Der US Krieg gegen Vietnam:

Betrachtungen zur Organisation des Widerstands

von David Hartsough

Im ganzen Land diskutieren die Organisatoren verschiedene Strategien: Durch welche Vorgehensweise können wir den Krieg im Irak stoppen? Durch zivilen Ungehorsam, Lobbyarbeit im Kongress, oder durch beides? Hier finden Sie einige meiner Überlegungen zu dieser Frage, die durch meine Erfahrungen während des Vietnamkriegs geprägt sind.

Von 1965-1970 war ich ein Lobbyist des Friends Committee on National Legislation (FCNL) in Washington und bemühte mich mitzuhelfen, den Krieg zu beenden. Ein Teil dieser Arbeit bestand darin, den Kongress und andere in Washington über das, was wirklich in Vietnam vorging, zu informieren. Alles, was von offizieller Seite über den Vietnamkrieg berichtet wurde, enthielt nur wenig Wahres - und besonders zu Anfangszeiten des Krieges konnte man auch in den Massenmedien nicht viel über die Wahrheit herausfinden. Später haben wir dann mit Kongressabgeordneten zusammengearbeitet, die unserer Sache wohlgesinnt waren, um auch in den Bereich der Gesetzgebung einwirken zu können. Besonders bedeutend in diesem Zusammenhang war das McGovern-Hatfield Amendement (Gesetzesreform) zur Streichung der finanziellen Mittel für den Krieg.

Während ich geholfen habe zu informieren und politischen Druck auf den Kongress auszuüben, habe ich außerdem an gewaltfreien direkten Aktionen teilgenommen, um das Ende des Kriegs herbeizuführen:

  • 1. Ich habe mehrere Wochen lang jeden Mittwoch Nachmittag die Namen der im Vietnam gefallenen US Soldaten auf den Stufen des Kapitols vorgelesen.
  • 2. Ich habe am Vietnam Moratorium im Oktober 1969 teilgenommen und geholfen, eine Aktion zur "Unterbrechung des normalen Betriebs" im Repräsentantenhaus zu organisieren. Während Hunderttausende im ganzen Land demonstrierten, führten Kongressabgeordnete, die gegen den Krieg waren, "Teach-Ins" im Kongress durch.
  • 3. Ich habe geholfen, gewaltfreie Blockaden gegen Schiffe, die Waffen, Bomben und Munition zur Tötung von Menschen in Vietnam geladen hatten, zu organisieren, und habe auch selber an diesen Blockaden teilgenommen.
  • 4. Ich habe im Frühling 1971 an den riesigen gewaltfreien Anti-Kriegs-Demonstrationen in Washington D.C. teilgenommen, während deren Verlauf mehr als 13.000 Leute in nur einer Woche verhaftet wurden.

Nachdem wir die Namen der Gefallenen des Vietnamkriegs einige Wochen lang vorgelesen hatten, und nachdem wir zusammen mit einigen anderen Quäkern verhaftet und ins Gefängnis abgeführt worden waren, habe ich den Kongressabgeordneten George Brown aus Kalifornien besucht. Ich habe ihm erzählt, was wir machen und was, nur weil wir versucht hatten die Namen der toten US Soldaten vorzulesen, mit uns passiert war. Ich fragte ihn, was er tun könne um uns zu helfen.

Ich werde Georges Antwort niemals vergessen. Er sagte: "Ich werde morgen bei Euch mitmachen. Und ich werde einen Brief an jeden Kongressabgeordneten schreiben, in dem steht, dass ich bei Euch mitmache, und in dem ich die Abgeordneten einlade, mit mir die Namen der Toten vorzulesen.

Am nächsten Tag haben sich uns George Brown und zwei andere Kongressabgeordnete angeschlossen. Als der Rest von uns festgenommen wurde, blieben die Kongressabgeordneten stehen und lasen weiter die Namen vor, denn sie verfügten ja über Abgeordnetenimmunität und konnten somit nicht festgenommen werden. Mit dieser Aktion erreichten wir eine große nationale Öffentlichkeit. Innerhalb weniger Tage fanden sich Zehntausende Leute zusammen, um die Namen der US Kriegstoten vor Bundeseinrichtungen und vor Postämtern im ganzen Land vorzulesen.

Als wir (in unseren Kanus und kleinen Segelbooten) gewaltlos die Schiffe blockierten, die Bomben transportierten, um unsere Brüder und Schwestern in Vietnam zu töten, hatten wir die Gelegenheit, einige der Matrosen der Navyschiffe persönlich kennen zu lernen. Als eines der Schiffe, die USS Nitro, in Leonardo, New Jersey, den Anker lichtete, paddelten wir wie wild, um vor das Schiff zu gelangen und es daran zu hindern, Bomben nach Vietnam zu transportieren. Sieben Matrosen sprangen vorne vom Schiff und versuchten sich unserer gewaltfreien Blockade anzuschließen. Damit erlangten wir weltweite Aufmerksamkeit und ich denke, dass der Widerstand innerhalb des amerikanischen Militärs dadurch einen großen Auftrieb erlebte. Unser Widerstand hatte den Matrosen Mut gemacht. Dadurch wurden auch andere im Militär ermutigt, für ihre Meinungen einzustehen und zu kämpfen, auch wenn das zur Folge haben konnte, dass sie im Militärgefängnis landeten. Der tiefsitzende Widerstand innerhalb des Militärs und parallel dazu die anwachsende Anti-Kriegs-Stimmung in der Bevölkerung führten letztendlich dazu, dass der Kongress die Finanzierung des Krieges blockierte.

Ich glaube, dass sich Bekenntnis zur Gewaltfreiheit und ziviler Ungehorsam beim Kampf und bei der Lobbyarbeit im Kongress gegen den Krieg gegenseitig ergänzt haben. Die gewaltfreien direkten Aktionen, an denen sich Tausende und später Zehntausende Menschen im ganzen Land beteiligten, zeigten dem Kongress, wie groß die Sorge über und der Widerstand gegen den anhaltenden Krieg waren. Sie halfen den Abgeordneten, mehr Mut zu entwickeln, um sich gegen den Krieg auszusprechen und schließlich gegen eine weitere Finanzierung und damit für das Ende des Krieges zu stimmen. Natürlich ist es aus strategischer und ethischer Hinsicht entscheidend, einen vollkommen gewaltfreien Widerstand zu führen. Widerstand, der sowohl gewaltfrei als auch gewaltsam stattfindet, macht es schwieriger, sich auf die tatsächlichen Probleme zu konzentrieren. Denn häufig berichten die Medien lieber über die Gewalt als über den Grund für den Widerstand.

Ja, lasst uns weiterhin gegen den schrecklichen Krieg und die US-amerikanische Besetzung des Iraks angehen, mit allen gewaltfreien Mitteln, die wir haben. Das Leben der irakischen Bevölkerung hängt davon ab. Und auch die Seele Amerikas.

Kontakt: Peaceworkers/Nonviolent Peaceforce, 721 Shrader St., San Francisco CA 94117, USA, Tel.: +1/415/751-0302, http://www.nonviolentpeaceforce.org.

Übersetzung: Sandra Busch

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David Hartsough ist Mitgründer und "Direktor für Spezielle Projekte" der "Nonviolent Peaceforce". Er lebt in San Francisco, Kalifornien.