6x jährlich erscheint unser Magazin "FriedensForum" und berichtet über Aktionen, Kampagnen und Themen der Friedensbewegung. Gerne schicken wir dir ein kostenfreies Probeexemplar zu. Die nächste Ausgabe erscheint Ende April mit dem hochaktuellen Thema "Entspannungspolitik".
Aktion für Asylrecht vor Bonner Amtsgericht:
3.000,- DM Geldstrafe für Pfarrer Janssen
von
Der katholische Pfarrer Hubertus Janssen aus Limburg (57) wurde am 30. Juni 1995 vom Bonner Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 3.000,- DM verurteilt. Das Gericht fand ihn für schuldig, zu den Straftaten "gemeinschädliche Sachbeschädigung" ( 304 StGB) und zum Landfriedensbruch ( 125 StGB) öffentlich aufgefordert ( 111 StGB) zu haben.
Pfarrer Janssen hatte als Mitglied des elfköpfigen Aktionskreises "Ziviler Ungehorsam für Asylrecht" eine Aktion am Menschenrechtstag, dem 10. Dezember 1994, am Abschiebegefängnis in Worms mitinitiiert. Die dortige Haftanstalt sollte symbolisch "entzäunt" werden, um auf das Unrecht der Abschiebehaft aufmerksam zu machen. Wegen eines großen Polizeiaufgebotes war es zwar zu einer Demonstration für das Asylrecht, nicht aber zu der geplanten Entzäunung gekommen. (Siehe Bericht im FriedensForum 1/95)
Janssen verdeutlichte vor Gericht seine Haltung und betonte, daß ein so außergewöhnliches staatliches Unrecht wie die Institution der Abschiebehaft auch eine außergewöhnliche Form des Protestes erfordere. Sein in asylrechtlichen Fragen sehr erfahrener Anwalt, Victor Pfaff aus Frankfurt, wies in seinen Ausführungen darauf hin, daß die Bundesregierung dabei ist, sich aus dem Kern völkerrechtlicher Vereinbarungen zum internationalen Flüchtlingsschutz zu verabschieden, indem Kettenabschiebungen bis hin zum Verfolgerstaat in Kauf genommen würden. Die von der Staatsanwaltschaft angeführten Paragraphen kämen für eine Verurteilung nicht in Frage, da gemeinschädliche Sachbeschädigung nur dann vorliege, wenn es um Gegenstände öffentlichen Nutzens gehe. Dies ist bei dem Zaun der Abschiebehaftanstalt nicht der Fall. Der Landfriedensbruchparagraph solle den öffentlichen Frieden vor gewalttätigen Mengen schützen. Daher scheide auch dieser Paragraph zur Anwendung auf die sehr sorgfältig gewaltfrei vorbereitete Aktion aus. Man stehe inzwischen im Hinblick auf das Asylrecht vor einer Situation, in der mehr als verbaler Protest nötig sei.
Richter Hertz-Eichenrode würdigte das Vorbringen von Pfarrer Janssen in keiner Weise, im Gegenteil, er fällte ein politisches Urteil und offenbarte seine eigene Gesinnung. In der Urteilsbegründung behauptete er, Pfarrer Janssen, wie andere Gleichgesinnte - Janssen hatte sich in seiner Stellungnahme vor allem auch auf die Deutsche Bischofskonferenz, eine EKD-Kommission und "pro asyl" berufen - stünden "im versponnenen Abseits". Nach wie vor kämen - so der Richter - Asylbewerber massenhaft nach Deutschland, um bessere Lebensbedingungen zu erlangen. "Unsere nationale Identität würde vernichtet, wenn wir alle hierließen." Daher müsse weiterhin abgeschoben werden. Nicht nur Minderheiten, auch eine Mehrheit müsse ein Recht auf Schutz haben. Die Zuschauer reagierten empört auf die in ihren Augen deutsch-nationalen Töne des Richters. Der Aktionskreis "Ziviler Ungehorsam für Asylrecht" wertet das Urteil und seine Begründung als skandalösen Fall politischer Justiz. Pfarrer Janssen und sein Anwalt werden gegen das Amtsgerichtsurteil Berufung einlegen.
Inzwischen stehen weitere Prozesse gegen die Initiatoren der Aktion und gegen solche UnterzeichnerInnen des Aufrufes, die schon wegen anderer Aktionen zivilen Ungehorsams strafrechtlich auffällig geworden sind, an. Ein Prozess gegen Anne Bahr findet am 15.9.95 um 9.oo Uhr im Bonner Amtsgericht statt. Nähere Informationen bei: Aktionskreis Ziviler Ungehorsam für Asylrecht, c/o Martin Singe, Lennéstr. 45, 53113 Bonn, 0228/264615 oder 0221/523056. Hier kann auch das Plädoyer angefordert werden, das Hubertus Janssen vor dem Gericht vorgetragen hat. (Bitte DM 1,- Kopier- und DM 3,- Portokosten beifügen.)