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Bundesrepublik ohne Armee- jetzt erst recht
von"Vor uns liegt die Chance, für uns und für zukünftige Generationen eine neue Weltordnung zu formen, in der die Herrschaft des Gesetzes und nicht die Herrschaft des Dschungels das Verhalten von Nationen leitet." (Präsident Bush in seiner Rede am Tag des Angriffs auf den Irak)
Diese "neue Weltordnung", von der Präsident Bush spricht, hat bekanntlich Geschichte. Schon Roosevelt nahm für die USA das Recht in Anspruch, eine "internationale Polizeigewalt" gegenüber den Nachbarn aus der sog. Dritten Welt auszuüben. Auch vor dem Golfkrieg schon führten westliche Länder, allen voran die USA, Kriege um militärische Vorherrschaft, um Rohstoffe und Märkte. Nur geschah dies - von unserer Warte aus - im Schatten des Ost-West-Konfliktes. Strategische Konzepte wie "AirlandBattle 2000" und "Low-Intensity Warfare" sagten Mitte der achtziger Jahre vorher, daß Konflikte "im Süden" zukünftig noch eine größere Bedeutung erlangen würden. Trotzdem hat hierzulande wohl kaum jemand damit gerechnet, daß so schnell und mit so viel Elan daran gegangen würde, ein Jahr nach Ende des Ost-West-Konfliktes mit der Unterstützung des ehemaligen Erzfeindes die "neue Weltordnung" zu schaffen.
Krieg und Frieden
Der Schock war groß, auch und besonders für die Friedensbewegung. Diese war gerade dabei gewesen, sich in ihrer überwiegenden Mehrheit hinter die Forderung nach einer BRD ohne Armee zu stellen. Bevor nach der Zukunft dieser Kampagne gefragt wird, muß daher analysiert werden, was eigentlich im Golfkrieg mit der Bewegung passiert ist.
Einen Anteil an dem Schock hatte sicherlich, daß der Kontrast zwischen den Hoffnungen und Visionen des Jahres 1989/90, mit großen Schritten zu einer zivilen, nichtmilitärischen Gesellschaft bzw. Europas zu kommen und der Realität eines internationalen Krieges besonders groß war. Aber das alleine erkl„rt nicht das kopflose, ausgewählte Bild, das zumindest Teile der alten Friedensbewegung der achtziger Jahre vor und während des Krieges abgaben. Entscheidender sind da in meinen Augen drei weitere Faktoren: Zum einen mußte sich die alte Friedensbewegung nie mit der Frage auseinandersetzen, was zu tun wäre, wenn tatsächlich ein Land ein anderes angreift. Diese Frage war für den Ost-West-Konflikt irrelevant gewesen, weil weitgehend Konsens darin bestand, daß die angebliche Gefahr durch den Warschauer Vertrag nur ein Feindbild darstellte und keine reale Bedrohung. Man/Frau war PazifistIn oder war es nicht; in der praktischen Arbeit der Kampagnen spielte es kaum eine Rolle. Daher konnten manche Nicht-PazifistInnen selbst die Forderung nach der Abschaffung der Bundeswehr unter dem Eindruck des Zusammenbruchs des Ostblocks mit unterstützen, weil sie keinen Bedarf an einem Militär mehr sahen, und waren doch anfällig fr die Propaganda von einem gerechten Krieg gegen den Irak.
Den zweiten Faktor wrde ich mit der "antifaschistischen Tradition" umschreiben, in der sich viele in der Friedensbewegung stehen sehen. Zu dieser Tradition gehört nicht nur eine große Sensibilität gegenber der Israel-Problematik, sondern auch die nachträgliche Bejahung des Engagements der Alliierten im Zweiten Weltkrieg, da dies als der einzige Weg zur Befreiung vom Faschismus angesehen wird. Die Gleichsetzung Husseins mit Hitlers wie die Bedrohung Israels ausgerechnet durch mit deutscher Hilfe produziertem Giftgas sind - gewiß nachvollziehbare - Gründe für manche, nicht nur die vieldiskutierten Intellektuellen Biermann und Enzensberger, gewesen, den Krieg gegen den Irak zu bejahen. In meinen Augen haben sie allerdings einige Dinge übersehen: Zum Beispiel, daß Israel aller Voraussicht nach nie angegriffen worden wäre, hätte man nach Ablauf des Ultimatums auf die "militärische Option" verzichtet; daß nach der Meinung anerkannter Wissenschaftler das Embargo gerade begann, Wirkung zu zeigen und gengt hätte, ein paar weitere Monate abzuwarten, bis der Irak gezwungen gewesen wäre, nachzugeben; daß es viele Möglichkeiten einer gewaltfreien Konfliktlösung gegeben h„tte (Mitterand-Initiative, Nahostkonferenz usw.); und welche unabschätzbaren Risiken einer Konflikteskalation in dem gewählten Weg lagen.
Der dritte Faktor wirkte in anderer Weise als die beiden vorigen. Führten die ersten beiden zu Verunsicherung, welche Position gegenber dem Krieg eingenommen werden solle (bis zu seiner Befürwortung), diente der dritte als Katalysator fr die Anstrengungen, den Krieg in letzter Minute doch noch zu verhindern bzw. ihn zu stoppen. Gemeint ist die Angst vor der Apokalypse, die die Menschen gegen die Mittelstreckenraketen mobilisierte und deren Schemata und Warnungen teilweise gerade zu stereotypenhaft auf den drohenden Krieg im Golf übertragen wurden. Es soll hier nicht bestritten werden, daß solche Gefahren wie die beschriebenen - sowohl bezglich des Einsatzes atomarer Waffen wie der ökologischen Folgen - tatsächlich bestanden. Es darf auch nicht übersehen werden, daß das Ausmaß der menschlichen wie ökologischen Katastrophe für den Irak und Kuwait derzeit noch nicht absehbar sind. Aber: die ganz große Katastrophe ist halt nicht eingetreten und wie viele Menschen, die in den ersten Tagen des Krieges auf der Straße waren, teilen jetzt wohl die Auffassung der Politiker und Militärs, daß ein Krieg tatsächlich wieder führbar ist?
Krieg als Mittel der Politik?
Die Rechtfertigung von Krieg als Mittel der Politik scheint mir eines der größten Probleme zu sein, dem sich diejenigen stellen müssen, die so starrköpfig sind, an der Forderung nach der Abschaffung des Militärs festzuhalten. Ihr kann weniger mit apokalyptischen Visionen begegnet werden als mit einigen kleinen Fragen. Solche Fragen könnten zum Beispiel lauten:
- Gibt es wirklich "notwendige" und "unvermeidbare" Kriege? Aggressionen durch einzelne verbrecherische Regime sind vielleicht tatsächlich unvermeidbar. Aber gibt es nicht andere Wege, darauf zu antworten, durch gewaltfreien Widerstand, politische Konfliktlösungen und dem aktiven Beitrag zu gerechten Strukturen der Weltwirtschaft anstelle der Förderung undemokratischer Regierungen aus eigennützigen wirtschaftlichen Interessen heraus?
- Wem nützt der entsprechende Krieg? Wer profitiert davon, wer leidet darunter? Diese Frage sollte nicht pauschal beantwortet werden ("die USA", "der Irak"), sondern möglichst nach einzelnen Interessengruppen differenziert.
- Ist Krieg tatsächlich noch mit dem vereinbar, was die meisten Menschen hierzulande als ihre ethische Prinzipien betrachten wurden? Ist es hinnehmbar, daß Menschen in zwei Kategorien aufgeteilt werden, in Soldaten (= diejenigen, die im Krieg legal get”tet werden dürfen) und Zivilisten (deren Tötung als "kollaterale Schäden" bezeichnet wird)?
- Ist es nicht an der Zeit, die in der Menschenrechtscharta definierten Grundrechte ber Staatsraison und überlieferten Militarismus zu stellen? Zwingen sie nicht dazu, die Abschaffung des Militärs zu fordern statt Krieg unter bestimmten Umständen -etwa wenn durch die UNO verh„ngt - als legitim zu betrachten? Militär ist die Negation des Rechts auf Leben, selbst wenn sein Einsatz nicht - und diese Gefahr besteht ja ständig im Atomzeitalter zur totalen Vernichtung führt, sein Einsatz bedeutet die Berufung auf die Macht des Stärkeren, er schafft Unfreiheit statt Freiheit zu garantieren, Militär zerstört die Umwelt nicht nur im Krieg, es ist das Mittel zur Unterdrückung demokratischer Bewegungen, trägt als patriarchale Institution weltweit zur Unterdrückung der Frau bei und verursacht Hunger und Armut usw.
BoA- jetzt erst recht!
Das alles sind Grnde genug, an der Forderung nach der Abschaffung von Rüstung und Militär, speziell der deutschen Rüstungsindustrie und der Bundeswehr festzuhalten. Sicher sind die Voraussetzungen hierfür nach dem Golfkrieg schwieriger geworden. Es ist dürfte ein noch längerer Atem von nöten sein, als letztes Jahr abzusehen war. Vielleicht kann etwas Kraft aus der Erinnerung an das Jahr 1990 und seine Hoffnungen gesch”pft werden. Zugegebenermaßen war es eine Illusion zu glauben, daß das Ende des Ost-West-Konfliktes den Frieden bringen wrde. Aber diese Monate haben ermöglicht, zu sehen, was jenseits von Krieg und Militarismus möglich sein, wie viel lebenswerter es ohne Angst, Haß und Feindschaft zugehen könnte.
Die Schwierigkeiten, mit der Forderung nach der Abschaffung der Bundeswehr Geh”r zu finden, sollten nicht entmutigen. Im Gegenteil: Ich möchte sogar behaupten, daß die sich jetzt abzeichnenden drei Schwerpunkte der Weiterarbeit der Antikriegs-und Friedensbewegung nicht ohne die Forderung nach der Abschaffung der Bundeswehr erfolgversprechend verfolgt werden können.
- Keine Ausweitung der Einsatzmöglichkeiten für die Bundeswehr
Die Aussage "Ohne Uns" ist nur dann von national-chauvinistischen Beiklängen freizuhalten, wenn sie einhergeht mit der Forderung nach einer anderen Politik. Eben einer Politik der ökonomischen Selbstbeschränkung, des Hinwirkens auf Konfliktlösungen ohne Gewalt und der prinzipiellen Absage an Gewalt als Mittel der Politik. Es geht ja nicht darum, daß andere (die USA zum Beispiel) in unserem Auftrag Krieg führen, sondern daß wir nicht wollen, daß berhaupt jemand Krieg fhrt. Wir wollen keine Ausweitung der Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr, sondern im Gegenteil ihre Abschaffung. - Verbot von Rüstungsexporten
Wie von den VertreterInnen dieser Kampagne selbst dargelegt wird, ist ein totales Verbot von Rüstungsexporten nur realisierbar bei gleichzeitiger Einstellung der Rüstungsproduktion und der Konversion der betroffenen Wirtschaftszweige. Dies ist immer einer der zentralen Bestandteile der BoA-Kampagne gewesen. - Abschaffung der Wehrpflicht
Nicht nur die Anti-Wehrpflichtkampagne, sondern auch Politik und Militär diskutieren ber die Zukunft der Wehrpflicht, auch wenn dies selten auf den Titelseiten der Zeitungen erscheint. Es scheint zumindest denkbar, daß mittelfristig auf die Wehrpflicht zugunsten einer Berufsarmee verzichtet und/oder eine allgemeine zivile Dienstpflicht mit der Wahlmöglichkeiten Militärdienst eingeführt wird. So wünschenswert in meinen Augen die Abschaffung des Zwanges, Kriegsdienst (mit oder ohne Waffen) zu leisten, ist, so wenig wünschenswert sind die von den Politikern diskutierten Alternativen. Deshalb kann auch hier die Forderung nur lauten: Abschaffung der Wehrpflicht als erster Schritt zur Abschaffung der Bundeswehr, kein Aufbau einer Berufsarmee (oder einer europäischen Interventionstruppe) und Schaffung von besser bezahlten Arbeitsplätzen im Sozialwesen anstatt der Dienstpflicht.