Öffentliche Anfrage des Berliner Friedensforums an den Bundestag

Balkan Krieg: Keine Alternativen?

von Hans Peter Richter
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Aus der Bestürzung darüber, dass eine überwältigende Mehrheit von Bundestagsabgeordneten dem Luftkrieg gegen das serbische Volk mit der Begründung zugestimmt hatte, dass es keine Alternative zum Krieg gäbe, schickte das Berliner Friedensforum (BFF) an alle Bundestagsabgeordneten am 30.03.99 einen Brief mit der Bitte um Auskunft darüber, was die Bundestagsabgeordneten im Rahmen ihrer Abgeordnetentätigkeit zu einer Politik der Konfliktvermeidung und zur zivilen Lösung von Konflikten beigetragen haben und warum bis heute nahezu alle Vorschläge aus der Friedensbewegung zu einer rechtzeitigen Konfliktvermittlung ignoriert wurden.

Dazu zählt auch die Ignoranz der Ergebnisse aus der 97. Sitzung des Auswärtigen Ausschusses am 25.05.1994. Diese wurden in einer Öffentlichen Anhörung über "Möglichkeiten und Grenzen der Konfliktvorbeugung und -vermeidung und nichtmilitärischer Konfliktlösungen" erarbeitet. Auch hier stellt sich die Frage, was getan wurde, um die damals gewonnenen Erkenntnisse in die Tat umzusetzen?

Von den 669 Abgeordneten reagierten 32 (SPD - 13; BÜ 90/G - 8; CDU - 4; F.D.P. - 1; PDS - 6) und von diesen haben 25 selbst geantwortet. Diesen möchten wir auf diesem Weg für ihre Aufmerksamkeit danken. Auch dafür, dass sie mehrheitlich bereit waren, ihre innere Zerrissenheit bei der Abstimmung über den Krieg gegen Milosevic, und damit gegen das serbische Volk zu artikulieren. Verschiedene Abgeordneten teilten auch mit, dass sie nicht ausreichend über die Hintergründe des Kosovo-Konfliktes informiert waren. Auch als jetzt über die Aufstockung der deutschen Bodentruppen im Kosovo abgestimmt wurde, scheinen nicht alle Konsequenzen bedacht worden zu sein.
 

Alle Antworten verdeutlichen die Hoffnung, in Zukunft das Instrument Krieg nicht mehr einsetzen zu müssen; verdeutlichen die Überzeugung, dass mit Waffen kein Frieden zu gestalten ist und dass ein umfassender Ansatz präventiver und nachhaltiger Konflifktlösung in der Region verfolgt werden muss (SPD Sonderparteitag 12.04.99). Trotz dieser in die Zukunft weisenden Positionen würden wir dennoch zu bedenken geben, dass dieser Krieg im Kosovo gewachsen ist. Er kam nicht plötzlich. Und beim Lernen aus diesem Krieg sollte genau untersucht werden, welchen Anteil die einzelnen Akteure an der Zuspitzung dieses Konfliktes bis zum Krieg hatten. Von besonderem Interesse in diesem Zusammenhang ist die Beantwortung der Frage, warum nicht der gewaltfreie Widerstand der Kosovo-Albaner nachhaltig unterstützt wurde und statt dessen leichtfertig die Militarisierung der Region, insbesondere die Bewaffnung der UCK, erfolgte.

Wenn es scheinbar im März 99 keine Alternative zum Luftkrieg gegeben haben sollte, stellt sich doch die Frage, welche Akteure mit welchen Aktionen in diese politische Sackgasse geführt haben? Es scheint doch nahezu lächerlich und absurd, dass sich 19 NATO-Staaten von einem einzigen Mann das politische Handeln diktieren lassen können. Wenn ein einziger Mensch in der Lage ist, die NATO in den Krieg zu führen, ist das in unseren Augen ein Beweis für die politische Ohnmacht und die politische Handlungsunfähigkeit dieses Bündnisses. In Zukunft könnte jeder "Milosevic" die Streitkräfte der NATO in den Krieg bringen. Die Frage sollte öffentlich diskutiert werden, ob Deutschland sich in Zukunft der Erpressung zum Krieg permanent aussetzen möchte oder ob Deutschland in Zukunft eine selbstbestimmte friedensgestaltende Rolle mit zivilen Mitteln spielen will.

Berlin, den 21.6.1999

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Hans-Peter Richter ist Vorstandsmitglied des Deutschen Friedensrates (Berlin) und aktiv in der Tribunal-Vorbereitungsgruppe.