Bougainville: Krieg und Frieden im Südpazifik

von Volker Böge
Hintergrund
Hintergrund

Seit dem Januar diesen Jahres gibt es begründete Aussicht darauf, daß der längste und blutigste Krieg im Südpazifik seit dem Zweiten Weltkrieg endlich beendet wird. Die Kriegsparteien einigten sich auf einen Waffenstillstand und die Einleitung eines Friedensprozesses. Die Rede ist vom Krieg auf der staatsrechtlich zu Papua-Neuguinea gehörenden Insel Bougainville. Dort bekämpften sich - von der Weltöffentlichkeit weitgehend unbeachtet - seit 1988 die Streitkräfte der papuanischen Zentralregierung und die sezessionistische "Bougainville Revolutionary Army" (BRA), die für eine unabhängige "Republik Bougainville" kämpft. Der fast ein Jahrzehnt andauernde Krieg hat - direkt und indirekt - mehr als 15.000 Menschenleben gefordert.

Karte: Bougainville + Bula

Die Auseinandersetzungen auf der 8.800 Quadratkilometer großen (das entspricht etwa der Größe Zyperns), von rund 160.000 Menschen bewohnten Salomonen-Insel hatten sich am Streit um eine der weltgrößten Tagebauminen - die Panguna-Kupfermine -, die vom australischen Bergbaukonzern CRA (Conzinc Riotinto of Australia) betrieben wurde, entzündet. Diese 1972 eröffnete Mine bildete in den 70er und 80er Jahren das Rückgrat der Volkswirtschaft Papua-Neuguineas (PNG). Der Minenbetrieb hatte im Laufe der Jahre zu erheblichen Umweltzerstörungen und damit zur Gefährdung der materiellen Existenzgrundlage sowie der traditionalen Lebensweise der einheimischen Bevölkerung geführt. Nachdem Forderungen der lokalen landbesitzenden Clans im Minengebiet nach Kompensationen für die Umweltschädigungen und nach Umweltschutzauflagen von seiten des Bergbaukonzerns und der Zentralregierung PNG`s abgelehnt worden waren, legten Einheimische seit dem November 1988 den Minenbetrieb durch Sabotageaktionen still. Die Zentralregierung reagierte im März 1989 mit der Entsendung ihrer Streitkräfte, der Papua New Guinea Defence Forces (PNGDF), auf die Insel. Angehörige der Clans aus dem Minengebiet bildeten daraufhin die BRA, der Konflikt eskalierte zum Krieg.

Der Kriegsverlauf

Der BRA gelang es in der ersten Phase des Krieges, große Teile der Bevölkerung Bougainvilles auf ihre Seite zu ziehen und mit ihrer Guerillakriegführung militärische Erfolge gegen die Regierungstruppen zu erzielen. Im März 1990 mußten sich die PNGDF nach einem Waffenstillstand sogar gänzlich von Bougainville zurückziehen. Die Zentralregierung verhängte daraufhin eine totale Blockade über die Insel, in deren Folge Tausende von Menschen starben (insbesondere wegen Medikamentenmangels und fehlender medizinischer Versorgung). Als Reaktion auf die Blockade proklamierte die BRA im Mai 1990 einseitig die Unabhängigkeit der "Republik Bougainville" und etablierte eine Regierung, das Bougainville Interim Government (BIG). Seit 1992 eroberten Regierungstruppen nach und nach den größeren Teil der Insel und insbesondere die Städte zurück. Sie wurden dabei unterstützt von einheimischen Kräften, den sog. Resistance Forces, die sich aus Unzufriedenheit mit der BIG/BRA-Herrschaft gebildet hatten und für den Verbleib der Insel bei PNG eintraten. Die BRA konnte insbesondere Gebiete im Zentrum der Insel um die Panguna-Mine herum und im Süden halten.

Mehrere Versuche zu einer Kriegsbeendigung und zu einer friedlichen Lösung des Konflikts scheiterten in den Jahren bis 1997. Zugleich gelang es keiner Seite, einen militärischen Sieg zu erringen. Die letzten Anstrengungen der Zentralregierung, eine "militärische Lösung" herbeizuführen, endeten im Desaster. Im Sommer 1996 brach eine großangelegte Offensive der Regierungstruppen - "Operation High Speed II" - nach mehreren Wochen zusammen. Und im Frühjahr 1997 scheiterte der Versuch des Premierministers Chan, durch den Einsatz einer britisch-südafrikanischen Söldnertruppe, die von den berühmt-berüchtigten Söldnerfirmen Sandline International und Executive Outcomes gestellt wurde, die Panguna-Mine zurückzuerobern und die BRA zu zerschlagen: Große Demonstrationen in der Hauptstadt Port Moresby, an denen sich auch viele Soldaten der PNGDF beteiligten, zwangen Chan zum Rücktritt und die Söldner außer Landes.

Die nach den Neuwahlen vom Juni 1997 gebildete neue Regierung des Premierministers Bill Skate sprach sich gegen jegliche Versuche einer "militärischen Lösung" des Bougainville-Konfliktes aus und erklärte sich zu Verhandlungen mit BIG/BRA bereit. Zu dieser konzilianteren Haltung der papuanischen Seite hat neben den militärischen Mißerfolgen sicher auch die gewandelte Position der australischen Regierung beigetragen. Australien hatte PNG während des Krieges stets eindeutig unterstützt; die PNGDF wurden massiv von Australien ausgerüstet und ausgebildet, und es läßt sich sagen, daß ohne australische Hilfe PNG nicht in der Lage gewesen wäre, den Krieg auf Bougainville zu führen. In Australien aber setzte sich in den letzten Jahren die Überzeugung durch, daß es keine "militärische Lösung" des Bougainville-Konflikts geben könne. Und so verurteilte Australien denn auch das Söldner-Abenteuer der Regierung Chan und drängte die papuanischen Partner, sich um eine friedliche Lösung zu bemühen.

Friedensbemühungen

Unter diesen Bedingungen kam es seit dem Juni 1997 in der Nähe der neuseeländischen Stadt Christchurch im Militärcamp Burnham zu Gesprächen zwischen den Kriegsparteien. Einem ersten informellen Treffen vom 13. bis 15.6. folgten vom 5. bis 18.7. Verhandlungen zwischen BIG/BRA einerseits sowie den Resistance Forces und der mit der papuanischen Zentralregierung kooperierenden Provinzregierung Bougainvilles (Bougainville Transitional Government - BTG) andererseits. Ergebnis war die sog. Burnham Declaration, in der sich alle Parteien zu einer Friedenslösung verpflichteten. Es folgte vom 1. bis 10.10. eine weitere Gesprächsrunde (Burnham II), an der nunmehr auch die Zentralregierung PNG`s teilnahm. Man einigte sich auf eine (befristete) Waffenruhe (Burnham Truce), die von einer neutralen internationalen Beobachtergruppe überwacht werden sollte.

Im November 1997 nahm diese Truce Monitoring Group (TMG), bestehend aus Personal aus Neuseeland, Australien, Fiji und Vanuatu, ihre Arbeit auf. Die Waffenruhe wurde weitgehend eingehalten. Auf Bougainville kam es vielerorts zu lokalen Friedens- und Versöhnungstreffen zwischen den verfeindeten Seiten. Vom 19. bis 24.11. gab es ein weiteres Treffen von BIG/BRA, BTG und Zentralregierung im australischen Cairns, auf dem Verhandlungen zwischen den politischen Führungen der Kriegsparteien für Januar 1998 vorbereitet wurden.

Diese Verhandlungen fanden dann vom 18. bis 23. Januar 1998 in der Lincoln-Universität von Christchurch statt. Am letzten Verhandlungstag wurde das sog. "Lincoln Agreement on Peace, Security and Development on Bougainville" unterzeichnet. Darin einigte man sich auf einen permanenten Waffenstillstand, der am 30.4. in Kraft treten soll. Bis dahin soll die bereits bestehende Waffenruhe fortgelten und die TMG auf Bougainville bleiben. Dann soll die TMG von einer neuen internationalen Beobachtergruppe mit neuem Mandat abgelöst werden (dabei kann es sich um eine UN-Friedenstruppe handeln). Ferner einigte man sich darauf, daß die PNGDF etappenweise und parallel zum Aufbau einer bougainvilleanschen Polizei unter ziviler Kontrolle von Bougainville abgezogen werden sollen. Gleichzeitig sollen die BRA und die Resistance Forces ihre Waffen in Zusammenarbeit mit der neu zu entsendenden internationalen Beobachtertruppe niederlegen. Die Kämpfer von BRA und Resistance sollen demobilisiert werden; zum Teil sollen sie in die neu zu schaffende Polizei eingegliedert werden. Noch vor Ablauf des Jahres soll es auf Bougainville freie demokratische Wahlen zu einer "Regierung der Versöhnung" geben, die dann an die Stelle von BIG einerseits und BTG andererseits treten soll. Noch in der ersten Jahreshälfte soll es darüber hinaus neue Verhandlungen - diesmal auf Bougainville selbst - geben, in denen es dann auch um den künftigen politischen Status der Insel gehen soll. Diese prekäre Frage wurde bei den bisherigen Verhandlungen ebenso ausgeklammert wie die Frage der Zukunft der Panguna-Kupfermine. Hier aber liegen die entscheidenden Hindernisse für eine dauerhafte friedliche Lösung des Konflikts. Noch stehen sich in diesen Fragen unvereinbare politische Positionen der Kontrahenten gegenüber:

- BRA und BIG bestehen auf dem "Recht auf Selbstbestimmung" für das "Volk" von Bougainville
  und auf politischer Unabhängigkeit; die Panguna-Mine soll stillgelegt bleiben.

- Das BTG strebt ein Höchstmaß an Autonomie für Bougainville im Staatsverband PNG`s an; über die
  Mine soll später entschieden werden.

- Die Zentralregierung lehnt sowohl Unabhängigkeit als auch weitgehende Autonomie für Bougainville
  ab, Bougainville soll eine Provinz wie jede andere PNG`s sein; die Panguna-Mine soll wieder in
  Betrieb genommen werden.

Es wird Aufgabe der kriegsmüden und sehnlichst nach Frieden verlangenden Bevölkerung Bougainvilles sowie der internationalen Staatengemeinschaft und Zivilgesellschaft sein, die Kriegsparteien trotz dieser konträren Positionen auf den Weg eines auf Dauer gestellten Friedensprozesses zu drängen.

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