Atomfabrik UAA Gronau: Stilllegen statt erweitern!

von Udo Buchholz
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Vor etwa 20 Jahren begann im westfälischen Gronau - direkt an der nie­derländischen Grenze - die bundesweit kaum beachtet Auseinanderset­zung um den Bau und Betrieb der bundesweit ersten (und einzigen) Urananreicherungsanlge (UAA). Jetzt will die Betreiberfirma URENCO die Anlagenkapazität erhöhen. Erhält der örtliche Widerstand endlich die notwendige überregionale Hilfe?

Was ist überhaupt eine UAA?

Urananreicherungsanlage (UAAs) ste­hen ziemlich am Anfang der atomaren Brennstoffspirale. Ohne sie wäre fast alle Atomkraftwerke produktionsunfä­hig. Natururan besteht aus verschie­denen Uranisotopen, der Uran-235-An­teil beträgt dabei ca 0,7%. Für den Spaltprozess in Leichtwasserreaktoren muß der Anteil des U-235 im gesamten Uran jedoch etwa 3-4% ausmachen. Vor dem Reaktoreinsatz muß daher der An­teil des U-235 im Natururan von 0,7 auf 3-4% "angereichert" werden; dies ge­schieht in UAAs. Die URENCO benutzt dafür das sogenannte Zentrifugenverfah­ren.

Das angereicherte Uran wird von Gronau zur Weiterverarbeitung in Brennele­mentefabriken gebracht, u.a. auch zur Siemens-Anlage in Lingen (Emsland). Das angereicherte Uran, das bei der An­reicherung in großen Mengen anfällt und kaum noch U-235 enthält, wird ne­ben der UAA in Fässern unter dem freien Himmel gelagert. Im Gegensatz zu den Anti-Atom-Aktivisten in Gronau, die das Material als Atommüll bezeich­nen, nennt es die URENCO "Wertstoff", der in einer russischen UAA erneut an­gereichert werden soll: "Für Russland bedeutet dieser Vertrag Auslastung sei­ner unterbeschäftigen Anreicherungska­pazität mit Einnahmen von mehreren hundert Millionen Mark - für die russi­sche Wirtschaft ein willkommener Zufluss heiß begehrter Devisen." (Gronauer Nachrichten, 17.06.95). Hierbei drängen sich Fragen auf: Soll dieser Deal der "Entsorgung" der UAA Gronau dienen? Kann die russische UAA militärisch ge­braucht werden?

Die militärische Brisanz der Uranan­reicherung:

Während in den 80er Jahren bereits vor der militärischen Nutzbarkeit der (geplanten) WAA in Wackerdorf ge­warnt worden ist, wurde 1985 in Gronau mit der UAA eine Anlage in Betrieb ge­nommen, in der ein militärischer Missbrauch nie vollkommen ausgeschlossen werden kann. Der Bremer Kernphysiker Gerald Kirchner betonte 1987 bei einem UAA-Kongreß in Gronau: "Und zwar ist es in einer solchen Anlage jederzeit ohne prinzipielle oder größerer organisato­risch-technische Probleme möglich, auch Uran, das zum Bau von Atom­bomben geeignet ist, herzustellen. Das bedeutet, daß es eine Anlage ist oder sogar die Anlage im gesamten Brenn­stoffkreislauf, bei der der Unterschied zwischen ziviler und militärischer Nut­zung am weitesten verwischt ist; eigent­lich soweit verwischt ist, daß die Tren­nung alleine in den Absichten und guten Willen der Betreiber besteht und denen der jeweiligen Regierung des Landes." (Arbeitskreis Umwelt Gronau, Hrsg.: Uran aus Gronau ist überall, 2. aktuali­sierte Auflage, April 1988, S. 15). Auch Klaus Traube, der ehem. Ge­schäftsführer der Interatom, hat vor der UAA Gronau gewarnt: "Mit der UAA in Gronau ist eine Anlage in der BRD vor­handen, die, wenn der politische Wille da wäre, auch zur Herstellung von hochangereichertem Uran genutzt wer­den könnte. (...) mit einem Anreche­rungsgrad über 20% (U-235, Anm. U.B.) wird die Geschichte gefährlich." (Atombomben Made in Germany?, Köln 1986, S.26). Trotz aller Mahnungen ist die UAA aber nie das Ziel von Großak­tionen geworden; die bisher größte ("bundesweite") Demonstration fand 1987 mit 400 Teilnehmern statt ... Um die zivil-militärisch Bedeutung der An­lage zu betonen, war sie auch wiederholt das Ziel kleinerer Ostermärsche. Am 6. August nahmen anläßlich des 50. Hros­himatages rund 60 Personen an einer Kundgebung vor der UAA teil.

Die Ausbaupläne der URENCO:

Trotz weltweiter Überkapazitäten im Urananreichungsektor (vgl. atw/atomwirtschaft Heft 8/9 1995, S. 537) will die URENCO die Kapazität der UAA Gronau massiv erhöhen. Die bislang genehmigte Kapazität von 1.000t UTA/a, mit dr pro Jahr Uran für ca. 8 AKWs vom Typ Lingen 2 angerei­chert werden kann, soll auf 1.800t ge­steigert werden. Ein entsprechender Ge­nehmigungsantrag wurde Ende 1994 beim NRW-Wirtschaftsministerium eingerichtet, obwohl eine Klage gegen eine frühere Genehmigung beim OVG Münster anhängig war (und noch immer anhängig ist. Spenden zur Fortsetzung des Verfahrens sind dringend notwen­dig).

Dass Genehmigungsverfahren /Aufruf zur Unterstützung des Widerstandes:

Noch ist nicht sicher, wie sich die neue "rot-grüne" Landesregierung in Düssel­dorf zu den Erweiterungsplänen erhalten wird. Ohne Druck, auf die Bündnis-Grünen und erst recht auf die SPD, durch die Basis wird wohl nicht viele passieren. Im Frühjahr 1996 sollen die Antragsunterlagen öffentlich in Gronau ausliegen, gegen die Einwendungen er­hoben werden können. Zahlreiche Ein­sprüche aus dem gesamten Bundesge­biet sollten die breite Ablehnung der UAA verdeutlichen. Sammeleinwen­dungslisten können bereits jetzt beim Gronauer AKU "vorbestellt" werden. Organisationen sollten nach Möglich­keiten die Listen verbreiten, aber auch fundierte Einzeleinwendungen erheben; für deren Erstellung werden noch enga­gierte NaturwissenschaftlerInnen ge­sucht. Zur Information über die UAA wird am 24.02. in Münster Naturwissen­schaftler gesucht. Zur Information über die UAA wird am 24.02. In Münster ein überregionales Seminar als Startschuss für eine bundesweite Einwendungskam­pagne stattfinden. Nähere Informationen dazu (Programm, Wegbewschreibung) aber auch eine Materialliste zur UAA, das Anti-Atom-Magazin "EuKo-Info" sowie Informationen zur Demonstration gegen das Castor-Atommüllager in Ahaus gibt es beim: Arbeitskreis Um­welt Gronau (AKU), c/o Siedlerweg 7, 48599 Gronau, 02562/23125, Spenden für die Klage gegen die UAA: Spenden­konto: AKU, 110 551 700, Volksbank Gronau (BLZ 401 640 24)

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Udo Buchholz engagiert sich seit 30 Jahren gegen die Atomindustrie, ist Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) (www.bbu-online.de) und Mitorganisator des Gronauer Ostermarsches.