Syrienkampagne

Bundeswehreinsatz ohne Ende

von Kathi Müller
Initiativen
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Am 24. Oktober 2019 hat der Deutsche Bundestag zum vierten Mal die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Syrien (und Irak) beschlossen. Mit 343 Ja-Stimmen gegenüber 275 Nein-Stimmen bei 3 Enthaltungen hat der Bundestag dem Antrag der Bundesregierung zugestimmt. Damit werden deutsche SoldatInnen bis mindestens zum 31. Oktober 2020 weiter irakische Streit- und Sicherheitskräfte ausbilden. Die deutschen Beiträge zur luftgestützten Aufklärung sowie zur Luftbetankung werden bis zum 31. März 2020 fortgesetzt.
All das, obwohl die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in der Debatte zur Mandatsabstimmung im Oktober 2018 noch angekündigt hatte, den Einsatz der deutschen Tornados und Tankflugzeuge über Syrien bis zum 31. Oktober 2019 beenden zu wollen. In ihrer Rede im Bundestag lobte sie Deutschlands militärischen Beitrag, der laut von der Leyen dazu beigetragen hatte, dass der IS erfolgreich zurückgedrängt werden konnte. Zwar befanden sich nach Angaben von der Leyens damals noch immer 20.000 aktive IS-Kämpfer im Untergrund, die weiterhin verdeckt operierten und die andauernde Aufklärung aus der Luft notwendig machten, trotzdem wollte man diese Aufgabe nur noch für ein weiteres Jahr übernehmen und dann an Partner in der sogenannten Anti-IS-Koalition übergeben. Bestärkt wurde diese Äußerung von einem Kabinettsbeschluss, der die Beendigung des Mandats noch einmal bestätigte.

Das MACHT FRIEDEN-Kampagnenteam hatte deshalb in den letzten Monaten langsam damit begonnen, das Ende der Kampagne vorzubereiten. Die Erstellung einer Abschlussdokumentation wurde vorbereitet, letzte Termine wurden vereinbart. Die letzte Aktion vor dem Bundestag wurde geplant und Mitte Oktober in Berlin durchgeführt. Im Mittelpunkt stand dabei das Gedenken an die weit über 400.000 Todesopfer des Krieges.

Dank der Stimmen von CDU und SPD hat sich der Abzug der Bundeswehr aber erst einmal erledigt. Die Arbeit der MACHT FRIEDEN-Kampagne gegen die deutsche Beteiligung am Krieg in Syrien geht damit weiter.

Außenminister Heiko Maas argumentierte kurz vor der diesjährigen Abstimmung über das Syrienmandat im Bundestag, dass das Chaos in Nordostsyrien, wie er die Folgen des völkerrechtswidrigen Angriffes der Türkei auf Syrien bezeichnete, gezeigt hätte, dass der IS nicht vollständig besiegt sei. Eigentlich keine Neuigkeit, denn auch ein Jahr zuvor hielten sich in Syrien und Irak noch immer fast 20.000 IS-Kämpfer auf. Trotzdem hatte die Bundesregierung das Ende des Auslandseinsatzes der Bundeswehr in Syrien beschlossen. Dass eine Terrorgruppe wie der IS, dessen Ideologien in den Köpfen seiner AnhängerInnen auch im Untergrund weiterleben, durch Militär nicht „vollständig besiegt“ werden kann, sollte auch dem Außenminister klar sein. Trotzdem bat Maas in seiner Rede an den Bundestag um Zustimmung für die erneute Verlängerung des Einsatzes zum Kampf gegen den IS.

Was steckt also wirklich hinter dem plötzlichen Sinneswandel von SPD und CDU? SPD-Fraktionschef Mützenich, der sich im Jahr zuvor für den erwähnten Kabinettsbeschluss zur Beendigung des Einsatzes in Syrien eingesetzt hatte, diesen zur Bedingung für die Zustimmung der SPD-Fraktion zu einer weiteren Verlängerung machte und eine Fortsetzung des Einsatzes nach Oktober 2019 bis zuletzt vehement ausschloss, musste am Ende nachgeben. Die Begründung, die für die Kehrtwende der SPD geliefert wurde, war so simpel wie ernüchternd: Der Abzug der Bundeswehr sei nicht ausreichend vorbereitet worden. Ursula von der Leyen hätte es während ihrer Amtszeit versäumt, Partner aus der sogenannten Anti-IS-Koalition zu finden, die künftig die militärischen Aufgaben der Bundeswehr in Syrien übernehmen könnten. Ein starkes Stück, ein Trauerspiel, sollte das der tatsächliche Grund für die Verlängerung eines Auslandseinsatzes der Bundeswehr sein. Nun kann man dieser Erklärung Glauben schenken oder nicht. Abwegig wäre aber auch die Vermutung nicht, der Kurs der neuen Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer hänge mit der Verlängerung des Mandates zusammen. Seit ihrem Amtsantritt im Juli propagiert sie mit einer unheimlichen Selbstverständlichkeit beinahe dauerhaft neue und größere Auslandseinsätze der Bundeswehr.

Fakt ist: Der Einsatz in Syrien, der nach Auffassung der MACHT FRIEDEN-Kampagne, völkerrechtlich weiterhin nicht zu begründen ist, geht weiter. Obwohl US-amerikanische Truppen sowie französische und britische Spezialeinheiten ihre bisherigen Posten in Syrien längst verlassen haben, fragt sich, wer die Daten, die durch die deutsche Luftaufklärung gewonnen werden, noch braucht und nutzt. Die USA blockieren zurzeit die Fernstraße von Bagdad nach Damaskus im Süden Syriens in al-Tanf und sind vorwiegend damit beschäftigt, syrische Ölfelder zu „sichern“. Damit besteht die Gefahr sowohl der Konfrontation mit Syrien und Russland, wie auch einer Verwicklung in den weiter schwelenden Konflikt zwischen den USA und Iran. Die deutschen Luftwaffeneinheiten bleiben somit in einer brandgefährlichen Konfliktregion stationiert. Die Kampagne wird in den nächsten Monaten deshalb vor allem bei den Verantwortlichen nachhaken, wie es um den Fortschritt bei den Vorbereitungen zum Abzug der Bundeswehr aus Jordanien bestellt ist.

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Kathi Müller ist Mitarbeiterin des Netzwerks Friedenskooperative