Bombodrom für welchen Zweck?

von Heinz Britsche

Am 9. Juli 2003 bestätigte Bundesverteidigungsminister Struck, dass die Kyritz-Ruppiner Heide, eine Fläche von 142 Quadratkilometern, als Bombenabwurfgebiet und für Tieffliegerangriffe ab Mine August genutzt werden soll. Für den Rest des Jahres wären 630 Tiefflugübungen möglich, ein Drittel des geplanten Jahreskontingents von 1.700 Einsätzen. Die Entscheidung traf der gleiche Politiker, der als Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion 1992 die Aufgabe des Bombodroms, des einstigen sowjetischen Truppenübungsplatzes, gefordert hatte. So wie übrigens sein Vorgänger Scharping, Stolpe und Platzeck aus der gleichen Partei, damit ihnen die Wählergunst gewogen bliebe. Womit deutlich wird, was von Versprechungen so mancher Politiker zu halten ist. Bleibt die entscheidende Frage: Wozu braucht Struck ein Bombodrom? Er besitzt doch bereits Siegenburg und Nordhorn In den alten Bundesländern, die er nicht aufgeben will. Was steckt folglich hinter den Bombodrom-Absichten?

"Don, wir machen das!"
Struck hatte schon kurz nach seiner Amtseinführung erklärt, die Bundesrepublik werde heute am Hindukusch verteidigt! Haben etwa die Afghanen die Absicht, Deutschland zu überfallen? So wenig wie die Iraker mit atomaren, biologischen und chemischen Waffen, von denen die GIs bis heute keine im Zweistromland gefunden haben, die Vereinigten Staaten angreifen wollten, was sie auch technisch gar nicht könnten. Früher sagte man: Als erstes stirbt im Krieg die Wahrheit. Längst stirbt sie heute vor dem Krieg, weil die Lüge als erste Angriffswaffe eingesetzt wird. Die USA, die ohnehin nach dem zweiten Weltkrieg ihre Interessen mit mehr als 250 Militäraktionen und Interventionen durchzusetzen versuchten, haben unter George Bush junior gleich den permanenten Krieg gegen die erklärt, die sich nicht seinem Diktat beugen. Auf dem Luftwaffenstützpunkt Wright-Parterson erklärte der US-Präsident am Unabhängigkeitstag vor 25.000 Zuhörern: "Wir sind in der Offensive gegen die Terroristen und alle, die sie unterstützen. Unsere Nation ist noch immer im Krieg!" Seine Begründung für den Krieg gegen den Irak hat sich eindeutig als Lüge herausgestellt. In Washington nennt man die Interventionen Präventivkriege, obwohl es sich nach dem Völkerrecht eindeutig um Aggressionen handelt. Schon gibt es in der Bundesrepublik Politiker, die bereit sind, nachträglich den US-Krieg gegen den Irak zu rechtfertigen. Die Parlamentarier Klose (SPD) und Pflüger (CDU) nehmen Rumsfelds Offerte auf, NATO-Kontigente als Besatzungstruppen nach Bagdad zu schicken, so wie schon unter etwas anderen Bedingungen in Afghanistan. Wie sagte doch Klose, die Bundesregierung habe "kein Interesse daran, dass die Amerikaner im Irak in große Schwierigkeiten geraten"! Deshalb buhlte Fischer in Washington um gutes Wetter für sich, seinen Kanzler und Peter Struck. Als Rumsfeld vor Wochen den deutschen Verteidigungsminister ersuchte, die Truppenpräsenz der Bundeswehr am Hindukusch auszuweiten, war die Antwort: "Don, wir machen das!" So wie die US-Besatzer im Irak in großen Schwierigkeiten sind, befinden sich die deutschen ISAF-Soldaten in der Kabuler Klemme. Der kommandierende deutsche General meinte, um ins Land zu gehen, würden 100.000 weitere Soldaten benötigt, die keiner bereitstellen kann. Hier stößt der Größenwahn an seine Grenzen, das gilt auch für die USA. Wie gern hätte Rumsfeld den pyshus-siegreichen Feldzug gegen Saddam gleich gegen den Iran und Syrien weitergeführt, brauchte er nicht die Divisionen als Besatzungstruppen im Irak.

Proben für den nächsten Krieg
Wozu nun die Freie Heide in ein Bombodrom verwandeln? Jedem einigermaßen Gebildeten dürfte doch klar sein, dass man mit Tornado-Bomben keine Kofferbomben auf Bahnhöfen beseitigen kann. Tieffliegerangriffe, die man in der Kyritz-Ruppiner-Heide üben will, sind Vorbereitungen für den nächsten Krieg, dessen Opfer meistens unschuldige Zivilisten sind, wie im Irak, Afghanistan oder Serbien. Tausende, die als Kollateralschäden abgebucht wurden, im Totenregister der Kriegsgeschichte. Die aber wollen Politiker der NATO-Staaten weiterschreiben. Beim Treffen der NATO-Verteidigungsminister am 12. Juni 2003 in Brüssel erklärte Struck, es gebe keine Kriege konventioneller Art mehr. "Wir müssen uns mit so genannten asymmemachen Bedrohungen befassen!" Was war denn der USA-Krieg gegen Irak anderes als ein konventioneller Krieg, bei dem sogar eine Einsatzdrohung mit Atomwaffen im Hintergrund stand? Wie soll dann einer asymmetrischen Bedrohung mit Bombenangriffen begegnet werden, für den man als Übungsplatz das Bombodrom in Anspruch nehmen will? In Brüssel ging es um die NATO-Eingreiftruppe von 21.000 Mann, die in 30 Tagen als NATO-Response-Force an jeden beliebigen Ort der Welt im Einsatz sein soll. Von Verteidigung der NATO-Länder gegen einen Angriff ist nicht mehr die Rede. Es geht eindeutig um Interventionsstreitkräfte. Dafür das Bombodrom! Mit der Entscheidung des Gipfels von Porto Karras am 23. Juni 2003 für eine eigene Sicherheitsstrategie der EU begibt sich die Europäische Union auf den Weg zu einer Militärallianz, in der die einen den größeren Beitrag Europas zur transatlantischen Partnerschaft mit den USA und andere ein Element der Eindämmung amerikanischer Willkür sehen.

Wie dem auch sei: Die These von neuartigen Bedrohungen der Welt, auf die man glaubt neuartig reagieren zu müssen, ist bei beiden Lagern gleich. Jedenfalls das Eurokorps marschiert bereits, auch am französischen Nationalfeiertag unter einem deutschen General über die Champs-Elysie. Während Artikel 26 des Grundgesetzes jede Vorbereitung und Führung eines Angriffskrieges unter Strafe stellt, die Ächtung des Krieges zum Verständnis zahlreicher Politiker gehörte, folgte mit Beginns der neunziger Jahre die offizielle, regierungsamtliche Umdeutung in den Krieg als Ultima ratio, als letztes Mittel. Unter den Einfluss Washingtons begannen sich Präventivkriegsgedanken auszubreiten, die längst zum Krieg als zulässiges Mittel der Politik mutierten. Am 21. Mai 2003 wurden vom Verteidigungsminister die "Verteidigungspolitischen Richtlinien" erlassen. Im Punkt 1.5 heißt es, Verteidigung lässt sich "geographisch nicht mehr eingrenzen, sondern trägt zur Wahrung unserer Sicherheit hei, wo immer diese gefährdet ist". Wo liegt das Land in der weiten Welt, das die Bundesrepublik Deutschland gefährdet? Am Hindukusch, am Euphrat, auf der koreanischen Halbinsel oder hinter dem Zagros-Gebirge? Krieg wird in den Richtlinien als Mittel legitimiert, um andere Staaten zur Abrüstung zu zwingen. Darin spiegelt sich die Anmaßung, wie für Washington längst typisch, anderen den Willen aufzuzwingen, ohne zu irgendwelcher Gegenleistung bereit zu sein. Im Abschnitt VI. über den Auftrag der Bundeswehr heißt es, sie "sichert die außenpolitische Handlungsfähigkeit" der Regierung, "leistet einen Beitrag zur Stabilität im europäischen und globalen Rahmen ..." Was heißen "Handlungsfähigkeit und Stabilltät"? Sicherung der Profitquellen für jene, die als Global Player andere Länder ausnutzen (Blut für Öl), die als Spekulanten täglich Milliarden Euros und Dollars um den Globus jagen, für die 400 Milliarden, die über so viel Vermögen verfügen wie die Hälfte der Weltbevölkerung, und das sind immerhin 3 Milliarden Menschen! Wer dafür ein Bombodrom braucht, der will bomben und damit töten.

Das Buch zur Heide
Buch "Freie Heide: Bombodrom - nein danke!" wieder erhältlich
Rechtzeitig zum erneuten Klagebeginn der Bürgerinitiative FREIe HEIDe gegen die militärische Nutzung des Truppenübungsplatzes in der Kyritz-Ruppiner Heide durch die Bundeswehr ist das Buch "Freie Heide: Bombadrom - nein danke!" wieder käuflich erhältlich. Mit den Erlösen aus dem Verkauf wird die Klage unterstützt.

In der Inhaltszusammenfassung des Buches heißt es: "Ab 1950 richtete sich die sowjetische Besatzungsarmee zwischen den Städten Wittstock, Rheinsberg, Neuruppin und Kyritz im Norden Brandenburg seinen 142 Quadratkilometer großen Bombenabwurfplatz in absichtlicher Nahe zu Westberlin ein. Seit dem Abzug der russischen Truppen beansprucht die Bundeswehr als selbst-ernannte Rechtsnachfolgerin der Roten Armee das zwangsenteignete Gelände, ohne das übliche Planfeststellungsverfahren einzuleiten.

1992 entstand eine große Protestbewegung unter dem Namen FREIe HEIDe - über 100.000 Menschen haben sich seitdem an über 80 Protestwanderungen und anderen Aktionen beteiligt. Ein breites Bündnis aus Anlieger- und Kirchengemeinden, Bauern, kulturellen Einrichtungen, Umweltvereinen, Kreis-, Landtags- und Bundesabgeordneten und vielen anderen setzt sich für die zivile Nutzung des Geländes ein."

Das Buch gibt mit Berichten, Reden, Fotos und Dokumenten Einblick in eine bis heute sehr lebendige Bürgerinitianve.

Erwerb des Buches und Rückfragen an: Norbert Wilke, Pressesprecher der GRÜNEN LIGA Brandenburg, Lindenstr. 34, 14467 Potsdam, Tel.: 0331/2015520, Fax 0331/2015522, E-Mail: potsdam @gmeneliga.de

Wer wirklich Frieden will, braucht kein Bombodrom. Auch an ihm scheiden sich die Geister. Somit wird die Freie Heide zum Prüfstein der Politik und der Politiken Der Widerstand der Bürger gegen die militärische Nutzung der Kyritz-Ruppiner-Heide begann 1992 und ist noch längst nicht am Ende.
 

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Heinz Britsche ist aktiv beim Deutschen Friedensrat