Gerichtsprozesse

Aufstehen gegen die atomare Bedrohung

von Gerd Büntzly
Schwerpunkt
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In Büchel in der Eifel lagern noch 20 Atombomben, und täglich üben Soldat*innen der Bundeswehr, die Atombomben mit ihren Tornados ins Ziel zu fliegen und abzuwerfen. Das ist die sogenannte „nukleare Teilhabe“, die durch den Atomwaffensperrvertrag (NPT) eigentlich verboten ist.
Doch bildet sich in Büchel allmählich eine Form des gewaltfreien Widerstandes heraus, die sich international vernetzt hat. Viele der Friedensaktivist*innen sind religiös motiviert, unter ihnen finden sich Quäker*innen, Mitglieder des Versöhnungsbundes und der Catholic Workers. Ihre Aktionen fanden zusätzlich zu den „offiziellen“ Demonstrationen, Konzerten und kirchlichen Veranstaltungen statt, bei denen 2019 u. a. der Bischof von Trier, Stefan Ackermann und von der evangelischen Seite Margot Käßmann predigten.

In diesem Jahr gab es wegen Corona nur wenige Blockadeaktionen in Büchel, aber immerhin gab es sie. Statt dessen wurde das Jahr 2020 das Jahr der Prozesse, die Aktiven fahren gewissermaßen die „Ernte“ ein: Etwa ein Dutzend Prozesse waren es bis August, und noch einmal so viele Prozesse sind es noch bis zum Ende des Jahres, meistens als Folge eines Widerspruchs gegen Geldstrafe oder Bußgeld. Die Vorwürfe der Justiz: Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, Eindringen auf ein Militärgelände. Orte sind Cochem (Amtsgericht), Koblenz (Berufungssachen) und Bonn (Bußgeldsachen).

Für die einzelnen Personen ergeben sich die verschiedensten Optionen: Die einen bezahlen Bußgeld oder Geldstrafe, und damit ist der Fall erledigt. Weitere Öffentlichkeit lässt sich gewinnen durch Unterstützung von Bekannten oder solidarischen Mitmenschen, die einzelne Tagessätze übernehmen und die Verurteilten so „freikaufen“. Diese schreiben dann am besten noch einen Brief an die Staatsanwaltschaft und erklären ihre Solidarität. Andere Verurteilte legen Widerspruch gegen die Geldstrafe ein und nutzen den Prozess als Bühne. Sie verlangen Freispruch mit dem Argument, dass die Monstrosität der Atombomben in keinem Verhältnis steht zum Zerschneiden eines Zauns und zum Eindringen auf ein Militärgelände. Manche von ihnen haben sich vorgenommen, bis zum Bundesverfassungsgericht zu gehen, ja bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, da das BVG sich wiederholt geweigert hat, sich mit dem Thema überhaupt zu befassen. Wieder andere wollen nicht bezahlen, sondern stattdessen öffentlichkeitswirksam ins Gefängnis gehen. Bisher gab es keine Freisprüche, Beweisanträge der Angeklagten wurden sämtlich zurückgewiesen. Das ist für manche frustrierend, aber die Wirkung der Prozesse liegt auf einer anderen Ebene: Der Bereitschaft der Angeklagten, die Konsequenzen ihres Tuns auf sich zu nehmen und der Wirkung, die diese Entschlossenheit auf die nähere und fernere Öffentlichkeit hat.

In Cochem waren nun erstmals auch Personen aus den Niederlanden und den USA angeklagt. Die Behörden taten sich schwer, Ausländer*innen juristisch zur Verantwortung zu ziehen, da das für sie ein erheblicher Arbeitsaufwand bedeutet. Die Betroffenen haben genau das gefordert: Auch sie wollen nicht straffrei ausgehen, sondern durch die Übernahme der Konsequenzen ihres Handelns in die Gesellschaft wirken.
 
Die bis zum Ende des Jahres feststehenden Termine der Prozesse sind folgende:

04.11., 8:00 AG Cochem wg. Go-In am 30.419
04.11., 13:30 AG Cochem wg. „Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte“ am 28.6.19
11.11., 9:00 Uhr AG Cochem wg. Go-In am 30.4.19
16.11., 8:30 Uhr AG Cochem wg. Go-In am 30.4.19
18.11., 8:30 Uhr AG Cochem wg. Go-In am 30.4.19
25.11., 8:30 Uhr AG Cochem  wg. Go-In am 30.4.19
02.12., 8:00 Uhr AG Cochem  wg. Go-In am 30.4.19
07.12., 8:30 AG Cochem  wg. Go-In am 16.7.19
07.12., 9:15 AG Cochem wg. Go-In am 10.7.19
09.12., 8:00 Uhr AG Cochem wg. Go-In am 30.4.19
16.12., 8:30 AG Cochem
März 2021 LG Koblenz  wg. Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz am 18.6.18

Wer immer die Möglichkeit hat, sollte sie nutzen, einem Prozess beizuwohnen. Das ist nicht nur ein Akt der Solidarität, sondern auch eine Lektion in Staatsbürgerkunde.

Nähere Informationen zu den Prozessen, außerdem Kontaktmöglichkeiten wegen Mitfahrt, Übernachtung u. ä. finden sich auf den Seiten der Aktionsgruppen, Kampagnen und Bürgerinitiativen:

https://buechel-atombombenfrei.jimdofree.com/prozesse/
https://junepa.noblogs.org/aktionen/widerspruch/texte-aus-dem-gerichtssaal/
https://buechel-atombombenfrei.jimdofree.com/international/international...
https://offeneheide.de/vorige_fw2015-18.htm

Wer möchte, kann den Widerspruch gegen die atomare Bewaffnung mit Spenden unterstützen.  Empfänger: GAAA (Gewaltfreie Aktion Atombomben Abschaffen), Konto: GLS Bank, IBAN: DE57 4306 0967 8019 1512 00. Verwendungszweck: Büchel-Rechtshilfe.

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Hintergrund
Gerd Büntzly ist Friedensaktivist aus Herford.