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Gegen 'out of area' und das Tornado-Bombodrom
Aufruf zum Einmischen für die FREIe HEIDe
von
Mit 3.OOO und 5.000 TeilnehmerInnen fanden 1995 und 1994 die größten Ostermärsche in Fretzdorf statt. Das liegt am Tornado-Bombodrom zwischen Rheinsberg und Wittstock, in den westlichen Ausläufern der Mecklenburgischen Seenplatte. Bei vergleichbarer Mobilisierung wären in Berlin 400.000 Menschen auf der Straße. Die Kampagne gegen Tiefflüge und Bombenlärm könnte Kristallisationspunkt für die Arbeit gegen "out of area" werden, an dem die Friedensbewegung sich endlich mit dem Widerstand vieler Bevölkerungsgruppen verbindet.
Seit 1992 engagieren sich AnwohnerInnen für die zivile Nutzung der 142 Quadratkilometer riesigen zerbombten Heidelandschaft. Über 30 Protestwanderungen mit 300 bis 3.000 DemonstrantInnen organisierte die BI FREIe HEIDe. Höhepunkte der gegenseitig beflügelnden Zusammenarbeit von Einheimischen und Auswärtigen waren 'Woodstock für Wittstock' (Ostern '94) und 'Lebenslaute statt Bombengetöse' im Sommer '95. MusikerInnen der Lebenslaute konzertierten nach Auftritten in Mutlangen und Gorleben durch die Initiative der wenigen AktivistInnen der BI FREIe HEIDe Berlin/Potsdam auf dem Kasernengelände des Platzes. (weitere Aktionsberichte Friedensforum 6/95)
Der Boden für ein Engagement von Friedensbewegten aus dem Bundesgebiet ist also bereitet. In diesem Sommer wird gesät: Im Juni wandert der 'Arbeitskreis Ökologie und Frieden Berlin/Brandenburg' aus der preußischen Metropole in die FREIe HEIDe. Die 'Friedensreiter' setzen ihre in der DDR-Tradition stehenden Sommerausflüge hoch zu Ross rund um den größten Bombenplatz der Bundesrepublik fort. Nach den Sommeraktionstagen in der letzten Juliwoche hält die Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen ihr Bundestreffen vom 1. bis 4. August ab und schließlich plant das Komitee für Grundrechte und Demokratie vom 3. bis 6.10. einen "out of area"-Kongreß in Wittstock.
Dieser soll die argumentative Basis von BI und bundesweiter Friedensbewegung stärken. Denn nur wenn es gelingt, die Kritik der neuen Bundeswehrplanungen allgemeinverständlich zu fundieren und sie auf die Problematik des Bombodroms zu beziehen, wird eine langfristige Verbindung der lokalen Kampagne und der bundesweiten Friedensorganisationen möglich.
Diese Zusammenarbeit ist für die BI notwendig, weil die Bundeswehr langfristig juristische Auseinandersetzungen um den Platz wahrscheinlich für sich entscheiden wird. (Man denke nur an das Tiefflug-Urteil, daß Gemeinden jeglicher juristischer Widerstandsmöglichkeiten gegen die rasenden Bomber beraubte.)
Die Mehrheit der BürgerInnen in dem Gebiet westlich des Tucholsky-Städtchens Rheinsberg sind für AntimilitaristInnen potentielle Bündnispartner, denn für sie ging der Zweite Weltkrieg weiter, als die Rote Armee ab 1952 MIGs bomben ließ. Sie wähnen Minister Rühe in Stalins Fußstapfen und wehren sich heute in ihrer Heide gegen die Vorbereitungen der Auslandseinsätze von morgen.
Außer den Bürgermeistern haben sie Pfarrer auf ihrer Seite. Regelmäßig verschlägt es Ministerpräsidenten, Landtagsabgeordnete und Bischöfe vor die Mikrophone der Kundgebungen an der Schießplatzgrenze. Ihnen hören dann neben einfachen BürgerInnen auch die letzten aktiven Bürgerbewegten der Ex-DDR zu. Sie alle prägen den Charakter der Kampagne: Gottesdienste in den Dorfkirchen sind Ausgangspunkt der regelmäßigen Protestwanderungen. Mahnsäulen von KünstlerInnen und HandwerkerInnen der Gegend halten die kleine aber feine Bewegung im Alltagsbewußtsein. Chöre und Orchester geben den Kundgebungen festlichen Charakter, die auch von Familien mit Kindern besucht werden.
Aufgabe auswärtiger AktivistInnen ist es, die BI bei denjenigen gewaltfreien Aktionen zu unterstützen, die die Bundeswehr weiterhin von der Wiederinbetriebnahme des sowjetischen Bombodroms abhält. Erste Teilerfolge hat die BI bereits geschafft: Trotz der Wiederaufnahme des Flugbetriebs blieben Bombeneinsätze bislang aus. Vor dem Prozess im Mai berichten die Aktiven von deutlich sinkenden Überflügen. Die Bundeswehr ist vorsichtig.
Die Schritte zu weiteren Erfolgen müssen nun erarbeitet werden. Sollen die UnterstützerInnen wochenends anreisen und die Grundstücke der Gemeinden auf dem Platz von Munition, Schrott und Altlasten säubern? Geld spenden für eine Schafherde in dem Gebiet, wo heute erst Büsche und Gras wachsen? Oder doch wieder Blockaden? Was tun die Kampagnen gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär aus Berlin, Potsdam und Neubrandenburg?
An Ideen mangelt es nicht. Wichtiger wird es sein, diejenigen Aktionsformen zu finden, die die Bundeswehr weiter delegitimieren oder sogar Tornado-Flüge erschweren und dabei die bisherige Beteiligung vieler Menschen weiterhin ermöglicht.
Nach dem Ostermarsch am 7. April könnte es am neunten Mai in der ersten Instanz zu einem Erfolg in Potsdam kommen, wenn die Bürgermeister vor Gericht das Eigentum ihrer Gemeinden einklagen. Doch danach muß mit einer Revision oder Berufung der Hardthöhe und auf über 80.000 DM steigende Prozesskosten gerechnet werden. Die BI wartet auf Spenden. (Kto.-Nr s.u.)
Interessierte sind zum Kongress eingeladen oder sollten zumindest in ihren Heimatorten Kritik und Alternativen zur Bundeswehr in aller Welt bezüglich des Bombodroms weiterentwickeln und Kampagnenvorschläge unterbreiten. Dabei ist zu beachten, daß die Ähnlichkeit mit Mutlangen oder Gorleben täuscht. Es gibt für die FREIe HEIDe noch keine mobilisierte Friedensbewegung und darüber hinaus kommt auch die Ökologiebewegung als Bündnispartnerin für die Aktiven zwischen Gadow, Flecken, Zechlin und Gühlen-Glienicke in Frage.
FREIe HEIDe Berlin/Potsdam, c/o A-Laden, Rathenower Str. 22, 10559 Berlin, Tel/Fax 030 / 394 61 67, Spenden-Kto. Nr. Verein Freunde der direkten Aktion 4897 67 107, Post Berlin BLZ 100 100 10 (Stichwort: "FREIe HEIDEe")
BI FREIe HEIDe, c/o Helmut Schönberg, Tannenstr. 12, 16909 Schweinrich, Tel/Fax 033966 / 60246, Spenden-Kto. Nr. 168 00 00 167, Sparkasse Ostprignitz-Ruppin BLZ 160 502 02 (Stichwort: "FREIe HEIDEe")