Antikriegstag - Nachlese

von Mani Stenner
Krisen und Kriege
Krisen und Kriege

Bei hunderten lokalen Veranstaltungen zum 1. September haben Friedensgruppen und Gewerkschaften der Opfer des 2. Weltkriegs gedacht, der NATO-Propaganda vom erfolgreichen humanitären Kosovo-Krieg widersprochen und Zivile Konfliktbearbeitung statt EU-Militarisierung und NATO-Interventionismus gefordert.

Seit dem Regierungsantritt von Rot-Grün im Bund gibt es in Fragen von Krieg und Frieden fast nur noch eine außerparlamentarische Opposition - als gesellschaftliche Minderheit, die gerade noch dafür sorgen kann, dass die Gegenposition überhaupt noch vorkommt. Innerhalb des DGB gibt es Streit um die Bewertungen des Krieges ums Kosovo. Die Antikriegstags-Erklärung des DGB-Bundesvorstandes zeigte großes Verständnis für den NATO-Krieg. Formulierungen wie "Die NATO griff ein, weil die Völkervertreibung und der Massenmord durch Verhandlungen nicht gestoppt werden konnten" unterschätzten die Möglichkeiten der vom DGB selbst geforderten zivilen und politischen Mittel und sind eine grobe Fehleinschätzung der realiter nicht humanitären sondern machtpolitischen Motive der führenden NATO-Regierungen. Regionale Gliederungen des DGB wie viele Einzelgewerkschaften teilen dagegen die Kritik und den Protest der Friedensgruppen. Ein Gewerkschaftskongress "Nach dem ersten europäischen NATO-Krieg" am 4. September 99 in Frankfurt diskutierte diese Streitfragen. Der Arbeitsausschuss der "Gewerkschaftslinken" erinnert: "Der Krieg auf dem Balkan hat vielmehr

- kein humanitäres Problem gelöst sondern neue
  geschaffen und konfliktträchtige nationalistische
  Haltungen verstärkt,

- die Lebensgrundlagen von Serben und Kosovaren
  zerstört und die Ökonomie der gesamten Region
  schwer beschädigt,

- die Umwelt durch neue Waffen und Angriffe auf
  wirtschaftliche Ziele vergiftet und

- mit dem schwerwiegenden Verstoß gegen das
  internationale Recht die Grundlage dafür
  geschaffen, das Völkerrecht künftig nach
  Interessenlage der Herrschenden und Mächtigen
  außer Kraft zu setzen."
 

Stadt Bonn will verfolgte Deserteure aufnehmen

Mit einer Beschlussempfehlung des Ausschusses für BürgerInnenbeteiligung am 1.9. und einem einstimmigen (!) Ratsbeschluss am 2.9. hat die Stadt Bonn pünktlich zum Antikriegstag einen beachtlichen Akzent gesetzt: "(dass) Deserteuren aus Kriegsgebieten und ausländischen Kriegsdienstverweigerern in bestimmten Einzelfällen eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt wird". Im Vergleich zu den Beschlüssen der Stadtparlamente von Münster und Osnabrück ist das Votum des Bonner Stadtrates recht ausführlich und enthält eine diffenrenzierte Erläuterung des auch für die Argumentation der Pax Christi Gruppe entscheidenden 30,1 des Ausländergesetzes: Die Bundesstadt Bonn erteilt eine Aufenthaltbefugnis und trägt die anfallenden Aufenthaltskosten, wenn eine bundesdeutsche Auslandsvertretung ein Einreisevisum ausstellt. Dies ist ihr z.B. aus dringenden humanitären Gründen rechtlich möglich. Über das Auswärtige Amt lässt die Stadt Bonn die deutschen Auslandsvertretungen von diesem Beschluss in Kenntnis setzen. "Das Ratsvotum" - so Pax Christi - "bedeutet eine breite politische Ermutigung für aktives und konkretes friedenspolitisches Handeln auch und vor allem auf kommunaler Ebene. Er ist ein deutliches Zeichen der Solidarität und der Bereitschaft zu praktischer Hilfe für Menschen, die ihren Kriegsdienst verweigern und militärische Befehle missachten". Zur praktischen Umsetzung des Beschlusses plant Pax Christi jetzt weitere Initiativen und möchte "dazu ermutigen, unserem Beispiel zu folgen, in möglichst vielen Städten und Gemeinden entsprechende Deserteurs-Kampagnen zu starten und das Ziel hartnäckig zu verfolgen, ausländische Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aktiv zu unterstützen".

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