Bundeswehr-Ehrenmal? - In meinem Auftrag nicht

von Ulrike Gramann

Die klugen Köpfe der Frankfurter Allgemeinen erklären ja alles, und so erklärten sie am 3. Juni 2007, warum dem geplanten Bundeswehrehrenmal die Namen der im Dienst ums Leben gekommenen Bundeswehrsoldaten nicht eingemeißelt werden: Dann müsste man ja entscheiden, "wie viel Platz auf dem Stein für neue Opfer gelassen würde, was mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Gegenstand politischer Grundsatzdebatten über die Auslandseinsätze würde". Stimmt. Politische Grundsatzdebatten, wer kann die schon wollen? Dafür wurde die Sache mit den Namen gelöst: Ein elektronischer Katalog, eventuell umgesetzt in lichttechnische Projektion, wird mehr Speicherplatz bieten, als uns allen lieb sein kann.

Ende 2005 sprach der Bundesverteidigungsminister erstmals öffentlich über ein zentrales Ehrenmal der Bundeswehr. Die Anregung habe er von Bundeswehrsoldaten in Afghanistan empfangen.

Nun ist es nicht so, dass der Bundeswehr weder Zeremoniell noch Orte des Gedenkens zur Verfügung stünden: Ein Bundeswehrsoldat, der im Ausland ums Leben kommt, wird durch ein "würdiges Trauer- und/oder Überführungszeremoniell" im Einsatzland, gegebenenfalls eine "zentrale Gedenkfeier in Deutschland und/oder die Trauerfeierlichkeiten in den Heimatstandorten" geehrt; die Bestattung wird mit "militärischen Ehren" ausgestaltet. Gedenktafeln der KFOR, SFOR, ISAF befinden sich an den jeweiligen Einsatzstandorten. Die Teilstreitkräfte Marine, Heer und Luftwaffe verfügen über je ein Ehrenmal in der Bundesrepublik usw. Bislang genügte das, um an 2.600 Soldaten zu erinnern, die seit Gründung der Bundeswehr im Dienst starben, meistens durch Unfälle. Weder die Wehrpflichtigen unter ihnen, die unsinnige Befehle ihrer Vorgesetzten mit dem Leben bezahlten, noch Soldaten, die unter Alkoholeinfluss unsachgemäß mit Munition hantierten, und auch nicht jene Unfallopfer, die ohne eigenes oder fremdes Verschulden zu Tode kamen, boten in 40 Jahren den Anlass für ein zentrales Ehrenmal.

Erst die bis jetzt 69 Soldaten (Stand 15. Juni), die seit 1992 in Auslandseinsätzen der Bundeswehr ums Leben kamen, bewegten den Verteidigungsminister zu dem Entschluss, sie offiziell und zentral zu ehren. Diese 69 Soldaten starben ebenfalls überwiegend bei Unfällen, mehrere auch durch Anschläge krimineller Art. Bisher wurden keine Bundeswehrsoldaten in Kampfhandlungen getötet, wobei es vermutlich nicht bleiben wird.

Nach Jungs erstem Vorstoß, der ausschließlich den Auslandstoten galt, brachten einzelne Bundestagsabgeordnete ins Gespräch, dass auch EntwicklungshelferInnen, MitarbeiterInnen von Nichtregierungsorganisationen usw. gewürdigt werden sollten. Um dieser Kritik zu begegnen, entschied Jung im Juli 2006: "Es wird dem Gedenken an alle getöteten Soldaten und zivilen Toten der Bundeswehr gewidmet." Er erweiterte den Kreis der zu ehrenden Soldaten: Es bleibt aber bei der Intention, im Zuge "neuer Aufgaben" einer umstrukturierten Bundeswehr neue Legitimationsstrategien und Formen der Öffentlichkeitsarbeit zu finden.

Eine vom Verteidigungsminister berufene Findungskommission präsentierte Mitte Juni 2007 den Entwurf des Münchner Architekten Andreas Meck, der im Bendlerblock errichtet werden soll, dem Berliner Sitz des Verteidigungsministeriums. Bis hierher wurde jeder von Jungs Schritten öffentlich dargestellt. Jung vorzuwerfen, er habe die Pläne um das Ehrenmal "hinter dem Rücken des Bundestags" gesponnen, ist unredlich bis verlogen. Bis zur Vorstellung des Entwurfs nahm keine einzige Bundestagsfraktion Jungs Initiative zum Anlass, das Thema in den Bundestag einzubringen, lediglich einzelne Abgeordnete äußerten sich. Mehrere sprachen sich für einen Standort am Bundestag aus, denn die Bundeswehr sei eine "Parlamentsarmee". Damit nehmen sie in Kauf, dass die Auftraggeberschaft für dieses Ehrenmal einer Selbstbezichtigung gleichkommt. Selbst VertreterInnen der Linksfraktion vermieden bis zur Vorstellung des Entwurfs eine erkennbare Stellungnahme pro oder kontra Ehrenmal und äußern sich eher zum Wie und Wo.

Dieser Diskurs ohne prinzipielle Infragestellung bewirkt vor allem, dass das Projekt um so sicherer realisiert wird, je mehr Einzelpersonen ihre Meinung zu Einzelfragen abgegeben haben. Das heißt nicht, dass ästhetische oder Standortfragen aus militärkritischer Sicht nur langweilen. Sicher hat die ins Auge gefasste Gestaltung, ein rund 40 Meter langes und zehn Meter hohes Bauwerk mit Andachtsraum und darin einem altarähnlichen Objekt, umschlossen von durchbrochenen Platten, die die Form soldatischer Erkennungsmarken (im Militärjargon: Hundemarken) aufgreifen, politisch-ideologische Aspekte.

Grundsätzliche Fragen aber sind: Wollen wir, dass Bundeswehrsoldaten in Auslandseinsätze geschickt werden? Wollen wir eine Politik des militärischen Intervenierens in aller Welt? Wer diese Fragen mit Nein beantwortet, kann die Frage nach einem zentralen Bundeswehr-Ehrenmal nicht bejahen.

Der Entschluss, im Einsatz ums Leben gekommener Bundeswehrsoldaten mit einem Kriegerdenkmal öffentlich und offiziell zu gedenken, an zentralem und symbolträchtigem Ort, ist folgerichtig: Spätestens seit den Einsätzen der Bundeswehr in Afghanistan kann in der Öffentlichkeit weder das Thema der "deutschen Interessen" noch der kriegerische Charakter der Einsätze verschleiert werden. Die frühere Praxis, Auslandseinsätze der Bundeswehr ausschließlich humanitär darzustellen, ist nun aufgegeben. Das liegt unter anderem daran, dass die faktische Akzeptanz für die Auslandseinsätze heute weit größer ist als beispielsweise zu Zeiten des Angriffs auf Jugoslawien. Zwar äußern BundesbürgerInnen im Fall konkreter Einsätze in Umfragen zu mehr als 50 Prozent Ablehnung, wie zuletzt beim Beschluss, Tornados in Afghanistan einzusetzen. Massenhaft dagegen protestieren sie dennoch nicht. Mehrere hunderttausend hat zuletzt der Irakkrieg auf die Straße gebracht, und die protestierten im wesentlichen gegen den Krieg der USA, nicht gegen die Politik der damaligen Schröder-Fischer-Regierung. Wer deren wichtige logistische Unterstützung eines nach den Regeln des Völkerrechts illegalen Krieges kritisierte, stand ziemlich allein auf weiter Flur. Für den Großteil der Bevölkerung war das kein Skandal. Und ob heute die direkte Beteiligung an militärischen Aktionen abgelehnt, ignoriert oder toleriert wird, hängt von den konkreten Umständen ab.

Das Verteidigungsministerium möchte offensichtlich Werte setzen, für die größere politische und persönliche Risiken in Kauf genommen werden. Deshalb knüpft das Projekt eines zentralen Ehrenmals für getötete SoldatInnen der Bundeswehr an die Debatte um den so genannten Ehrenschutz für Bundeswehrsoldaten an. In den 1990er Jahren plante die Bundesregierung einen § 109b Strafgesetzbuch, in dem "Verunglimpfung" und "Herabwürdigung" von Soldaten mit bis zu 3 Jahren oder Geldstrafen belegt werden sollten. Dabei ging es nur vordergründig um Schutz vor Diffamierung. Gesellschaft und Soldaten sollten die Spezifik soldatischer Tätigkeit akzeptieren, wenn sie eigenen Staatszielen dient.

Zur Gewöhnung an diese Spezifik gehört, dass die Medien heute gehäuft über Bedrohung, Tod und Traumatisierung von Bundeswehrsoldaten berichten und Soldaten als Opfer zeigen. Wer in Ausübung einer gefährlichen Tätigkeit in Kriegs- und Krisengebieten stirbt, sei es durch Unfall, verbrecherische Anschläge oder Kampfhandlungen, ist ja auch ein Opfer. Ist er Soldat, kann er aber auch zum Täter geworden sein. Die private Trauer der Hinterbliebenen ist immer berechtigt. Aber wir dürfen nicht zur Tagesordnung übergehen. Genau das bedeutet nämlich die Errichtung dieses Ehrenmals: Es normalisiert das Sterben und Töten im Krieg. Die offizielle Ehrung entlastet den Bundestagsabgeordneten X davon, durch sein Abstimmungsverhalten höchstpersönlich den Soldaten Y in den Tod geschickt zu haben. Die Fiktion der Ehre entlastet den Soldaten Y, der sich freiwillig entschieden hat, erst das Soldatenhandwerk zu lernen und dann einen Befehl auszuführen, der ihn beispielsweise in einen grundgesetzwidrigen Einsatz führte.

Ein Ehrenmal hat den Zweck, die Todesopfer zu überhöhen und Fragen nach dem Sinn und den politischen Hintergründen dieser Opfer sakrosankt erscheinen zu lassen. Wer das nicht will, darf nicht Auftraggeber dieses Ehrenmals werden.

Mehr dazu: Ulrike Gramann, Zuviel der Ehre: Ehrenschutz und Bundeswehrehrenmal. Positionenpapier 5 der Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung. www.asfrab.de

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Ulrike Gramann ist Journalistin und Mitarbeiterin der Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung in Berlin.