Alternativen sind möglich!

Afghanistan: "Wann wird man je verstehen?"

von Andreas Buro
Im Blickpunkt
Im Blickpunkt
( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Im Herbst soll der Bundestag die Mandate für die Tornados in Afghanistan, für die Internationale Schutztruppe Afghanistan (ISAF) und für die Kommando Spezialkräfte (KSK) im Rahmen der `Operation Enduring Freedom` (OEF) verlängern. Der Verteidigungsminister möchte die Zahl der entsendeten Soldaten gar noch erhöhen. Dies, obwohl sich die Situation in Afghanistan seit Beginn des Militäreinsatzes trotz der großen Zahl an Interventionssoldaten immer weiter verschlechtert hat. Die massive militärische Bekämpfung der Taliban hat deren zunehmende Umstellung auf Guerilla-Taktik mit Selbstmordattentaten bewirkt - eine "Irakisierung" des Krieges.

Das angestrebte fremde westliche Demokratiemodell erweist sich für die Masse der Menschen in Afghanistan angesichts der weitgehend korrupten realen Verhältnisse als wenig überzeugend. War Lords, Kriegsverbrecher und Drogenbarone sitzen mit im Parlament und in der Regierung. Die ausbleibende Verbesserung der Lebenssituation der Masse der Bevölkerung und die Missachtung der religiös bestimmten Kultur durch die westlichen Soldaten, sowie die vielen toten Zivilisten durch die Angriffe der OEF treibt den Taliban immer neue potentielle Märtyrer zu. Das erforderliche Geld beziehen sie aus dem rasant wachsenden Mohnanbau, der sich 2005/6 um 60% erweiterte.

Das Licht am Ende des Tunnels wird immer kleiner
Eine bislang wenig beachtete Entwicklung hat der Kampf um die `Rote Moschee` in Islamabad/Pakistan in neuem Licht erscheinen lassen. Dort zeichnet sich eine "Revolution von unten" durch Islamisten ab. "Doch ihre sozialen Ursachen, Armut, Perspektivlosigkeit und fehlende Bildung wurden nie bekämpft." (FR 11.7.07). Statt dessen verfügt Pakistan über Atomwaffen. Die Destabilisierung Pakistans hat selbstverständlich große Auswirkungen auf die Kämpfe in Afghanistan, ist es doch mit seinem hohem Anteil paschtunischer Bevölkerung im Grenzland wichtiges Rückzugs- und Rekrutierungsgebiet der Taliban. Das Licht am Ende des Tunnels wird immer kleiner und droht zu verschwinden. Nun soll der Bundestag diese fatale Situation weiter fortschreiben. Also immer vorwärts in den Morast des Krieges und das noch unter den scheinheiligen Vorzeichen von Frieden, Demokratie und Freiheit! Hat man noch immer nichts aus Vietnam und Irak gelernt!?

Notwendig im wahrsten Sinne des Wortes ist eine friedenspolitische Wende
Selbst Bush sieht allmählich ein, dass seine Truppenverstärkung im Irak ein Schlag ins Wasser war. Mehr Militär für Afghanistan nutzt ebenso wenig. Übrigens sitzen etwa 80% der ISAF-Soldaten in ihren Wagenburgen und beschäftigen sich mit ihrer eigenen Sicherheit. Nur etwa 10% wagen sich auf Patrouille. Seit 2002 wurden für militärische Zwecke insgesamt etwa 85 Mrd. US-$, für Entwicklung aber nur 7,5 Mrd. US-$ aufgewendet, von denen der größte Teil nicht bei der Masse der Bevölkerung angekommen ist. Doch erst wenn die Bevölkerung eine Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse erkennen kann, wird sie sich auch für Frieden engagieren, weil sie dann etwas zu verteidigen hat.

Gefragt ist also eine Deeskalation verbunden mit einer wirklich wirksamen Aufbauhilfe für die Menschen in Afghanistan. Deutschland könnte hier eine Vorreiterrolle spielen und den Weg zu einer Exit-Strategie eröffnen.

Man stelle sich vor:
Deutschland verlängert nicht die Mandate für ISAF, OEF und die Tornados und gibt damit ein deutliches Signal der Neuorientierung. Dabei nennt Berlin ein definitives Datum, bis zu dem die deutschen Truppen abgezogen sein werden. Gleichzeitig gibt Berlin bekannt, es würde seine finanziellen Zuwendungen um den Betrag aufstocken, der durch den Abzug der Truppen frei würde. Diese Mittel stünden für Entwicklungsprojekte in Afghanistan zur Verfügung, die von Orten und Regionen gemeinschaftlich für wünschenswert und unterstützungswürdig gehalten würden. Dabei ginge es auch um die örtliche und/oder regionale Zustimmung derjenigen Kräfte, die den Taliban nahe stehen. Auf diese Weise könnten Dialog und Zusammenarbeit der verschiedenen Kräfte vor Ort sowie Vertrauen untereinander gefördert werden. Außerdem könnte so vielfältigen Interessen entsprochen und die Sicherheit der Durchführung verbessert werden. Die Bundesregierung fördert die Ausbildung von Personal und Organisationen für dieses zivile und friedenfördernde Projekt. Sie wirbt gleichzeitig bei anderen Staaten, insbesondere der EU, sich diesem Projekt anzuschließen und appelliert an die noch weiter Kriegführenden, solche gemeinsam beschlossenen Projekte nicht in die Kriegführung einzubeziehen.

Bauernopfer?
Ein allmählicher Ausstieg aus dem Krieg würde so möglich. Zwar würde es mit den USA nicht leicht werden, vielleicht wären aber die US-Demokraten ganz froh über eine solche neue Perspektive.

Die Großkoalitionäre in Berlin jedoch schlagen weiter die Kriegstrommeln. Allenfalls will man ein Angebot an die Dissidenten im eigenen Lager und in den Oppositionsparteien machen. Man könne eventuell das Mandat für die 100 KSK-Soldaten streichen. Ein Bauernopfer? Ist doch diese Truppe anscheinend seit zwei Jahren nicht mehr im Einsatz und befindet sich vermutlich gar nicht mehr in Afghanistan. Soll so auch die Öffentlichkeit getäuscht und beruhigt werden?

Ausgabe

Rubrik

Im Blickpunkt

Themen