Neues Palnspiel zu zivilem Engagement in internationalen Konflikten

Civil Powker

von Sandra Bauske

Täglich berichtet die Tagesschau von Krisen, Kriegen und Konflikten in der Welt. So landet das Leid aus der Ferne im eigenen Wohnzimmer und hinterlässt vielfach ratlose, manchmal abgestumpfte Gesichter. Eine scheinbare Ohnmacht, dass man ja selbst nichts dagegen machen könne, führt nicht selten in unserer Bevölkerung auch zum verstärkten Ruf nach der so genannten internationalen Gemeinschaft, die mittels eines Militärschlags den „Frieden sichern“ soll. So haben wir es zuletzt mit Libyen und Syrien erlebt. Ein Militäreinsatz zur Gewalteinhegung scheint also hierzulande ein recht bekanntes Interventionsmittel zu sein. Weitaus weniger bekannt sind hingegen all die zivilen Mittel, die wir in Deutschland auch haben, um uns vor der eigenen Haustür gegen globale Gewalteskalationen zu engagieren. Ein neu entwickeltes Planspiel namens Civil Powker soll junge Menschen nun dafür inspirieren.

Bei Civil Powker bespielen Schülerinnen und Schüler ihre Handlungsmöglichkeiten in Deutschland anlässlich eines konkreten, irgendwo in der Welt ausbrechenden Konfliktes. Dafür schlüpfen junge Menschen ab 14 Jahre in individuelle Rollen aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik, gestalten diese aus, beschäftigen sich mit ihren verschiedenen Interessen und Werten, lernen Verflechtungen kennen und empfinden Einflussmöglichkeiten nach. Ziel des eintägig konzipierten Planspiels ist es, die existierenden Handlungsspielräume in Deutschland vor allem im zivilgesellschaftlichen, aber auch im wirtschaftlichen und parteipolitischen Bereich aufzuzeigen und erfahrbar zu machen. Das Spektrum und die Anzahl möglicher Handlungsoptionen, mit denen „gepokert“ wird, ist so breit wie hoch: Die Zivilgesellschaft kann bspw. Großdemonstrationen organisieren, mit der Bevölkerung im Konfliktland über das Internet Kontakt aufnehmen oder Friedensfachkräfte entsenden. Allerdings können sie auch ihren Alltag fortsetzen oder sich für eine Verschärfung des Asylrechts einsetzen. Politikerinnen und Politiker können z. B. nicht nur in Friedensvermittlungen diplomatisch aktiv werden oder Waffenexporte verbieten, sondern auch einen militärischen NATO-Eingriff unterstützen. Und die Gruppe der UnternehmerInnen hat sowohl die Möglichkeit, Kapitalanlagen einfrieren zu lassen, als auch Waffenlieferungen an oppositionelle Kräfte zu starten. Vieles kann nur mit Hilfe der Zustimmung bzw. Unterstützung der anderen Gruppen umgesetzt werden – deshalb diskutieren die Jugendlichen im Spiel und feilschen wahlweise um die civil-, policy- oder economy-power Punkte der Anderen. Insgesamt werden durch das Planspiel jede Menge Themen und Kontroversen angerissen, die je nach Bedarf in der Auswertung und Nachbereitung aufgegriffen werden können und sollten. Freilich kann ein acht-Stunden-Workshop nur Impulse setzen. Die Hoffnung aber ist, dass bei dem Einen oder der Anderen die eine oder andere Möglichkeit im Gedächtnis haften bleibt, wie man auch hierzulande gewaltfrei für Menschenrechte in anderen Ländern aktiv werden kann.

Wer steckt dahinter?
Die Idee zu dem Planspiel stammt von Karl-Heinz Bittl. Das Projekt liegt in der Trägerschaft des Fränkischen Bildungswerks für Friedensarbeit e.V. und des Friedenskreis Halle e.V. liegt und wird von AGDF, EAK (im Rahmen des Projekts Friedensbildung, Bundeswehr und Schule) und der EKM unterstützt. Das dreiköpfige Entwicklerteam, bestehend aus Karl-Heinz Bittl, Elli Mack und Sandra Bauske, wurde Ende 2011 konkret in der Ideensammlung und -zusammenbindung tätig. Es folgte ca. ein halbes Jahr, in dem die Spielidee erarbeitet, geprüft, verworfen, abgewandelt wieder aufgenommen, verfeinert und (re-)formuliert wurde. Im Mai 2012 fand in Halle/Saale ein erstes Testen mit erwachsenen FriedenspädagogInnen und -aktivistInnen statt. Eine zweite Überarbeitungsphase folgte, und es gab erste Durchführungen mit Schulklassen in Nürnberg und Halle/Saale. In einer nochmals überarbeiteten Variante wird das Konzept nun zum Jahresende mittels einer MultiplikatorInnenschulung verbreitet. Bis Schuljahresende sollen die dort qualifizierten TrainerInnen Civil Powker an verschiedenen Schulen durchführen. Ihre gemachten Erfahrungen und Anregungen werden gesammelt und fließen in die Fertigstellung ein. Zudem werden bis zum Sommer 2013 Vor- und Nachbereitungsmaterialien, ein überarbeitetes Nachrichtenschau-Video und ein einschlägiges Layout erarbeitet. Eine weitere MulitplikatorInnenschulung rundet dann die Planspielentwicklung ab und macht den Weg frei für dessen großräumige Verbreitung.

Civil Powker ist im übertragenen Sinne sicher nur ein Tropfen auf den heißen Stein gegenwärtiger Resignation. Gerade bei den jungen Menschen jedoch, die in einer Welt aufwachsen, in der Waffengewalt medial allgegenwärtig ist und Egoismus als erfolgversprechendes Karriererezept gilt, kann Civil Powker Impulse setzen. In diesem Sinne brauchen wir auch die vielen geplanten  wichtigen Tropfen, um diesen Stein langfristig und wirksam auszuhöhlen.  

Bundesweiter Ansprechpartner für das Planspiel ist Karl-Heinz Bittl im Fränkischen Bildungswerk für Friedensarbeit e.V.(info [at] eiccc [dot] org, 0173-8063071, Hessestr.4, 90443 Nürnberg). Planspieldurchführungen im mitteldeutschen Raum werden zudem vom Friedenskreis Halle e.V. organisiert (friedensbildung [at] friedenskreis-halle [dot] de, 0345-27980710; Große Klausstraße 11; 06108 Halle/Saale).

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Sandra Bauske ist Mitarbeiterin des Friedenskreis Halle.