Boykott als Atomprotest?

von Uwe Möller

Eines ist richtig: der Boykott von Shell war ein voller Erfolg. Aber leider ist auch dies richtig: Verbraucherboykotte sind fast immer erfolglos. Und dies stimmt mit Sicherheit: der Boykott französischer Waren wird ein Flop werden.

Ein Blick in die Erfolgsbilanz der Shell-Aktion macht deutlich, warum ein Boy­kott französischer Waren ohne Chancen ist. Erstens: der Boykott hatte einen ein­deutigen Sündenbock. Shell war ver­antwortlich, Shell wurde boykottiert. Zweitens: der Boykott war eine be­queme Sache. Niemand mußte auf ir­gendwas verzichten. Alle konnten genauso viel Autofahren wie vorher auch, und jeder weiß, mit Benzin von Aral oder Esso geht dies genauso gut wie mit dem von Shell.

All dies gilt für einen Wein-, Auto-, Par­fum- und Käse-Boykott nicht. Die Atomversuche wurden vom französi­schen Staatspräsidenten beschlossen. Doch mit dem Boykott wird der franzö­sische Staatspräsident nur sehr indirekt getroffen. Getroffen würden höchstens Winzer, Käsefabriken und der Handel. Daß Monsieur Chirac in die Knie geht, weil eine Käserei in der Normandie Umsatzeinbußen verzeichnet, ist eher nicht zu erwarten. Auch daß Käsereien und Winzer zu den heftigsten Verfech­tern französischer Atomtests zählen, wäre neu. Der Boykott wird also wenig wirksam sein, und: selbst wenn er denn wirkte, träfe er die Falschen.

Wie absurd die Boykott-Aufrufe sind, wird deutlich, wenn man sich den Fall auf Deutschland bezogen vorstellt. An­genommen, die deutsche Regierung be­schlösse eine Aufrüstung der Bundes­wehr. Proteste landauf, landab wären si­cherlich die Folge. Aber würde dann ir­gendjemand bei uns auf die Idee ver­fallen, 4711-Produkte zu meiden, Mo­sel-Winzer zu boykottieren und vom VW Golf auf Fiat uno umzusteigen?

Und noch etwas kommt hinzu. Der Frankreich-Boykott hat keine Chancen, weil er längst nicht so einfach zu ver­wirklichen ist wie der Shell-Boykott: französischer Camembert ist nun mal nicht identisch mit deutschem Weich­käse, und oft macht erst eine genauere Untersuchung des Etiketts deutlich, ob der Käse aus Frankreich stammt oder vielleicht aus Belgien oder Bayern. Erst recht gilt dies für Parfum. Französischer Wein ist zwar leicht zu erkennen, aber wer Bordeaux- oder Loire-Weine liebt, steigt nicht einfach auf italienischen Wein um. Der Konsum französischer Produkte, vor allem von Käse, Wein und Parfum, ist für viele Teil einer Le­bensart, auf die nicht leicht verzichtet werden würde. Chianti statt Bordeaux ist eben etwas ganz anderes als Aral statt Shell.

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Uwe Möller ist Wirtschaftsredakteur beim Westdeutschen Rundfunk in Köln.