Eine Woche vor Ostern rufen wir mit unserem Aufruf "Kriege stoppen - Frieden und Abrüstung jetzt! " in mehreren Zeitungen zur Teilnahme an den Ostermärschen 2025 auf. Hilf auch du mit bei der Mobiliserung!
Hearing "BRD und Atomwaffen: Atomare Teilhabe oder Atomwaffenverzicht?"
BRD - Atomwaffen-Exportland Nr. 1
vonAls in der zuständigen Kommission der UNO und im Auswärtigen Amt die Vorbereitungen für die nach 1975, 1980 und 1985 vierte öberprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag vom 20. August bis 14. September 1990 in Genf getroffen wurden, konnte niemand damit rechnen, daß diese Konferenz mitten in die heiße Zeit des Wiedervereinigungs-Wahlkampfes fallen würde.
Aber auch ohne dies hätte die öberprüfungskonferenz genug Gesprächsstoff geboten: Im Januar 1988, als in Hanau die Atomfässer überliefen, mußte der hessische Ministerpräsident Wallmann auf eine Frage von Joschka Fischer einräumen, er könne nicht ausschließen, daß mit den Atomexporten der Atomwaffensperrvertrag verletzt worden sei. Der daraufhin eingesetzte Hanau-Untersuchungsausschuß (ein Grüner Abschlußbericht wird gerade fertiggestellt) förderte eine solche Menge halb- bzw. illegaler Atom(export)geschäfte zutage, daß die BRD international zum Proliferationsland Nr. 1 avancierte (Proliferation = Weiterverbreitung). So wird der BRD in einer erst kürzlich veröffentlichten Studie der Washingtoner Carnegie-Friedensstiftung vorgeworfen, daß durch ihre Exporte Länder wie Pakistan, Indien, Argentinien und Brasilien eigene Atomwaffen entwickeln konnten. Diese internationale Atomwaffen-Kooperation verhalf der BRD zu einem umfangreichen Know, wodurch die Deutschen in puncto Atomwaffen-Technologie zu einer führenden Macht geworden sind.
... und der atomare Status eines wiedervereinigten Deutschlands?
Die aktuellen politischen Entwicklungen (Wiedervereinigung; sicherheitspolitische Neuordnung Europas) stellen die Frage des Verhältnisses zu den Atomwaffen zusätzlich von einer anderen Seite: Welchen "atomaren Status" wird ein wiedervereinigtes Deutschland in Zukunft haben? Zwar hat Kohl bei seinem aktuell vollzogenen Druchmarsch zur Wiedervereinigung vor allem die ökonomische Macht der BRD im Rücken. Doch in der Vergangenheit gab es stets ein Jammern, daß der "ökonomische Riese" BRD nur ein "atomarer Zwerg" sei, und von der Vorstellung, daß Deutschlands Weltmacht zumindest durch die Mitverfügung über Atomwaffen untermauert werden müsse, hat sich die offizielle Sicherheitspolitik bis heute nie verabschiedet. In der Vergangenheit mußte die BRD der Weltkriegsvergangenheit mit den widerstrebend abgegebenen - und unzulänglichen - Atomwaffenverzichten von 1954 (NATO-Beitritt) und 1974/5 (Ratifikation des Atomwaffensperrvertrages) Tribut zollen. Außerdem nutzte die BRD die Atomwaffen-Drohung des NATO-Partners USA schon seit Jahrzehnten für druckvolle Weltmachtpolitik.
Inzwischen haben Kohl und Genscher durch ihre machtvolles Auftreten im Laufe des letzten Jahres die Schatten der deutschen Kriegsvergangenheit hinter sich gelassen - der SPIEGEL titelte (30/90): "Der Krieg ist zu Ende." Gleichzeitig hat die NATO auf ihrer Frühjahrstagung 1990 den Atomwaffeneinsatz ganz weit nach hinten geschoben - eine Situation ähnlich derer, die Helmut Schmidt 1977 veranlaßt hatte, die Stationierung der "Ankopplungswaffen" Pershing II und Cruise Missiles zu fordern. Nach herrschender sicherheitspoltischer Logik ist somit wieder "Gefahr im Verzug", nach neuen Möglichkeiten atomarer Mitverfügung im europäischen Rahmen wird daher Ausschau gehalten.
Auch 1990: Zweifel an der "Atomwaffen-Unschuld" der BRD sind angebracht
Im Herbst werden zwei Gesetze in 2. Lesung ins Parlament kommen, in deren Zusammenhang Zweifel an der "Atomwaffen-Unschuld aufkommen lassen: Zum Grünen Gesetzentwurf "Atomwaffenverzicht ins Grundgesetz" haben die Regierungsparteien ihre Ablehnung erklärt. Die SPD hat zwar auf ihrem Programmparteitag im Dezember 1989 beschlossen: "Der Verzicht auf ABC-Waffen soll verfassungsrechtlich abgesichert werden." Realität ist aber noch ihr Gegenantrag zur Grünen Grundgesetz-Initiative, in dem eine verfassungsrechtliche Verankerung nicht vorgesehen ist. Bei dem zweiten Gesetz, dem Ratifikationsgesetz der Zusatzprotokolle zur Genfer Konvention zum Kriegsvölkerrecht von 1949, hat die Bundesregierung einen Zusatz eingebaut, der besagt, daß die völkerrechtliche échtung des Waffeneinsatzes nicht für den Atomwaffeneinsatz gelten soll. Frage: Warum hält sich die BRD völkerrechtlich die Möglichkeit eines Atomwaffeneinsatzes offen? Weitere Fakten, die Zweifel aufkommen lassen, ist die geplante Beteiligung der BRD-Luftwaffe an dem Jäger-Geschwader, welche mit atomaren Abstandswaffen (TASM) ausgerüstet werden sollen. Auch der jüngste Vorstoß von Kohl und Mitterrand zur Bildung einer "Europäischen Politischen Union" analog zur Wirtschafts- und Währungsunion wirft Fragen auf, denn der Atomwaffensperrvertrag sieht vor, daß eine solche Union mit gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik den Status eines seiner Mitgliedsstaaten, also z.B. den atomaren Status Frankreichs übernehmen kann, der dann auch für ein wiedervereinigtes Deutschland gälte.
Diese kurz angerissenen Problembereiche sollen auf der Wochenendveranstaltung am 15./16. September in Bonn diskutiert werden. Dabei wird es auch um friedenspolitische Konsequenzen gehen: Ist ein Wiedervereinigtes Deutschland bereit, einen umfassenden Verzicht auf Atom- und andere Massenvernichtungswaffen in der Verfassung festzuschreiben? In Diskussion mit VertreterInnen aller Parteien soll sich dann auch zeigen, wie glaubwürdig der von Kohl gegenüber Gorbatschow erklärte ABC-Waffen-Verzicht (Punkt 8 der Gemeinsamen Erklärung) und die Programmaussage der SPD vom Dezember-Parteitag 1989 ist.