40 Jahre AGDF

40 Jahre aktiv für den Frieden

von Jan Gildemeister
Initiativen
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Die Auseinandersetzung beim Deutschen Evangelischen Kirchentag 1967 darüber, ob Christen gleichermaßen einen „Friedensdienst mit und ohne Waffen“ leisten können, war im Dezember 1968 Anlass für den Beschluss, die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) als Zusammenschluss christlicher Friedensinitiativen zu gründen. Die Gründer wollten die Kommunikationsstrukturen der christlichen Friedensdienste neu, nachhaltig und effizient organisieren, da ihre Position in Kirche, Gesellschaft und Politik nicht genügend wahrgenommen wurde.

Im Rückblick ist verblüffend, wie viele Wurzeln und Gründungsimpulse heute noch relevant sind und wie relativ wenig sich das Friedensverständnis verändert hat, während sich die Aufgaben und Themen vor allem aufgrund gesellschaftspolitischer Entwicklungen gewandelt haben.

Wichtige Wurzeln der AGDF sind die Auseinandersetzung mit der Katastrophe des 2. Weltkrieges und deren Aufarbeitung. Aufgrund vorhandener Kontakte u.a. zum Ökumenischen Rat der Kirchen – wurden zudem wichtige Impulse aus der weltweiten Ökumene aufgenommen. „Ökumenisch inspiriertes Denken trug zu Beginn und während des kalten Krieges dazu bei, Feindschaft und Vorurteile abzubauen, Distanz gegenüber ideologischer Propaganda zu bewahren, Beiträge zur Überwindung der Kriegsfolgen in allen betroffenen Ländern zu leisten und sich um eine universale Gemeinschaft zu bemühen.“ (Manuskript 2008 von Ulrich Frey, S. 12) Die Impulse aus der weltweiten Ökumene führten auch wesentlich dazu, dass 1968 nicht nur der Ost-West-Konflikt, sondern auch die Spannung zwischen Nord und Süd im Blick war. Weitere Wurzel der AGDF sind die Traditionen der Freiwilligendienste (Aufbaulager, Versöhnungsarbeit u.a.) und die Impulse demokratischer und gewaltfreier Menschenrechtsbewegungen. Das Selbstverständnis als christlicher Verband war anfangs ausgeprägter als es heute, auch aufgrund vieler neu hinzugekommener Mitglieder. Nach einem längeren Diskussionsprozess wurde 2006 festgestellt, dass sich die unterschiedlichen Verständnisse von Frieden – biblisch und von den Menschenrechten her begründet – gegenseitig befruchten und korrigieren.

Das Friedensverständnis der AGDF ist geprägt durch den Austausch mit der Forschungsstätte der Ev. Studiengemeinschaft (FEST) in Heidelberg. Die FEST hat 1971 eine Definition beschlossen, die für die AGDF leicht modifiziert bis heute gilt: Tragende Basis ist die Überzeugung, „dass Frieden nicht mit militärischer Gewalt geschaffen werden kann, sondern aus einem Prozess erwächst, in dem Ungerechtigkeit, Gewalt, Unfreiheit, Not und Angst überwunden werden.“ (Leitbild)

Gemeinsame Grundlage ist die Handlungsorientierung der Arbeit. Der etwas sperrige Begriff „Aktionsgemeinschaft“ statt „Arbeitsgemeinschaft“ wurde gewählt, um die Verbindlichkeit des „Einsatzes für den Frieden“ zu unterstreichen und mit der AGDF ein Instrument für gemeinsames Handeln zu schaffen. Einem übernationalen weltweiten Friedensdienst sollte zum Durchbruch und zur konkreten Realisierung verholfen werden. Weniger beim Dachverband, umso deutlicher bei den Mitgliedern ist heute die Handlungsorientierung zu finden. Friedensdienst schlägt sich nieder in längerfristigen internationalen Freiwilligendiensten, Workcamps, lokaler und regionaler Friedensarbeit, Ausbildung und Projekten in Ziviler, gewaltfreier Konfliktbearbeitung. Es geht seit 1968 um den Abbau friedenshemmender und den Aufbau friedensfördernder Strukturen sowie um Friedensbildung. Dabei sind die bestehenden Friedensdienste keine „Allheilmittel, stellen jedoch einen konkreten Versuch dar, die Verantwortung für den Frieden wahrzunehmen. Aus dem Nebeneinander vieler Einzelkräfte muss ein gemeinsames Handeln werden.“ heißt es in einem Sitzungsprotokoll im Vorfeld der AGDF Gründung.

Die Arbeitsschwerpunkte der AGDF in den letzten Jahren hängen wesentlich mit den gesellschaftspolitischen Veränderungen und jeweils anstehenden Aufgaben zusammen. Dabei fällt auf, dass Friedensdienst eine „Querschnittsaufgabe“ ist und die Mitglieder der AGDF häufig ihrer Zeit voraus waren.

Die positive Wendung der Kriegsdienstverweigerung in einen internationalen Dienst für Versöhnung und Frieden war ein wichtiges Thema in den ersten Jahren (-> Anderer Dienst im Ausland). In den 70er Jahren ging es um konzeptionelle Fragen der internationalen Friedensarbeit, in den 80er Jahren verlagerte sich die Debatte auf die EU-Ebene (-> Europäischer Freiwilligendienst). Die Verbreitung der Friedensgedankens, Friedensbildung und der Dialog mit der Friedensforschung entwickelten sich ab Mitte der 70er Jahre (-> Ökumenische Friedensdekade). Die erste Großdemonstration der Friedensbewegung gegen die nukleare Aufrüstung am 10.10.1981 in Bonn hat die AGDF zusammen mit Aktion Sühnezeichen Friedensdienste organisiert, gemeinsam hat man auch im Koordinierungsausschuss der Friedensbewegung mitgearbeitet. In Folge des Protestes gegen den Irakkrieg beteiligte sich die AGDF 2002 an der Gründung der Kooperation für den Frieden. Ab Ende der 80er Jahre engagierte sich die AGDF beim Aufbau und der Entwicklung der zivilen, gewaltfreien Konfliktbearbeitung mit den Elementen Ausbildung (-> Qualifizierungsbund der AGDF) sowie Projekte im Ausland ( „Ziviler Friedensdienst“) und – neuer – auch im Inland. Ein für die AGDF als Dachverband relativ neues Arbeitsfeld ist die interkulturelle/transkulturelle und interreligiöse Friedensarbeit. Ein wichtiger Schwerpunkt ist traditionell das Friedensengagement in der evangelischen Kirche (-> Kirchentage), denen sich die AGDF „kritisch“ verbunden weiß.

Wesentliche Aufgaben der AGDF sind heute neben der Verbreitung des Friedensgedankens (s.o.) die Lobbyarbeit, die Vernetzung und Stärkung ihrer Mitglieder sowie die Beobachtung, Analyse und Kommentierung der Tendenzen auf dem Feld der Friedensarbeit und Friedenspolitik verbunden mit der Entwicklung von Konzepten und Projekten. So wird im Rahmen der Jubiläumsveranstaltungen am 27./28.09. in Berlin auch das neue Buch „Mehr Gewaltfreiheit wagen“ präsentiert werden, in dem schwerpunktmäßig für die Kirche umfassend Sachstand und Aufgaben gewaltfreier Konflikttransformation im Ausland dargestellt werden. [1]

Die AGDF hat strukturell in den letzten Jahren nicht nur aufgrund ihres Mitgliederwachstums von 7 auf heute 35 Mitglieder einige Veränderungen mitgemacht. Eine wesentliche greift nun gerade im Jubiläumsjahr: Zusammen mit der Geschäftsstelle der Ev. Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung von Kriegsdienstverweigerern wird in Bonn eine gemeinsame Arbeitsstelle geschaffen. Hintergrund ist ein von der AGDF mit initiierter Aufbau neuer Friedensstrukturen in der Ev. Kirche: Der Rat der EKD hat einen neuen Beauftragten für Friedensarbeit berufen und ab 2009 werden alle wesentlichen Akteure in einer Konferenz für Friedensarbeit zusammen arbeiten.

Die AGDF sieht sich heute vor neuen schwierigen Herausforderungen gestellt. So gilt es beispielsweise, gegenüber staatlichen Steuerungstendenzen und kirchlichen Interessen die Unabhängigkeit der Friedensdienste zu bewahren und hierfür auch deren inhaltliches Profil weiter zu schärfen.

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Jan Gildemeister ist Geschäftsführer der AGDF.