Redebeitrag für die Veranstaltung zum Antikriegstag in Berlin am 1. September 2018

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

79 Jahre ist es her, seit die deutsche Wehrmacht Polen überfiel. Eine Lüge ging dem voraus.

Kein Missverständnis oder eine Fehlinformation, nein, eine Lüge, bewusst in die Welt gesetzt, um einen Angriffskrieg als Verteidigung zu tarnen.

Menschen wurden durch Manipulation und Schüren von Fremdenhass mental sukzessive darauf vorbereitet, einen Krieg als gerechtes Mittel zur Durchsetzung von Politik zu akzeptieren, zu unterstützen oder gar aktiv mitzumachen. Das hat damals funktioniert.

Zwei Jahre später ging es gegen die Sowjetunion. Und auch da hat es funktioniert.

Das Ende kennen wir. 60 bis 80 Millionen Tote. In der Sowjetunion starben allein 27 Millionen Menschen. Das Land trug die meisten Kriegslasten und war unter großen Verlusten maßgeblich an der Niederschlagung des Faschismus beteiligt.

Aber auch nach Ende des 2. Weltkrieges ging es weiter mit dem Lügen als Vorbereitung von Angriffs- oder Eroberungskriegen:

Schon im November 1945 gab es einen Geheimplan der USA mit dem Titel „Atombombenziel Sowjetunion“. Man stelle sich das vor, drei Monate nach dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki! Und auch hier wurde wieder eine Lüge bemüht: nämlich die, dass die Sowjetunion den Angriff auf die westliche Welt vorbereite.

Auch das war eine bewusste Lüge, war den USA doch klar, dass die Führung der Sowjetunion durch ihre Schwäche an Produktionspotential und dem großen Verlust an Menschen alles daran setzen würde, „internationale Nachkriegskonflikte“ zu vermeiden. So hatte das bereits im Januar 1945 das Vereinigte Geheimdienstkomitee der USA (ein Vorläufer der CIA), in einem Memorandum vermerkt.

Es folgte der Kalte Krieg gegen die Sowjetunion. Die atomare Aufrüstung. Die Lügen von den vielen „Lücken“ in der US- und NATO-Verteidigung, seien es Raketen, Bomber oder Rüstungsausgaben.

Alles erstunken und erlogen. Aber es hat wieder funktioniert.

Die Sowjetunion war gezwungen, ebenfalls hochzurüsten, um am Ende totgerüstet worden zu sein.

Auch der Kriegseintritt der USA im Vietnamkrieg begann mit einer Lüge, wie wir heute wissen, denn die Vietnamesen haben kein US-Kriegsschiff im Golf von Tonking überfallen.

Und es setzte sich fort im Krieg gegen Jugoslawien. Da wurde behauptet, die Serben stünden kurz davor, einen Völkermord an den Kosovo-Albanern zu verüben. Ja es war keine Lüge zu groß, um sogar Völkerrechtsbruch zu begehen.

Im Irakkrieg Anfang der neunziger Jahre war es die Brutkastenlüge, im Irakkrieg 2003 die angeblichen Massenvernichtungswaffen, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Bis in die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts war ich davon überzeugt, dass die Forderung: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg, die aus dem 2. Weltkrieg als Lehre gezogen wurde, ihre Wirkung nicht verlieren wird. Weil ich dachte: Faschismus hat nie wieder eine Chance. Und die Deutschen wollen keinen Krieg mehr. Das war schon damals blauäugig, wie ich heute weiß, aber die BRD spielte noch nicht wieder ganz oben mit. Und das Feindbild Sowjetunion war nach Perestroika und Glasnost in der Öffentlichkeit am Ende auch ein wenig ins Trudeln geraten mit dem Traum vom gemeinsamen europäischen Haus.

In Berlin war es für mich undenkbar, auf so etwas wie öffentliche Gelöbnisse, Showrooms der Bundeswehr oder Jugendoffiziere in Klassenzimmern zu stoßen.

Und doch ist das alles heute Alltag.

Heute steht die Bundeswehr als Teil der NATO wieder vor Russlands Grenzen und heute wie damals gilt das Land im Osten als unser Feind, der uns bedroht. Und wieder werden Lügen aufgetischt.

Dabei muss man doch nur die Fakten ansehen, um zu merken, wie bekloppt das ist: Die NATO rüstet auf, zwingt alle Mitgliedsstaaten zu immensen Rüstungssteigerungen, und, sind wir mal ehrlich, die lassen sich gerne zwingen.

Russland hingegen gibt seit 2016 weniger statt mehr für sein Militär aus.

Aber auch schon vor der Reduzierung waren die Ausgaben lächerlich im Vergleich zur NATO-Aufrüstung, denn diese war 13x so hoch. Mal in Zahlen ausgedrückt: NATO: 881 Milliarden Dollar, Russland 68 Milliarden.

Mir ist das unbegreiflich, dass es immer noch funktioniert, dreiste Lügen so lange zu wiederholen, bis keiner mehr Lust hat, sie zu hinterfragen. Nach dem Motto. „Irgendwas bleibt schon hängen“.

Lasst uns das nicht zulassen!

Und wenn es wie Asche im Mund ist, um diese Worte von Brecht mal wieder zu verwenden: lasst mich das tausendmal Gesagte immer wieder sagen:

Bleiben wir wach, hören wir genau hin, prüfen wir, was behauptet wird, sagen, schreiben, diskutieren, überzeugen wir, damit es NICHT länger funktioniert, dass Menschen Krieg als gerechtes Mittel zur Durchsetzung von Politik akzeptieren, unterstützen oder gar aktiv mitmachen.

 

Jutta Kausch ist aktiv bei der Friedenskoordination Berlin (FriKo).