Aktion für Asylrecht vor Bonner Amtsgericht:

3.000,- DM Geldstrafe für Pfarrer Janssen

von Martin SingeElke Steven
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Der katholische Pfarrer Hubertus Janssen aus Limburg (57) wurde am 30. Juni 1995 vom Bonner Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 3.000,- DM verurteilt. Das Gericht fand ihn für schuldig, zu den Straftaten "gemeinschädliche Sachbeschädigung" ( 304 StGB) und zum Land­friedensbruch ( 125 StGB) öffentlich aufgefordert ( 111 StGB) zu ha­ben.

Pfarrer Janssen hatte als Mitglied des elfköpfigen Aktionskreises "Ziviler Un­gehorsam für Asylrecht" eine Aktion am Menschenrechtstag, dem 10. Dezember 1994, am Abschiebegefängnis in Worms mitinitiiert. Die dortige Haftanstalt sollte symbolisch "entzäunt" werden, um auf das Unrecht der Abschiebehaft aufmerksam zu machen. Wegen eines großen Polizeiaufgebotes war es zwar zu einer Demonstration für das Asyl­recht, nicht aber zu der geplanten Ent­zäunung gekommen. (Siehe Bericht im FriedensForum 1/95)

Janssen verdeutlichte vor Gericht seine Haltung und betonte, daß ein so außer­gewöhnliches staatliches Unrecht wie die Institution der Abschiebehaft auch eine außergewöhnliche Form des Pro­testes erfordere. Sein in asylrechtlichen Fragen sehr erfahrener Anwalt, Victor Pfaff aus Frankfurt, wies in seinen Aus­führungen darauf hin, daß die Bundes­regierung dabei ist, sich aus dem Kern völkerrechtlicher Vereinbarungen zum internationalen Flüchtlingsschutz zu verabschieden, indem Kettenabschie­bungen bis hin zum Verfolgerstaat in Kauf genommen würden. Die von der Staatsanwaltschaft angeführten Paragra­phen kämen für eine Verurteilung nicht in Frage, da gemeinschädliche Sachbe­schädigung nur dann vorliege, wenn es um Gegenstände öffentlichen Nutzens gehe. Dies ist bei dem Zaun der Ab­schiebehaftanstalt nicht der Fall. Der Landfriedensbruchparagraph solle den öffentlichen Frieden vor gewalttätigen Mengen schützen. Daher scheide auch dieser Paragraph zur Anwendung auf die sehr sorgfältig gewaltfrei vorbereitete Aktion aus. Man stehe inzwischen im Hinblick auf das Asylrecht vor einer Situation, in der mehr als verbaler Pro­test nötig sei.

Richter Hertz-Eichenrode würdigte das Vorbringen von Pfarrer Janssen in kei­ner Weise, im Gegenteil, er fällte ein politisches Urteil und offenbarte seine eigene Gesinnung. In der Urteilsbegrün­dung behauptete er, Pfarrer Janssen, wie andere Gleichgesinnte - Janssen hatte sich in seiner Stellungnahme vor allem auch auf die Deutsche Bischofskonfe­renz, eine EKD-Kommission und "pro asyl" berufen - stünden "im verspon­nenen Abseits". Nach wie vor kämen - so der Richter - Asylbewerber massen­haft nach Deutschland, um bessere Le­bensbedingungen zu erlangen. "Unsere nationale Identität würde vernichtet, wenn wir alle hierließen." Daher müsse weiterhin abgeschoben werden. Nicht nur Minderheiten, auch eine Mehrheit müsse ein Recht auf Schutz haben. Die Zuschauer reagierten empört auf die in ihren Augen deutsch-nationalen Töne des Richters. Der Aktionskreis "Ziviler Ungehorsam für Asylrecht" wertet das Urteil und seine Begründung als skan­dalösen Fall politischer Justiz. Pfarrer Janssen und sein Anwalt werden gegen das Amtsgerichtsurteil Berufung einle­gen.

Inzwischen stehen weitere Prozesse ge­gen die Initiatoren der Aktion und gegen solche UnterzeichnerInnen des Auf­rufes, die schon wegen anderer Aktio­nen zivilen Ungehorsams strafrechtlich auffällig geworden sind, an. Ein Prozess gegen Anne Bahr findet am 15.9.95 um 9.oo Uhr im Bonner Amtsgericht statt. Nähere Informationen bei: Aktionskreis Ziviler Ungehorsam für Asylrecht, c/o Martin Singe, Lennéstr. 45, 53113 Bonn, 0228/264615 oder 0221/523056. Hier kann auch das Plädoyer angefor­dert werden, das Hubertus Janssen vor dem Gericht vorgetragen hat. (Bitte DM 1,- Kopier- und DM 3,- Portokosten bei­fügen.)

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Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".
Elke Steven ist Soziologin und Referentin beim Komitee für Grundrechte und Demokratie in Köln.