Zum Leben von Andreas Buro

Andreas Buros Lebenserinnerungen

von Renate Wanie

Zwischen Holzforschung und Satyagraha-Normen, als Flakhelfer im Krieg, Familienrat  und Defensiv-Konzepten in Moskau, Artikeln und Vorträgen zum Afghanistankonflikt – in diesem Spannungsfeld zwischen dem persönlichen und politischen Leben hat Andreas Buro seine Lebenserinnerungen verfasst. Der streitbare Pazifist erzählt, wie er zu seiner Lebensaufgabe fand, Frieden zu fördern und Krieg zu überwinden. Geprägt von einer bürgerlich-idealistischen Familie und auf bestimmte Werte verpflichtet, schildert er seine zwei Welten in den ersten Jahren seines bewussten Lebens (in den 50er und 60er Jahren): die eines Protestes und eine der ‚Wohlanständigkeit’. Doch dann habe er begriffen, „wie viel einfacher es ist, deutlich, aber nicht draufgängerisch, den eigenen Standpunkt erkennen zu lassen.“ So, wie wir Andreas Buro in der Friedensbewegung auch heute noch erleben – zuhörend, mit menschlicher Wärme und eindeutiger politischer Positionierung, scharfsichtig analysierend.

Aus seinen Erfahrungen als Flakhelfer am Ende des Zweiten Weltkrieges zieht er die Konsequenzen und engagiert sich Anfang der 1960er Jahre an zentraler Stelle in der Ostermarschbewegung für Demokratie und Abrüstung. Seitdem ist er maßgeblich an fast allen großen Aktionen der nationalen und internationalen Friedensbewegung beteiligt: an der Organisierung des San Francisco – Moskau - Marsches (1961), der  Mitbegründung der World Peace Brigades und der Helsinki Citizens’ Assembly (HCA) in Prag bis zur Gründung des Dialog-Kreise für türkisch-kurdische Verständigung. Sein menschenrechtlicher und friedenspolitischer Einsatz brachte ihn an viele Orte der Welt. 

Und typisch Andreas Buro: Um die Menschen zu erreichen, für die der Vietnamkrieg weit weg schien, sprach er sie auf Flugblättern mit der ungewöhnlichen Frage an: „Was kümmert Meier der Mekong?“ Der Vietnamkrieg hat ihn viele Jahre seines „Lebens mit Zorn, Verzweiflung und Empörung erfüllt.“ Beeindruckt haben ihn hingegen die „einfachen Formen der Gandhi-Normen“, bei denen es im Kern um die eigene Haltung dem anderen gegenüber geht. Buro wusste sie erfolgreich in seinem Alltag umzusetzen und sie prägten sein öffentliches Handeln.

Andreas Buro erinnert auch an das „vielleicht größte Vorhaben“ der deutschen Sektion der Helsinki Citizens’ Assembly (HCA), an die Konferenz in Frankfurt/Oder (1995), um über den europaweiten Aufbau Ziviler Friedensdienste zu beraten. Dies vergegenwärtigt mir mein Mitwirken im deutschen HCA-Vorstand über mehrere politisch spannende Jahre. Doch Buro startete nicht nur friedenspolitische Initiativen. Auf dem Hintergrund der damals „unfassbar vielen politisch-ideologischen Einstellungen“ gründete er 1969 gemeinsam mit Klaus und Hanne Vack und anderen die Zeitung  „Links – sozialistische Zeitung“ und das „Sozialistische Büro“ (SB) – „illusionslos, undogmatrisch, verständlich für jeden, der linke Politik machen will.“ Buros „politische und organisatorische Basis wurde allerdings das Komitee für Grundrechte und Demokratie“ (1980) zur Durchsetzung von Menschenrechten auf der Grundlage von Gewaltfreiheit und pazifistischen Zielsetzungen. Als Mitbegründer ist er noch heute ihr friedenspolitischer Sprecher.

Sein zweites berufliches Leben konzentrierte der ehemalige Waldarbeiter und Doktor der Forstwirtschaft auf die Universität Frankfurt/M, wo er als Professor der Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt auf Internationale Beziehungen, europäischer Integration und soziale Bewegungen wirkte. Bis heute sind die sozialen Bewegungen sein politisches Tätigkeitsfeld, der „Motor gesellschaftlicher Veränderungen“. Vor Gericht in Mutlangen 1986 spricht er von den politischen Innovationen, die nur „auf der Grundlage gesellschaftlicher Lernprozesse“ von den sozialen Bewegungen entwickelt werden können.  

Der Mentor der Friedenbewegung hat sich stets gegen die „Vorstellungen vom „guten Militär“ gewandt. Dabei war es ihm wichtig, auch Alternativen zum militärischen Konfliktaustrag aufzuzeigen. Sein Anliegen war und ist es noch immer, „zivile Konfliktbearbeitung zu entfalten und das Militär überflüssig zu machen.“ Dabei bemühte er sich „nicht um theoretische Entwürfe, sondern redete und schrieb zu friedenspolitischen Ereignissen und Aufgaben.“ Mit seinen Vorschlägen für ganz konkrete Konflikte wie in Afghanistan oder um den Iran erreichte er als Autor der des Monitoring-Projektes der Kooperation für den Frieden eine „höchst erfreuliche Ausweitung.“ 2008 erhielt er den Aachener Friedenspreis.

Die Absicht des streitbaren Friedensaktivisten Andreas Buro war es, Persönliches und Politisches in seinen Erinnerungen zu verbinden. Das ist Andreas Buro in beeindruckender und spannender Weise gelungen. Mit großer Offenheit schildert der Autor von seinen Lieben, von den tragischen Erfahrungen seines persönlichen Lebens wie auch vom Älterwerden. Seine humorvolle Art geht dabei nicht verloren.

Ein sehr persönliches Buch und gleichzeitig eine politische Autobiografie über fünfzig Jahre friedens- und menschenrechtsbewegtes engagiertes Leben. Für Menschen aus Friedensbewegung und auch Friedensforschung eine unbedingte Lese-Empfehlung. Möglicherweise werden politische WeggefährtInnen von Andreas Buro ihren Namen bei der Lektüre entdecken und sich darüber freuen, ein solch reiches Leben streckenweise begleitet zu haben.

 

Andreas Buro (2012); Gewaltlos gegen Krieg. Lebenserinnerungen eines streitbaren Pazifisten, Brandes & Apsel, Frankfurt/M 2001, 328 S., € 24.90 

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