Schleppend, aber nötig:

"BoA" und "Kampagne gegen out-of-area"

von Mani Stenner
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Die Bundeswehrführung stimmt die Soldaten auf künftige Kampfeinsätze ein. Generalinspekteur Naumann blies den "bequemen und weinerlichen" Offizieren auf der Leipziger Kommandeurstagung den Marsch. Die Regierung stellt die Weichen für die "out-of-area"-Einsätze in aller Rühe. Dieser geht dabei weitgehend gemeinsam mit den Spitzengenossen den sozialdemokratischen Weg über humanitäre Tarnkappen. Die Friedensgruppen sind derweil noch nicht zu wirkungsvollen Protesten fähig. Die "Kampagne gegen out-of-area" schleppt sich dahin, der "Aktionstag für eine BRD ohne Armee" wurde am 15. Mai nur in ca. 15 Städten mit kleinen Aktivitäten getragen. Bei einem Beratungstreffen in Bonn wurde über Chancen zum Eingreifen nachgedacht.
Die Sanitätsblauhelme schaffen in Kambodscha verfassungswidrig Fakten, die Gesellschaft wird an deutsche Soldaten im Ausland gewöhnt. Rühe einigt sich mit den Spitzen der Sozialdemokratie über einen Königsweg, der ihm alle späteren Optionen offenhält: Mit Zweidrittelmehrheit soll eine Bundestagsentschließung zunächst die Blauhelmfrage regeln, so daß keine dem Bremer SPD-Parteitagsbeschluß entsprechende Einschränkung im Grundgesetz spätere Kampfeinsätze blockiert. Gleichzeitig geht im Rahmen der NATO-Verabredungen von Rom die Aufstellung Schneller Eingreiftruppen und eine entsprechende Effektivierung der Bundeswehr trotz zahlenmäßiger Verkleinerung seinen Gang wie auch der Aufbau einer Euro-WEU-Armee mit dem jetzt gebildeten deutsch-französischem Korps als Kern.

Aktionen: klein aber fein
Die Friedensgruppen kommen hingegen noch nicht weiter mit ihrem Versuch, gegen diese "Rückkehr der deutschen Politik zu Clausewitz" die Öffentlichkeit zu alarmieren oder nennenswerte Protestaktionen auf die Beine zu stellen. Wie z.Zt. in vielen Politikgebieten, bleibt es bei Aktionen kleiner Gruppen, wenn es z.B. am 15. Mai hieß "Statt Bundeswehr in aller Welt lieber eine Welt ohne Bundeswehr!". Der "BoA-Aktionstag" umfaßte z.B. ein "Frühstücks-Sit-In" vor der Zentrale des Rüstungsgiganten Daimler-Benz in Stuttgart-Möhringen, ein "Sun-Shine-Tours Reise-büro" in Sachen Rüstungsexporte in der Heidelberger Innenstadt, ein öffentliches Raketenzersägen und -umbauen in Hannover und eine simulierte Passantenmusterung in Gotha.  Auch in Mannheim, Landau, Freiburg, Koblenz, Ludwigshafen, Idar-Oberstein, Neuwied, Recklinghausen und Bielefeld fanden Aktionen statt. Die mit 500 Beteiligten größte Veranstaltung war ein Fest in Bonn zum "ersten Spatenstich für die Umbauarbeiten zur zivilen Nutzung" der vom Verteidigungsministerium gehörenden Ermekeilkaserne in der Südstadt.

Weltlage: schlecht oder verworren?
Das Beratungstreffen in Bonn offenbarte einigen Diskussionsbedarf zur Analyse der "Weltlage" (Gibt es die Neuauflage einer imperialistischen Konkurrenz von Nationalstaaten oder Möglichkeit zur Weltreformpolitik? Können wir auf Institutionen wie UNO oder KSZE setzen? Sind die jetzigen nationalistischen Konflikte vergleichbar mit den früheren Auseinandersetzungen zwischen bürgerlichen Staaten oder ein ganz anderes Phänomen? Kann Frieden z.B. bei weiterer Eskalation von Konflikten wieder zum motivierenden Thema werden oder wird die zunehmende Abstraktheit und Vielfältigkeit weiter demotivierend wirken?).

Einig waren sich die knapp 50 TeilnehmerInnen aus verschiedenen Städten, daß der Widerstand gegen die Pläne für "out-of-area"-Einsätze der Bundeswehr zu einem Schwerpunkt werden muß, gerade auch weil hier die Weichenstellung für die gesamte Politik passiert, die von Europa künftig ausgehen wird. Die Option zur militärischen Intervention "out-of-area" werde so zum zentralen Thema für die Bundesrepublik und Europa. Allerdings muß sich die Friedensbewegung darauf einstellen, daß sie sich hier in Konfrontation mit fast allen Parteien einschließlich der SPD befindet. In einzelnen Punkten war die Bonner Diskussion für künftige Argumentationen hilfreich:

Argumente: leise aber besser
Statt einer Einreihung der Bundesrepublik in die vermeintliche "Normalität" von Staaten, die wie Großbritannien oder Frankreich ihre Interessen jederzeit auch mit militärischer Intervention durchsetzen, schlagen die Friedensgruppen die Erklärung eines "Interventionsverzichts" aller Großmächte neben dem Atomwaffenverzicht vor.

Auch die jetzt zwischen SPD und Regierungskoalition einvernehmlich gewollte deutsche Beteiligung an UN-Blauhelmmissionen wurde bei dem Bonner Treffen abgelehnt. Deutsche Blauhelme sind nur die Tarnkappen für "deutsche Wüstenstürmer" und die angestrebte Beteiligung an Kampfeinsätzen und militärischen Interventionen. Generell wird nicht nur die Beteiligung von Großmächten, die überall eigene Interessen haben, an friedenserhaltenden Blauhelmmissionen abgelehnt, sondern auch die Eignung von Soldaten für solche vermittelnden Aufgaben prinzipiell infrage gestellt: "Sollen doch die Leute das machen, die das können!" Da Militär generell eher eskalierend in Konflikten wirke, sind überall für solche Missionen speziell für Vermittlung und Deeskalation ausgebildete zivile Kräfte besser geeignet. Die Entsendung von 140 Bundeswehr-Ärzten und Sanitätern nach Kambodscha und der damit verbundene Verfassungsbruch wurde vor diesem Hintergrund scharf abgelehnt. Dies gilt auch für alle anderen beim jetzigen Legitimationsdefizit für die Bundeswehr diskutierten neuen Aufgaben. Auch für humanitäre Einsätze in aller Welt sind zivile Hilfsorganisationen viel besser geeignet, die man - verbunden mit weiterem Abbau der Bundeswehr - verbessert ausstatten könne. Auch die gesellschaftliche Diskussion über den Sinn der Bundeswehr muß folgerichtig zum Kern zurück: Nach dem Wegfall aller tatsächlichen oder vermeintlichen militärischen Bedrohungen für das Bundesgebiet sollten Übergangsszenarien bis zum vollständigen Abbau entwickelt werden, schon aus finanziellen Gründen und wegen ihrer Untauglichkeit für andere Aufgaben.
Das Kriterium Eskalation oder Deeskalation ist wohl auch zur Beurteilung aller Maßnahmen in Konflikten das alles Entscheidende, ob es die Durchführung von Sanktionen, Anerkennung von neuen Staaten, UNO-Resolutionen oder was auch immer geht.

Widerstand: nötig aber wie?
Die Arbeit gegen die Militarisierung der Außenpolitik muß mit Vorschlägen für vorbeugende und zivile Konfliktlösungen und für einen Ausgleich Nord-Süd und West-Ost verbinden. Das übliche Spannungsverhältnis zwischen den Bedürfnissen nach "Zuspitzung" und der Fülle von Themen im Rahmen der damit verbundenen eigenen Lösungsvorschläge kann dabei produktiv sein.

Auf dem Bonner Treffen wurden nicht nur Forderungen an staatliche Politik wie die Stärkung der Möglichkeiten der KSZE und die Demokratisierung der Vereinten Nationen gestellt, die "nicht länger Instrument für die Interessen der Großmächte", eine "Neue-Weltordnungs-UNO, sein dürfe, sondern auch Anforderungen an die Mitwirkung von gesellschaftlichen Gruppen und sozialen Bewegungen. Neben dem innenpolitischen Protest gilt es, eigene grenzüber¬schreitende Arbeitsmöglichkeiten zu er¬öffnen, wie sie bisher nur in Ansätzen in der Unterstützung und Zusammenarbeit mit Anti-Kriegs-Gruppen im ehemaligen Jugoslawien praktiziert werden. Solche Arbeit wird häufig mit Expertenwissen, professionell und weniger basisnah betrieben werden müssen

Die Chance, Menschen in unserer Gesellschaft zu überzeugen und zu gewinnen, wird auch davon abhängen, daß die viele Menschen bewegenden Sorgen ernstgenommen und ernsthafte, unbeschönigende Antworten gegeben  werden. Dann kann man den Menschen wohl auch einiges zumuten und für die Mitarbeit an den Problemursachen gewinnen. Viele Menschen in vergleichs-weise reichen Ländern sind innerlich zerrissen im Wunsch, einerseits den eigenen Besitzstand waren und so in der "Festung Europa" bleiben zu wollen, und dem Bedürfnis, die drängenden als Bedrohung empfundenen Probleme der Welt lösen zu helfen.

Nächste kleine Schritte gegen "out-of-area" werden die angesprochene Forderung nach "Interventionsverzicht" und die Verbreitung eines "Manifests aus der Friedensbewegung" zum Thema sein. Die Neuauflagen der von der Friedenskooperative herausgegebenen Informationsbroschüren werden aufgrund der Beratung ergänzt bzw. verändert.

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