Rüstungsproduktion

Bundesverwaltungsgericht stärkt Petitionsrecht

von Hermann Theisen
Hintergrund
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Anfang Mai hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass das Landratsamt Rottweil verpflichtet gewesen ist, eine Heckler+Koch-kritische Petition an die Mitglieder des Kreistags Rottweil weiterzuleiten. 2016 hatte die Behörde die Weitergabe verweigert, was eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Freiburg nach sich gezogen hat, um im Rahmen einer Feststellungsklage den damit einher gehenden Verstoß gegen das Petitionsrecht feststellen zu lassen.

In einem der Leitsätze des Bundesverwaltungsgerichts heißt es nun: „Die Praxis eines Landratsamtes, als Geschäftsstelle des Kreistages, bei ihm eingehende, an sämtliche Kreistagsmitglieder adressierte Schreiben von Privatpersonen generell nicht an die Mitglieder des Kreistages weiterzuleiten, ist mit Art. 17 GG nicht vereinbar“ (Urteil vom 06.05.2020 - BVerwG 8 C 12.19). Und im schriftlichen Urteil heißt es unmissverständlich: „Nach Art. 17 GG hat jedermann das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. Unter Bitten sind Forderungen und Vorschläge zu verstehen, die auf ein Handeln oder Unterlassen von staatlichen Organen, Behörden und sonstigen Einrichtungen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, gerichtet sind. Beschwerden sind Beanstandungen, die sich gegen ein Handeln oder Unterlassen dieser Stellen wenden. Gegenstand einer Petition kann eine Eingabe in eigener Sache, für andere oder im allgemeinen Interesse sein. Es steht jedermann frei, sich durch eine Petition für die Förderung welchen Anliegens auch immer einzusetzen.“

Damit geht eine ganze Reihe von Gerichtsverfahren zu Ende, die die Verteilung von Heckler+Koch-kritischen Flugblättern nach sich gezogen hat. Vor dem Sitz des Waffenherstellers im baden-württembergischen Oberndorf wurden die Flugblätter 2016 zweimal an Werksmitarbeiter verteilt, worauf Andreas Heeschen (Hauptanteilseigner der Waffenschmiede) über eine Freiburger Anwaltskanzlei Strafanzeige erstattete und daraufhin die Staatsanwaltschaft Rottweil aktiv wurde. Zunächst wurde ein Strafverfahren wegen des Verdachts einer Öffentlichen Aufforderung zu Straftaten gem. §111 StGB eingeleitet und ein diesbezüglicher Strafbefehl erlassen, der von der Anklagebehörde kurz vor der bereits terminierten Hauptverhandlung dann aber wieder zurückgekommen worden ist. Wenig später kam es zu einem erneuten Strafbefehl, diesmal wegen des Verdachts des Hausfriedensbruchs gem. §123 StGB, weil die Flugblätter auf dem Heckler+Koch-Gelände verteilt worden sind. In der darauf folgenden Hauptverhandlung kam es dann aber zu einem Freispruch, nachdem nicht einmal der als Zeuge vorgeladene Ex-Justitiar des Waffenherstellers mit Sicherheit sagen konnte, wo die Grundstücksgrenzen der Waffenschmiede verlaufen und ob die Verteilung somit auf bzw. außerhalb der Grundstücksgrenzen verlaufen war.

Vor dem Amtsgericht Oberndorf kam es zudem zu einem Ordnungswidrigkeitsverfahren, weil die Flugblätter auf einem Gehweg verteilt worden sind und zuvor keine dafür notwendige Sondernutzungserlaubnis (für den Gehweg) eingeholt worden sei. Das Verfahren wurde dann aber eingestellt, weil die von der Polizei  vorgelegten Beweise aus Sicht des Amtsgerichtsdirektors unzureichend gewesen sind.

Vor dem Verwaltungsgericht Freiburg kam es schließlich zu drei Verfahren, nachdem das Landratsamt Rottweil ein Flugblattverteilverbot ausgesprochen hatte, die Flugblätter während einer Verteilaktion beschlagnahmen ließ und sich zudem weigerte, eine Petition (mit den Flugblättern) an die Kreisräte weiterzuleiten. 2017 erklärte das Verwaltungsgericht Freiburg das behördliche Vorgehen in den beiden ersten Klagen als verfassungswidrig (Verstoß gegen Meinungsfreiheit und Versammlungsrecht), während die Behörde in der dritten Klage Recht bekam, was nun vom Bundesverwaltungsgericht aber abschließend korrigiert worden ist. Das zeigt einmal mehr, dass ein langer Atem durch die juristischen Instanzen durchaus lohnenswert sein kann.

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