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Büchel 30.9.01
Aktionstag für eine atomwaffen freie Welt
vonÜber 120 Menschen beteiligten sich am 30.09.2001 vor dem Fliegerhorst des 33. Jagdbombergeschwaders der Bundeswehr bei Büchel/Eifel an einem internationaler Aktionstag unter dem Motto: "Atomwaffen abschaffen - bei uns anfangen".
Auf einem Friedenscamp in Cochem der Gewaltfreien Aktion Atomwaffen abschaffen (GAAA) entstand bereits im Sommer 2000 die Idee dafür - mit dem Schwerpunkt einer zivilen Inspektion des Atomwaffenlagers Büchel auf Grundlage der Völkerrechtswidrigkeit von Atomwaffen.
Auf dem Gelände des Fliegerhorstes sind 10 Atombomben des Typs B61 gelagert. Die Bundeswehr übt den Einsatz dieser Bomben mit den bereitstehenden Tornadoflugzeugen. So besteht dort jederzeit die Bereitschaft, diese Atombomben mit einer Sprengkraft von 150 Hiroshimabomben einzusetzen.
Hans Lammerant aus Belgien hatte auf dem Camp von seinen Erfahrungen berichtet, wie in Belgien über mehrere Jahre hinweg das Atomwaffenlager Kleine Brogel mit zivilen Inspektionen und weiteren Aktionen zivilen Ungehorsams bedacht wurde. Dort haben bis heute über Tausend Aktivisten das Militärgelände betreten, darunter etliche ParlamentarierInnen, und damit öffentliche Diskussionen über Atomwaffen ausgelöst. Zuletzt hatten um den 1. Oktober herum zeitgleich in mehreren Ländern gewaltfreie direkte Aktionen an Militärbasen stattgefunden, darunter in Belgien, Holland, Großbritannien und USA.
Angespornt davon begann die GAAA im Herbst 2000, international für den Aktionstag in Büchel zu werben.
Mehrere Zehntausend Aufrufe und über 1000 Plakate wurden verbreitet, womit viele Organisationen und Einzelpersonen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen (Frieden, Umwelt, Kirchen, Gewerkschaften, Unis, ParlamentarierInnen) weltweit mit der Botschaft erreicht wurden, dass die völkerrechtswidrigen Atomwaffen in Deutschland abzurüsten sind, die Beteiligung Deutschlands daran (nukleare Teilhabe) aufzugeben ist und Aktivisten dies mit gewaltfreien direkten Aktionen untermauern werden.
Schließlich unterstützten 70 Organisationen und Einzelpersonen weltweit den Aufruf zur zivilen Inspektion des Atomwaffenlagers, darunter auch drei Abgeordnete aus dem Bundestag.
Nach den schrecklichen Terroranschlägen vom 11.9. war zunächst nicht sicher, ob wir das Camp und die Inspektion durchführen sollten. Die öffentliche Sensibilität und die veränderte Sicherheitslage sprachen zunächst dagegen. Doch nach wenigen Tagen war klar: Gerade an einem so symbolträchtigen Ort wie Büchel - US-Atomwaffen und Deutschlands Beteiligung daran mit Bundeswehrsoldaten und Tornados - müssen wir deutlich machen, wie wichtig es ist, die atomare Abrüstung voranzubringen und vor einer Spirale der Gewalt zu warnen, an deren Ende der Einsatz von Atomwaffen nicht auszuschließen ist.
Hausdurchsuchung
Noch bevor das Camp beginnen konnte, wurde jedoch das GAAA-Büro mit der Begründung durchsucht, der Geschäftsführer Roland Blach habe sich der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten (Zivile Inspektion) schuldig gemacht. Dabei wurde u.a. der PC beschlagnahmt, der mittlerweile als Tatmittel eingestuft und sichergestellt wurde. Dadurch wurden einige Medien hellhörig, die vorher nicht über die Aktionen berichtet hätten, u.a. die Stuttgarter Zeitung und die Frankfurter Rundschau.
Camp und Kundgebung
Wie bereits drei mal zuvor, sollte auch diesmal eine zivile Inspektion den Höhepunkt des dreitägigen Camps in Cochem/Mosel mit über 70 Beteiligten aus den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Deutschland darstellen. Die Bitte um offiziellen Einlass zur Inspektion, war in den Wochen zuvor schriftlich sowohl Verteidigungsminister Scharping als auch dem Commodore des Fliegerhorstes Büchel mitgeteilt worden. Eine Antwort erhielt die GAAA bis heute nicht.
Eine bunte Mischung von AktivistInnen der Friedens- und Anti-Atombewegung bereiteten sich mit einem gewaltfreien Training am Samstag vor, darunter auch 20 Personen, die mit einem Bus über Oldenburg/Bremen/Dortmund und Köln nach Cochem kamen.
Die veränderte Sicherheitslage zeigte sich am Sonntag bereits auf dem Weg vom Camp in Cochem zum Fliegerhorst bei Büchel. Alle Fahrzeuge (auch ein Reisebus) wurden bei einer Polizeisperre herausgewunken und sämtlicher Inhalt der Fahrzeuge durchsucht. Dabei wurde ein Bolzenschneider beschlagnahmt, sowie die Personalien der Insassen aller Fahrzeuge aufgenommen.
Bei Sonnenschein und milden Temperaturen versammelten sich dann 120 Menschen vor dem hermetisch abgeriegelten Haupttor des Fliegerhorstes zwischen Stacheldrahtrollen, um einem interessanten und unterhaltsamen Programm zu folgen. Viele Personen waren leider kurzfristig durch Anti-Kriegs-Aktionen vor Ort verhindert. Lothar Liebsch (Darmstädter Signal) und Roland Blach (GAAA) wiesen auf die Gefahren der derzeitigen Gewaltspirale durch die Terroranschläge in den USA und deren angekündigten Vergeltungsschläge hin. Felicity Arbuthnot (Journalistin aus GB) erzählte von ihren zahlreichen Besuchen im Irak und den dortigen Auswirkungen der andauernden Bombardements seitens der britischen und US-amerikanischen Luftwaffe. Sie machte deutlich, dass nicht erst ein Einsatz von Atombomben den Atomkrieg beginnen lassen würde, sondern dass die atomare Kriegsführung längst begonnen hat. So beschrieb sie eindrucksvoll das leidvolle Sterben an Krebs im Irak, aufgrund der chemotoxischen und zugleich radioaktiven Geschosse mit abgereichertem Uran (D.U.). "D.U. hat eine Halbwertszeit von 3,5 Milliarden Jahren. Es wird uns immer noch vergiften, wenn die Sonne längst erloschen ist". Sie berichtete auch von den katastrophalen Folgen durch das Wirtschaftsembargo, wonach u.a. 6000 Kinder monatlich sterben. "Im sogenannten Namen der Völkergemeinschaft der Vereinten Nationen".
Schließlich verlas Felix Oekentorp (DFG-VK NRW) eine Rede von Regina Hagen (Darmstädter Friedensforum) welche das Raketenabwehrsystem NMD zum Thema machte.
Ein Kulturprogramm ergänzte die Reden: Jim Page aus den USA sang Politfolk-Songs, Hansjörg Ostermayer erzählte mimikreich orientalische Märchen und Fabeln, und die Kölner Sängerin "Blueflower" sang, sich selbst auf der Gitarre begleitend, nachdenkliche Friedenslieder.
"Rampenplan", die mobile Kochgruppe aus den Niederlanden, hatte für alle in der Zwischenzeit eine warme Mahlzeit zubereitet, während sich einige der Bezugsgruppen auf die zivile Inspektion vorbereiteten.
Versuche einer Inspektion
Einige Bezugsgruppen trotzten der Polizeipräsenz und den Sicherungsmaßnahmen des gesamten Geländes, auf dem laut Polizeiangaben wegen der "weltpolitischen Großwetterlage" die zweithöchste Sicherheitsstufe herrschte, und versuchten eine Inspektion des Militärgeländes zu unternehmen.
Eine erste Gruppe kam bis zum Zaun, einige TeilnehmerInnen hielten sich daran fest, während das begleitende Fernsehteam des SWR filmte. Nach Aufforderung der Polizei wurde der Zaun bald wieder losgelassen. Es folgte die Aufnahme der Personalien und ein Platzverweis.
Gegen eine zweite Gruppe von 35 Personen, die zu einem Inspektionsspaziergang aufgebrochen waren, ging die Polizei härter vor. So wurde ein Demonstrant, der sich am Zaun festhielt, von einem Hund gebissen. Es kam zu einigen Rangeleien, in dessen Folge Aktivisten recht unsanft behandelt wurden. Eine Inspektion gelang nicht mehr. Gleichwohl brachten die SpaziergängerInnen immer wieder zum Ausdruck, dass es ihr gutes Recht sei, hier am Zaun entlang zu gehen, und es ihre Pflicht sei, auf den hier verübten Verstoß gegen geltendes Völkerrecht hinzuweisen und die Gefahr nicht von ihnen, sondern von der anderen Seite des Zaunes, den 10 einsatzbereiten Atombomben ausginge.
Der Widerstand geht weiter
Der Protest gegen "das Unzivilisierteste", was die Menschheit je hervorgebracht hat, wird und muss weiter gehen. So wurden bereits direkte Aktionen für das nächste Jahr verabredet, sowie die Idee geäußert, auch Sonntagsspaziergänge in Büchel durchzuführen.