Politischer Drahtseilakt zwischen "Bullen und Bürgern"

Bonner Forum BürgerInnen und Polizei

von Mani Stenner
Schwerpunkt
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Eine gemeinsame Initiative haben Menschen aus politisch ar­beitenden Gruppen und aktive Angehörigen des Polizeidienstes gegründet - zwei Grup­pen, die sich, gerade auch in der Bundesstadt Bonn, oft ge­nug "auf verschiedenen Seiten der Barrikade" gegenüberste­hen.

Insgesamt ist das Klima zwischen Poli­zei und politisch arbeitenden Gruppen entspannter als z.B. in Berlin, München oder Hamburg. Bonn hatte keine ähnli­chen Polizeiskandale und es gibt lang­jährige Erfahrungen von Kooperation und Deeskalation auch bei problemati­schen Demonstrationen, die zum Schlagwort "Bonner Linie" geführt ha­ben. Dies schien gefährdet, als am 18. August 94 eine Demonstration von PKK-Sympathisanten nach Auflösung durch die Polizei in Gewalttätigkeiten endete. Trotz und wegen der massivem Kritik am polizeilichen Vorgehen such­ten "Bür­gerInnen" und "PolizistInnen" anschließend nach neuen Wegen des Dialogs.

Zunächst wurden in einem Streitge­spräch im örtlichen Stadtmagazin "Schnüss" und in einer öffentlichen Ver­anstaltung mit großer Beteiligung von PolizistInnen und Menschen aus politi­schen Initiativen der umstrittene Einsatz "nachbereitet" und dabei Vor­schläge angerissen, wie sich das Risiko von Prügeleinsätzen künftig verringern läßt.

Diese konstruktive Erfahrung soll jetzt auf vielen Ebenen fortgeführt werden. Aus einem Gesprächskreis wurde schnell eine feste Initiative und einge­tragener Verein, der Möglichkeiten zu Diskussion und Streitgespräch, zu mehr Transparenz der polizeilichen (auch Alltags-) Arbeit eröffnen will. Gemein­sam treten die beiden Gruppierungen im Bonner Forum ein "für eine an Frei­heits- und Bürgerrechten orientierte, transparente und bürgernahe Polizei und eine stärkere Verankerung der Menschen-, Bürger- und Freiheitsrechte in der Gesellschaft" (Satzung).

Anders als Initiativen, die vorrangig auf einer "Innen-" (z.B. BAG Kritische Po­lizistinnen und Polizi­sten) oder einer "Außenansicht" (z.B. Projekte wie "Bür­ger beobachten die Polizei") basie­ren, steht beim Bonner Forum BürgerInnen und Polizei der gleichberechtigte offene Dialog und der Aufbau einer neuen Form der Streitkultur im Mittelpunkt. Der Verein ist für alle Beteiligten ein politischer Drahtseilakt und wird von vielen PolizistInnen wie auch kritischen Gruppen in Bonn misstrauisch beäugt. Jeder Anschein von Kun­gelei oder Ver­brüderung wäre das politi­sche Aus und allen Beteiligten ist klar, daß jeder mögliche "Loyalitätskonflikt" von Poli­zeiseite grundsätzlich zugunsten der Behörde bzw. des bekleideten Amtes gelöst wird. Der wichtigste Grundsatz der Arbeit ist, daß keine der beiden Gruppen die an­de­re "über den Tisch ziehen" kann. Für al­le Entscheidungen ist jeweils die Mehr­heit aus beiden Gruppen erforder­lich.

Unter den Mitgliedern sind auf Polizei­seite Bonner Beamtinnen und Beamte aller "Laufbahngruppen" vertreten, Lei­ter von Bonner Polizeiinspektionen wie Beamte aus den Einsatzhundertschaften; auf "BürgerInnen"-Seite Menschen aus der Friedens-, Men­schenrechts- und Frauenbewegung, der Nicaragua- und Kurdistan-Solidaritätsarbeit, kirchliche Mitar­beiter und Journalisten. Beide Gruppen haben durchaus verschiedene Motivationen zur Teilnahme.

Der Versuch, eine Klimaverbes­se­rung zwischen Polizei und Gesell­schaft zu fördern, schließt gerade auf BürgerIn­nenseite die Suche nach har­ter, sachli­cher Auseinanderset­zung auch über die oft auf Schlagzeilen verkürzten "Skan­dalthemen" ein, wie z.B. Rassis­mus in der Polizei, Übergrif­fe im Dienst, Ein­kesselungen und Schlag­stockeinsatz bei Demonstratio­nen, Ver­halten von Poli­zeizeugen bei Gericht, Vorgehen des Staatsschutzes usw..

Zum gemeinsamen Ziel einer trans­parenteren Polizei wollen die PolizistIn­nen des Bonner Forums auch "persön­liche Transparenz" beitragen. Sie enga­gieren sich bewusst in ihrer Freizeit, um nicht (lediglich) als "Funktionsträger des Apparats", sondern ganzheitlich, als "BürgerIn mit und ohne Uni­form" wahrgenommen zu werden und wollen insgesamt auch das Berufs­bild der Poli­zei in der Gesellschaft ver­bessern. Hinzu kommt der nur sel­ten mögliche unmittelbare und gleichbe­rechtigte Dialog zwischen Beamten aller drei Laufbahnen außerhalb des Dienst­weges.

Das Forum will gemeinsam über Proble­me und strukturelle Mängel in der Poli­zei diskutieren, konstruktive Vor­schläge für Reformen und zur Verbesse­rung des Verhältnisses Gesellschaft und Polizei und öffentliche Stellungnahmen zu Fra­gen der "Inneren Sicherheit" erar­beiten. Dazu stehen einige Projekte auf der Wunschliste, für die jeweils noch der Bonner Polizeipräsident und der Innen­minister NRW überzeugt werden muß:

So sollen weitere Hospitationen interes­sierter BürgerInnen im polizeilichen Alltag, u.a. in der Form teilnehmender Beobachtung im Streifendienst, ermög­licht werden. Fünf Mitglieder der Initia­tive durften dies bereits und alle Betei­ligten haben damit positive Erfahrungen gemacht und einiges gelernt.

 

Gewünscht ist u.a. auch, ausgewählte Demo-Einsätze nachzubereiten, mög­lichst gemeinsam mit der Polizeieinsatz­leitung und der Veranstaltungsleitung. So würde die Initiative nicht nur unter­einander, sondern auch für Dritte "Mediation" versuchen. Schließlich soll mittelfristig eine gemeinsame öffentli­che Anlaufstelle für BürgerInnen und PolizistInnen eingerichtet werden.

"Standbein" der Initiative werden Ar­beitstreffen und öf­fentliche Themen­abende zu Fragen der "Inneren Sicher­heit" und Polizei blei­ben. Erstes Thema: "Rassismus in der Polizei".

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