Asylrecht ist Menschenrecht

von Brigitte Fischer

Das Recht auf Asyl ist ein Grundrecht unserer Verfassung: Art. 16,11 S.2 GG "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht." Nach den Erfahrungen der NS-Zeit sahen die Väter des Grundgesetzes keine Einschränkungen vor.

Vor allem ab 1978 traten weitreichende Änderungen in Kraft, die es Flüchtlingen erschwerten, in der BRD Asyl zu finden. Politiker unterschiedlicher Parteizugehörigkeit forderten immer wieder die Änderung des Art. 16 GG. Sie trugen durch Äußerungen wie "Ausländerflut", "Das Boot ist voll", "Mißbrauch des Asylrechts durch Schein- und Wirtschaftsasylanten" zum gereizten Klima und der feindseligen Haltung gegenüber Ausländern in unserem Lande erheblich bei.

Diese Abwehr- und Abschreckungshaltung hat in jüngster Zeit massive Einschränkungen des Grundrechts auf Asyl mit sich gebracht, die es Flüchtlingen fast unmöglich macht, es überhaupt in Anspruch nehmen zu können.

  1. Visum- bzw. Transvisum-Zwang für die Hauptherkunftsländer von Flüchtlingen: Äthiopien, Afghanistan, Bangladesch, Ghana, Iran, Libanon, Pakistan, Sri Lanka, Syrien. Das Visum kann nur bei einer deutschen Auslandsvertretung beantragt werden - seit 1986 sind jedoch diese durch das Auswärtige Amt angewiesen, keine Visa zu erteilen, wenn Anhaltspunkte für eine Asylantragstellung bestehen. Außerdem bringt der Gang zu einer deutschen Auslandsvertretung eine zusätzliche Gefährdung der Flüchtlinge mit sich.
  2. Viele Flüchtlinge müssen sich, um auf sicheren Boden zu gelangen, in einem sog. Drittland aufhalten (wie z.B. Afghanen in Indien oder Pakistan). Aus nur wenigen Tagen Aufenthalt dort resultiert seit dem Inkrafttreten des Asylverfahrensgesetzes vom 15.01.1987, daß der Flüchtling sicher vor Verfolgung war - das heißt reduziert auf Schutz vor Abschiebung und Auslieferung; unbeachtet bleiben gesichertes Aufenthaltsrecht und Garantie einer menschenwürdigen Existenz. Ergebnis: Sein Asylbegehren in der BRD wird als offensichtlich unbegründet abgelehnt.
  3. Die Tendenz, immer mehr politisch Verfolgte auszugrenzen, wird fortgesetzt in der höchstrichterlichen Rechtsprechung. "Wo ein Verfolgerstaat seine Herrschaftsstruktur sichert, bekämpft er nicht eine politische Gesinnung (BverwG - Urteil vom 27.05.1986). Wer sich also gegen die Herrschaftsstruktur stellt und deshalb verfolgt wird, bekommt in der BRD kein Asyl. Auch Folter ist asylrechtlich ohne Belang. Gefängnis, Mißhandlungen dienen der Aufrechterhaltung der Herrschaftsstruktur und von Ruhe und Ordnung.
  4. Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten und solche, die humanitäre Gründe geltend machen, erhalten bestenfalls eine Duldung, d.h. die Aussetzung der Abschiebung, die jederzeit widerrufen werden kann. Ihr Status ist keinesfalls gesichert und stellt eine Fortsetzung ihrer bedrohlichen Situation dar. Auch Ausländergesetz § 14 "Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist" verliert durch die politischen Entscheidungen in der BRD zunehmend seine schützende Funktion für Flüchtlinge.
  5. Aus dem Vorgenannten resultiert, daß es nur noch wenige anerkannte politische Flüchtlinge geben wird (ca. 10%), die zunehmende Zahl der sog. de-facto-Flüchtlinge mit geringem Rechtschutz sich ständig vergrößert. Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes zur Situation in den Herkunftsländern, die verglichen mit ai-berichten nur in geringem Maße die tatsächliche Gefährdungssituation vieler Flüchtlinge wiedergeben und einheitliche Richtlinien der Bundesländer zur Abschiebepraxis sind, sollen es in Zukunft ermöglichen, sich dieser Flüchtlinge zügiger zu entledigen.

Nur wenn sich viele Bundesbürger diesen ausländerfeindlichen, inhumanen Praktiken widersetzen, kann verhindert werden, daß sich die Situation der Flüchtlinge weiterhin verschärft.

Was jeder tun kann, ist

  • Initiativen der Kirchen, Parteien und privater Gruppen zu unterstützen, die sich für ein humanes Asylrecht einsetzen,
  • durch den Kontakt zu Flüchtlingen ihre Bedrohung in unserem Staate wahrzunehmen, eindeutig Partei zu ergreifen, sich zusammenzuschließen und durch gezielte Aktionen mit Bündnispartnern zunehmende Abwehrtendenzen einzudämmen und abzubauen,
  • sich in unserem Land massiv und konstruktiv für ein ausländerfreundliches Klima einzusetzen und durch gezielte Information die Öffentlichkeit damit zu konfrontieren, daß die Flüchtlingsbewegungen unserer Zeit in engem Zusammenhang stehen mit der ungerechten Weltwirtschaftssituation, mit der Politik unserer Regierung, mit Unrechtsregimen zusammenzuarbeiten und, wie im iran.irakischen Krieg noch unsere Waffengeschäfte mit beiden Seiten zu machen.
  • sich dafür einzusetzen, daß unser Land wieder ein Land wird, in dem politisch Verfolgte Schutz finden und ein menschenwürdiges Leben leben können.

Literaturhinweise:

Bei der Gesellschaft für bedrohte Völker, Postfach 2024, 3400 Göttingen, kann das Heft ''Auf der Flucht" bestellt werden. Berichte über Flucht, Asyl, Hintergründe, Initiativen in der BRD, Organisationsanschriften.

Heiko Kauffmann (Hg.):

Kein Asyl bei den Deutschen. Anschlag auf ein Grundrecht. Reinbek bei Hamburg 1986 (RowohltAktue/15989).

Alternative Liste, AL-Fraktion im Abgeordnetenhaus: Alternative Flüchtlingspolitik. Dokumentation vom Flüchtlingskongreß am 25./ 26. 9. 1986 in Berlin. Berlin 1986 (Bezug: Rathaus Schöneberg, John-F. - Kennedy-Platz, 1000 Berlin 62).

Flucht und Folter.

Vorgänge, Jg. 25, Nr.82/ 1986. Bezug: Brauhausstr. 2, 8 München 2).

Frankfurter Rechtshilfekomitee für Ausländer & Frankfurter Flüchtlingsrat: Dokumentation über versuchte bzw. durchgeführte Zurückschiebungen am Frankfurter Flughafen. Frankfurt 1987 (Bezug: ES G, Lessingstraße 2, 6000 Frankfurt 1 ).

Pro Asyl: Materialheft zum Tag des Flüchtlings 1987.Frankfurt 1987 (Bezug: Neue Schlesingergasse 22-24, 6000 Frankfurt 1).

Evangelischer Pressedienst: Pro Asyl. epd-Dokumentation Nr. 14/ 1987 (Bezug: Friedrichstraße 2-6, 6000 Frankfurt 1).

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