Chemnitzer Ostermarsch

von Jens Wilde
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Zu den Osteraktivitäten berichten wir stellvertretend für viele Aktivitäten aus Chemnitz. Bei manchen westdeutschen Friedensgruppen war die "traditionelle" Aktionsform des "Ostermarsch-Zählappells aus den Zeiten der Blockkonfrontation" durchaus umstritten. Sie ließen es - für dies Jahr - ganz oder konzentrierten sich auf Diskussionsveranstaltungen.

Zum 3. Mal fand am 17. April 1992 der Chemnitzer Ostermarsch statt. In dieser Form wurde er schon zum 2. Mal organisiert von der Interessengemeinschaft Ostermarsch und der Friedensinitiative Chemnitz. Unterstützt wurden die Organisatoren vom Arbeitslosenverband, dem DGB, der PDS und weiteren Vereinigungen der Stadt.

Pünktlich  um 9 Uhr machten sich rund 150 FriedensfreundInnen unter dem Motto "Für soziale Gerechtigkeit und radikale Senkung des Rüstungshaushaltes" vom Treffpunkt Rathaus aus auf den Weg zur Bundeswehrkaserne Frankenberg. Im Stadtgebiet wurde der Zug von einem verhältnismäßig großem Polizeiaufgebot begleitet, das bei seinem Eintreffen deshalb mit viel "Hallo" begrüßt wurde. Doch wie in den vergangenen Jahren klappte auch dieses Jahr die Zusammenarbeit mit der Polizei sehr gut.

Auf dem Weg durch die Stadt schloß sich der eine oder andere noch dem Zug an. Neugierige Blicke von Anwohnern, Autofahrern, Fußgängern begleiteten den Ostermarsch bis an die Stadtgrenze von Chemnitz, wo alles schon für eine Rast vorbereitet war. Am Gasthaus Brettmühle konnten Jung und Alt bei Tee und Fettbroten ihre Kräfte auffrischen. Auch die Polizei langte kräftig zu. Nach dieser Stärkung ging es weiter nach Frankenberg. Auf dem Marktplatz von Frankenberg schlossen sich FriedensfreundInnen aus dem umliegenden Orten dem Zug an, der weiter zur Bundes-wehrkaserne führte. Von der Videokamera eines Diensthabenden beobachtet, versammelten sich die Teilnehmer zum Abschluß dieser 1. Etappe zu einer kurzen Kundgebung. Studentenpfarrer Hans-Jochen Vogel betonte die Notwendigkeit solcher Aktionen auch in Zeiten, wo die Menschen viele persönliche Probleme drücken und nur schwer zu mobilisieren sind. Weiter ging Pfarrer Vogel auf die Problematik der Kriegsdienstverweigerung ein und forderte Straffreiheit und Ent-kriminalisierung von Totalverweigereren. Er verwies dabei auf die inoffizielle Handhabung in der DDR.

Mit Blick auf die hohen Arbeitslosenzahlen in Sachsen forderte Günter Minge vom Arbeitslosenverband wie auch Hubert Ginschel vom PDS-Stadtverband die Bereitstellung von Mitteln zur Schaffung neuer Arbeitsplätze statt zur Finanzierung der Arbeitslosigkeit. Weiter plädierten sie für eine Verkleinerung der Bundeswehr und die Abschaffung der Wehrpflicht.

Mit Aufrufen zu Toleranz und Gewaltlosigkeit endete die Kundgebung.

Diese Aufrufe müssen bei dem "videobegeisterten" Diensthabenden der Kaserne auf fruchtbaren Boden gefallen sein. Er bedankte sich für den friedlichen Verlauf und wünschte den Versammelten ein "Frohes Osterfest".

Von Frankenberg machten sich dann ca. 70 Ostermarschierer auf den Weg nach Dresden. Erste Station war Freiberg. Übernachtet wurde in einer Turnhalle.

Am Sonnabend ging es dann mit dem Zug nach Klingenberg-Colmnitz und zu Fuß weiter nach Freital. Hier trafen die Osterradler aus Leipzig auf die erschöpften Chemnitzer.

Gemeinsam wurde am Sonntag die letzte Etappe nach Dresden zurückgelegt. Nach dem Marsch durch die Innenstadt versammelten sich die Ostermarschierer zusammen mit FriedensfreundInnen aus Hoyerswerda und Dresden zu einer Abschlußkundgebung an der Ruine der Frauenkirche. Zu den rund 200 Versammelten sprachen u.a. Ernst Woit (Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrechten und Menschenwürde) und Fritz Rick (Sächsische Friedensinitiative). Wie schon in Frankenberg for-derten auch hier die Redner die Entmilitarisierung Deutschlands und die Bereitstellung von Rüstungsmitteln für soziale Belange und zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Trotz der zahlenmäßig eher geringen Beteiligung bekundeten sowohl Teilnehmer wie auch Organisatoren die Notwendigkeit solcher Aktionen. Sie können zeigen, daß es durchaus noch Menschen gibt, die bereit sind, weiterhin ihre Stimme zu erheben und sich einzumischen.

Der diesjährige Ostermarsch war ein erster Schritt auf dem Weg zur engeren Zusammenarbeit sächsischer Friedensgruppen.

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