Buchbesprechung

„Ausgedient“ - Bundeswehr contra Meinungsfreiheit

von Martin Singe

Das Buch „Ausgedient. Die Bundeswehr, die Meinungsfreiheit und die 'Causa Rose'“ ist ein sehr lesenswertes Mammutwerk in zwei Bänden, geschrieben hauptsächlich vom Betroffenen, Jürgen Rose. Die Dicke des Buches erklärt sich daraus, dass sehr ausführlich die Original-Dokumente der Auseinandersetzung zwischen Jürgen Rose, der Bundeswehr und der Justiz im Wortlaut veröffentlicht werden - eine wahre Fundgrube zum gegenwärtigen Stand der Absicherung militärischer Interessen durch die Justiz.

Jürgen Rose, Oberstleutnant der Bundeswehr i.R., ist u.a. schon bekannt durch sein Buch „Ernstfall Angriffskrieg“ (vgl. Besprechung im FriedensForum 1/2010, http://archiv.friedenskooperative.de/ff/ff10/1-54.htm) Im neuen Werk beschreibt Rose die Auseinandersetzung um seine scharfe Kritik gegen die Beteiligung der Bundeswehr an völkerrechtswidrigen Angriffskriegen. Rose hatte gefordert, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in der Sache des Major Pfaff – das Urteil hatte Pfaff, der die Beteiligung am Irak-Krieg verweigert hatte, rehabilitiert und zugleich schwere völkerrechtswidrige Bedenken gegen den Krieg erhoben – in die politische Bildung der Bundeswehr einzubeziehen. Dies wurde abgelehnt. Dem BVerwG wurde obendrein Inkompetenz unterstellt. In den in diesem Kontext von der Bundeswehr erstellten Hinweisen für RechtsberaterInnen und RechtslehrerInnen wird das Urteil geradezu auf den Kopf gestellt, indem gesagt wird, dass im Ernstfall die Aufrechterhaltung der Kriegskraft über der Gewissensfreiheit des Soldaten/der Soldatin stehen könne.

Nach alldem entschied sich Rose zu einem sehr scharfen verbalen Angriff gegen die Bundeswehr. Im Ossietzky vom 27.5.2006 veröffentlichte er einen Aufsatz mit dem Titel „Geist und Ungeist der Generalität“. Angesichts der Beteiligung der Bundeswehr am Angriffskrieg gegen den Irak wirft Rose der Generalität „Opportunismus, Feigheit, Skrupellosigkeit“ vor und schreibt: „Hätte die deutsche Generalität auch nur einen Funken Ehrgefühl sowie Rechts- und Moralbewusstsein im Leibe, so hätte der Generalinspekteur im Verein mit seinen Teilstreitkraftinspekteuren sich geweigert, den völkerrechts- und verfassungswidrigen Orders der rot-grünen Bundesregierung Folge zu leisten.“

Ein folgendes Disziplinarverfahren durch mehrere Instanzen der militärischen Sondergerichtsbarkeit endete mit einer Disziplinarbuße von 750,- Euro. Nun war der Weg zum Bundesverfassungsgericht eröffnet. Das Buch dokumentiert die gesamte Auseinandersetzung in  drei Teilen, zunächst das Disziplinarverfahren, dann das Verfassungsgerichtsverfahren und schließlich noch die letzte Instanz beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Immer kreist die Auseinandersetzung um die Fragen von Meinungsfreiheit und völker- und verfassungsrechtlichen Bewertungen der letzten Kriege, insbesondere des Irak-Krieges und der Beteiligung der Bundeswehr daran in den verschiedensten Formen.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde mit einem schlecht begründeten Nichtannahmebescheid zurückgewiesen. Es betont – wie schon in früheren Entscheidungen -, dass die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr Verfassungsrang habe und so in Konkurrenz zu anderen Grundrechten gerate. Das Gericht bleibt sich damit in seiner Kriegsrechtsprechung seit dem Afghanistankrieg bzw. schon seit dem 1994er out-of-area-Beschluss treu. Leider hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die zulässige Individualbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Keines der Gerichte war bereit, sich mit der Angriffskriegsfrage überhaupt auseinanderzusetzen. Es bleibt dabei: Recht ist, was den Waffen nützt (H. Kramer / W. Wette). Ein Trauerspiel der Justiz in einer der zentralsten Gegenwartsfragen, der Frage um Krieg und Frieden.

Jürgen Rose (2016: Ausgedient. Die Bundeswehr, die Meinungsfreiheit und die 'Causa Rose', Hrsg. Erhard Crome. Schkeutiz 2016, ISBN 9783943931006 , 646 S.,  30 Euro.

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Hintergrund
Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".