Aachener Friedenspreis 2001

Initiativen
Initiativen

Der Aachener Friedenspreis 2001 wurde an die Menschenrechtsorganisation PRO ASYL, deren Geschäftsführer, Heiko Kauffmann, und den japanischen Friedensaktivisten, Kazuo Soda, verliehen.

Das "FriedensForum" dokumentiert die Preisbegründungen in Auszügen.

Alljährlich fliehen mehr als 22.000.000 Menschen. Sie sind auf der Flucht vor Bürgerkriegen in ihrer Heimat, vor zwischenstaatlicher Gewalt, ethnischer Verfolgung, Folter und Tod. 1.200.000 Menschen stellen irgendwo auf der Welt einen Asylantrag. In der Bundesrepublik Deutschland waren es im vergangenen Jahr gerade einmal 78.760 Menschen. Das sind 6,6% aller Asylsuchenden! Bezogen auf die deutsche Bevölkerung von 80.000.000 waren es lediglich 0,098%.

Das westliche Europa ist inzwischen zur Wagenburg ausgebaut. Weit außerhalb ihrer Grenzen werden Flüchtlinge und Asylsuchende mit fast allen Mitteln abgefangen und durch diese Drittstaaten wieder in ihre Heimatländer abgeschoben. Dabei wird auch der Tod von Menschen in Kauf genommen.

In der Bundesrepublik selbst wurde das Grundrecht auf Asyl durch die Änderung des Artikel 16 GG 1993 drastisch eingeschränkt. Abschiebehaft wurde selbst gegen Kleinkinder verhängt, Flüchtlinge töten sich aus Angst vor der Abschiebung in der Gefängniszelle. Flughafenregelung, Abschiebehaft, Residenzpflicht (d. b. bei Strafe den Wohnort nicht verlassen zu dürfen!) und Asylbewerberleistungsgesetz sind Stichworte einer gnadenlosen Asylpraxis geworden. Die neuerliche öffentliche Diskussion der PolitikerInnen in unserem Land um die Quotierung von Zuwanderung und die Forderung nach einer weiteren Restriktion des Asylrechts ist vor diesem Hintergrund beschämend und heuchlerisch. Sie ist aber auch gleichzeitig wesentliche Ursache des wachsenden Rechtsradikalismus und der Fremdenfeindlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland.

Unsere Gesellschaft benötigt daher notwendiger denn je Organisationen wie PRO ASYL. Diese ist nicht nur der Spiegel, in dem wir das Menschen verachtende und gnadenlose Verhalten staatlicher Institutionen gegenüber flüchtenden, notleidenden und hilfesuchenden Menschen reflektieren können, sie belässt es nicht nur dabei, mahnend ihre Stimme zu erheben, sondern sie versucht auch mit ihrer täglichen Arbeit den geschilderten Tendenzen mit konkreter Hilfe entgegenzuwirken. Unermüdlich tritt sie für den Schutz der Flüchtlinge und Asylsuchenden ein.
 

Seit der Gründung veranstaltet PRO ASYL in der Woche der ausländischen Mitbürger einen Flüchtlingstag. Dafür werden Materialien erstellt, die jedes Jahr mit den Plakaten und Heften für die Interkulturelle Woche an Kirchengemeinden, Wohlfahrtsorganisationen, Gewerkschaften, Kommunen und Bürgerinitiativen verschickt werden. Hunderte Veranstaltungen finden inzwischen jährlich zum Flüchtlingstag statt.

Ein weiterer Schwerpunkt wurde die Erarbeitung von Stellungnahmen zu Asylfragen. Das Konzept ist, die Stellungnahmen über die großen Verbände zu verbreiten. Sie wurden und werden teilweise gemeinsam mit dem DGB, Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbänden oder kirchlichen Stellen herausgebracht. Die Herausgabe von Schriftenmaterial wird begleitet durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit. Schließlich wurde der Aufbau von regionalen und kommunalen Flüchtlingsräten gefördert, seit 1990 auch in den neuen Bundesländern. Heute gibt es in allen Bundesländern Flüchtlingsräte bzw. Initiativen, die bei PRO ASYL mitarbeiten und konzeptionell wie finanziell unterstützt werden.

Heiko Kauffmann, in Berchtesgaden geboren, studierte in Marburg Sozialwissenschaften, Psychologie und Pädagogik und schloss sein Studium mit einer Arbeit über Gewalt und Überwindung von Gewalt als Diplom-Pädagoge ab. Bereits während seiner Studentenzeit engagierte er sich auf dem Gebiet der Flüchtlingsarbeit.

Heiko Kauffmann war maßgeblich an der Gründung von PRO ASYL beteiligt. Er nahm auch die Aufgabe des ständigen Mitglieds im Sprecherrat von PRO ASYL für terres des hommes wahr. Als eines seiner wichtigsten Ziele, verfolgt Heiko Kauffmann die Vernetzung von möglichst vielen Organisationen und Initiativen, um eigenständige unabhängige Arbeit für Frieden, Flüchtlinge und Asylsuchende zu verstärken und eine unabhängige Kraft in unserer Gesellschaft aufzubauen.

Heiko Kauffmann und PRO ASYL gehören zu den unbeirrbaren Mahnern, zu jenen, die neue und stabile europäische Schutzstandards für Asylsuchende fordern. Dieses Engagement wollen wir mit der Verleihung des Aachener Friedenspreises besonders hervorheben, stärken und unterstützen. Nur durch eine breite öffentliche Debatte für Menschen in Not können wir ein Menschen würdiges Asylrecht zurückgewinnen.

Eine lebende Mahnung - Kazuo Soda

Er zählt zu den 460.000 Menschen, die noch heute an den Folgen der Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki leiden.

Geboren wird Kazuo Soda am 24. November 1930 in Nagasaki. 10-jährig zieht man ihn, im dritten Schuljahr an einer staatlichen Mittelschule, zum Arbeitsdienst in einen Rüstungsbetrieb ein. Er erlebt den atomaren Angriff auf seine Heimatstadt am 9. August 1945 im elterlichen Haus, 2,5 km vom Explosionszentrum der Bombe entfernt. Im Dezember 1945 stirbt der ältere Bruder an den Folgen, die Eltern fünf Jahre später. Er wird Lehrer in einer öffentlichen Oberschule, seine Lehrtätigkeit, die er 38 Jahre ausübte, wird begleitet von dem unermüdlichen Wirken wider das Vergessen.

Kazuo Soda ist ein Einzelkämpfer für die Ächtung von Atomwaffen, er ist aber auch ein Vertreter der HIBAKUSHA-Bewegung kraft seines persönlichen Engagements. Diese Bewegung ist ein Zusammenschluss der überlebenden Strahlenopfer. Eine Bewegung der Ausgegrenzten und Geächteten. Die HIBAKUSHA haben nicht nur unmittelbar die Schrecken des atomaren Infernos erlebt und erlitten, sondern auch die nachfolgende Ausgrenzung aus dem gesellschaftlichen Leben. Gerade aus ihren psychischen und physischen Verletzungen haben einzelne Überlebende wie Kazuo die Kraft für ihr Friedensengagement bezogen. Sie ließen sich durch die Gleichgültigkeit und Ignoranz ihrer sozialen Umwelt nicht beirren. Für ihre Friedensarbeit erfahren die HIBAKUSHA keinerlei Unterstützung von staatlicher Seite, ihre Friedens-Pilgerreisen finanzieren sie aus eigenen Mitteln.

Kazuo und seine Mitstreiter haben nie einseitig die USA für den atomaren Massenmord von Hiroshima und Nagasaki alleine verantwortlich gemacht, sondern auch den japanischen Imperialismus an den Pranger gestellt. Auch wird immer wieder eindringlich geschildert, was der koreanischen Bevölkerung von japanischer Seite angetan wurde. Zu den Atombombenopfern zählen auch zahlreiche koreanische Zwangsarbeiter.

Kazuo Soda ist aktives Mitglied der weltweiten Friedensbewegung geworden.

Sein Wissen, seine Gefühle und seine Erfahrungen haben ihn vor zehn Jahren dazu bewogen, den Dienst als Lehrer zu quittieren, um auch über Japans Grenzen hinaus die Menschen auf die tödliche Gefahr von Nuklearmaterialien, insbesondere von Atomwaffen aufmerksam zu machen und durch seine Friedensreisen dem Vergessen und der Verdrängung entgegen zu wirken.

Ein zentrales Anliegen des Zeitzeugen Kazuo ist es, möglichst viele Menschen dazu zu bewegen, den Appell von Hiroshima und Nagasaki für die Ächtung und Abschaffung aller Atomwaffen zu unterzeichnen.

Er sucht bei seinen Reisen durch viele Länder weltweit den Kontakt zu den Menschen, insbesondere zu den Jugendlichen, deren Wahrnehmung für die Gefahr er schärfen will. Er besucht Schulen, Universitäten und Friedensgruppen und spricht auch über seinen persönlichen Leidensweg. Inzwischen wurden nur aus der Stadt Köln über 200.000 Unterschriften nach Japan gesandt. Diese Unterschriften werden weiter geleitet an die Präsidenten der Länder, die immer noch, schon wieder oder gerade erst die Menschen mit Atomversuchen in Angst und Schrecken versetzen.

Ausgabe

Rubrik

Initiativen