdelegiertenkonferenz im Januar dieses Jahres stellte der DGB-Stadtverband Freiburg u.a. fest:

„Die Welt ist in einer gefährlichen Krisenlage mit wirtschaftlichen und/oder politischen Gründen. Nach Kriegen unter Führung von NATO-Staaten zur angeblichen Befreiung sind Afghanistan, Irak, Libyen und Syrien ein materielles und politisches Trümmerfeld.(….) Wir haben es mit Zuspitzung statt Deeskalation in Dutzenden von Kriegen und mit Waffen ausgeführten Auseinandersetzungen rund um den Globus zu tun. Deutschland ist am Kriegsgeschehen direkt und indirekt beteiligt. Allein in Baden-Württemberg gibt es an 70 Standorten 120 Betriebe, die nur oder teilweise Rüstungsgüter herstellen. Waffen aus Baden-Württemberg werden in allen Kriegen von allen Fronten benutzt. In Stuttgart befinden sich zwei der weltweit sechs US-Oberkommandos: AFRICOM, das strategische Kommando der US-Streitkräfte für Afrika und das United States European Command (EUCOM) für ganz Europa und Russland.“

Bewaffnete Konflikte berauben die Menschen ihrer Lebens- und Bildungschancen. Laut Rüstungsexportbericht der Bundesregierung wurden in 2015 Waffenexportgenehmigungen für 8 Mrd€ erteilt, mehr als jemals zuvor.

  • Rüstungsexporte müssen auf Null heruntergefahren werden. Frieden kann nirgends herbei gebombt werden. Frieden kann und muss verhandelt und von den Völkern ohne Militär durchgesetzt werden.

Rüstung sichert Arbeitsplätze – das wird behauptet. Aber stimmt es auch? Schon vor Jahren hat das Friedensforschungsinstitut SIPRI ermittelt, dass staatliche Investitionen in zivile Bereiche wie Schulen und Krankenhäuser, Umweltschutz, Straßenbau und Verkehr, für kommunale und andere öffentliche Dienste 2-5 mal so viele Arbeitsplätze sichern wie bei entsprechenden Ausgaben für Rüstung. Das heißt im Klartext:

  • Rüstung sichert nicht Arbeitsplätze, Rüstung verhindert zivile Arbeitsplätze!

Rüstungskonversion, die Umstellung von Rüstungsproduktion auf zivile Produktion, bleibt also nach wie vor eine vorrangige gesellschaftliche Aufgabe. Wir brauchen endlich Programme, durch die die Umwandlung von Rüstungsarbeitsplätzen in solche für sinnvolle Produkte eingeleitet und gefördert wird. Mit Beispielbetrieben können die Beschäftigten in Rüstungsbetrieben für die Rüstungskonversion gewonnen werden. Der Betriebsrat der Freiburger Firma Northrop-Grumman-LITEF könnte dazu Erfahrungen beisteuern. Wie wäre es, die nach derzeitiger Planung bis 2024 vorgesehenen zusätzlichen rund 50 Mrd. für Militär stattdessen in einen Konversionsfond zu stecken? Die verständliche Sorge vieler Beschäftigter in der Rüstungsindustrie um ihren Arbeitsplatz könnte sich so bald in Rauch auflösen!

  • Wir fordern von der Bundesregierung endlich Programme zur Rüstungskonversion auf den Weg zu bringen statt Militärausgaben zu erhöhen!

Derweil dreht Trump kräftig an der Rüstungsspirale. Der US-Präsident hat beschlossen, das amerikanische Militär um einen sechsten Zweig zu erweitern: die Space Forces, zu Deutsch Weltraum Streitkräfte. Die sollen nicht nur die Kontrolle aller Satelliten, also auch aller Nachrichten-, Wetter-, Navigations- und Forschungssatelliten übernehmen. Geht es nach Trump, werden bald auch Waffen in der Erdumlaufbahn kreisen. „Wir müssen den Weltraum dominieren“, fordert er und leitet eine weitere Hunderte Milliarden schwere Eskalation des Wettrüstens ein.

Wir fordern von hier:

  • Der Weltraum gehört niemandem – weltweite Abrüstung statt Abschussrampen im Orbit!

In einem Beschluss des DGB-Bundeskongresses von 2014 heißt es u.a.: „Der DGB tritt für eine allgemeine und weltweite kontrollierte Abrüstung, für die Verwirklichung und Erhaltung des Friedens und der Freiheit im Geiste der Völkerverständigung ein.“ Und weiter: „Der DGB zeigt sich außerordentlich besorgt über die nationale wie internationale Rolle der Bundeswehr. Die Bundeswehr hat sich (…) zu einer internationalen Interventionstruppe gewandelt. Zur Aufgabe der Bundeswehr gehört es nunmehr ausdrücklich auch, freie Handelswege, eine gesicherte Rohstoffversorgung sowie die Erschließung und den Zugang zu Bodenschätzen, Vertriebswegen und Märkten zu sichern. Mit Friedenssicherung hat dies nichts zu tun. Der DGB lehnt die Beteiligung der Bundeswehr an derartigen Einsätzen ab.“

Wir fordern daher:

  • Deutsche Soldaten sofort zurückholen – von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen!
  • Militärpakte wie die NATO müssen aufgelöst statt aufgerüstet werden!

 

Bernd Wagner ist aktiv beim DGB-Stadtverband Freiburg.