Das Neueste zu EU-Waffenexporten und geduldigem Papier

"Code of Conduct"

von Thomas Klein
Hintergrund
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Ende Mai verständigten sich die Außenminister der EU auf ein gemeinsames Regelwerk für Waffenexporte. Der britische Außenminister Robin Cook, der im ersten Halbjahr 1998 Vorsitzender des EU-Ministerrats ist, bezeichnete das Ergebnis, einen gemeinsamen Verhaltenskodex bei Rüstungsgeschäften auf EU-Ebene gefunden zu haben, als "doppelten Schritt nach vorn". Die EU-Länder hätten sich alle dazu verpflichtet, bei Waffenexporten nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die demokratische Situation des potentiellen Empfängerlandes zu prüfen. Für den deutschen Außenminister Kinkel ist der Verhaltenskodex zwar "keine Ideallösung, aber besser als nichts", immerhin habe die EU "eine gemeinsame Linie entwickelt". Sein österreichischer Kollege Schüssel brachte es weniger diplomatisch auf den Punkt: der Kodex sei "nicht befriedigend, weil nicht verbindlich".

Tatsächlich wollen die EU-Länder lediglich das beachten, was schon längst durch internationale Verpflichtungen und internationale Abkommen festgelegt ist: So müssen "dank" des "code of conduct" z.B. Sanktionsbeschlüsse der UN eingehalten werden - eine Selbstverständlichkeit! Und bei Staaten, die im Verdacht stehen, daß die Menschenrechte nicht eingehalten werden, sollen "besondere Vorsicht und Wachsamkeit" gelten. Der Verdacht auf Unterstützung des Terrorismus oder der Mafia kann danach einem Export im Wege stehen: Kann! Es gibt im Zweifelsfall keinerlei verbindlichen Regeln. Selbst wenn ein Land die unverbindlichen Beschlüsse einmal ernst nehmen sollte und auf ein Waffengeschäft verzichtet, so werden zwar die anderen potentiellen Waffenexporteure der EU benachrichtigt. Aber kein Land muß darauf verzichten, ein von einem anderen EU-Land abgelehntes Waffengeschäft ersatzweise abzuwickeln. Das einzige, was als Kontrollmechanismus vereinbart wurde, ist die Benachrichtigung des Partners, der das Geschäft abgelehnt hat. Der "politische Druck durch diese begrenzte Gruppen-Kontrolle wird dadurch gemildert, daß die gegenseitige Unterrichtung vertraulich bleibt" (FR 27.5.98). Außerdem muß nur die Spezifikation der Lieferung geändert werden, um eine Rechtfertigungspflicht zu umschiffen.

Letztlich bleiben die im Kodex festgeschriebenen Vereinbarungen lediglich Beteuerungen. Auf tatsächlich einschränkende Kontrolle und verbindliche Prinzipien wurde zugunsten des kleinsten gemeinsamen Nenners - Menschenrechte sollen stärker bei Waffengeschäften berücksichtigt werden - verzichtet. Selbst für Militärs "ungenügend". So beklagte General Sir Michael Rose, Befehlshaber der britischen Streitkräfte im Golf-Krieg, im Vorfeld der Beratungen, daß es dem Entwurf an einer wirksamen Kontrolle fehle und auch zukünftig eine für Soldaten aus den führenden Industriestaaten groteske Situation entstehen könne: Bei den UN-Missionen in Somalia, Ruanda und Bosnien hätten sich die europäischen Truppen jedenfalls den Waffen gegenüber gesehen, die ihre eignen Regierungen geliefert hatten. Und auch eine Situation wie im Golf-Krieg, wo die Golf-Kriegs-Alliierten einer von westlichen Ländern hochgerüsteten Armee gegenüberstanden, könne der "code of conduct" nicht verhindern.

Der "code of conduct" unterscheidet sich im Grunde nicht von den bisherigen Versuchen, auf EU- bzw. EG-Ebene gemeinsame, angeblich restriktive Rüstungsexportstandards zu finden. Bereits im November 1991 hieß es in einem Beschluß des EG-Ministerrats: "Die Gemeinschaft und ihre Migliedstaaten werden ausdrücklich die Berücksichtigung der Menschenrechte als einen Bestandteil ihrer Beziehungen zu Entwicklungsländern einführen". Für alle, die an dieser Stelle sarkastisch sein wollen, eine ideale Vorlage: Dieser Beschluß ist auf ganz eigene Weise umgesetzt worden - zu vielen Ländern, in denen die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, hat es enge Beziehungen und reichlich Waffenlieferungen gegeben. Eine nur eigenwillige Auslegung der Formulierung "Berücksichtigung der Menschenrechte"?

Indonesiens Diktator Suharto hatte sich in den zurückliegenden Jahren vieler Waffenlieferungen aus EU-Ländern "erfreuen" können. Die Türkei hat immense Waffengeschenke der Bundesregierung erhalten, Nachschub für eine Politik der "verbrannten Erde", für Vertreibungen, Dorfzerstörungen und einen langjähriger Krieg im eigenen Land und auf dem Boden des Nachbarlandes.

Frankreich hat mit umfangreichen Waffenlieferungen nach Ruanda eine fatale Rolle beim dortigen Völkermord gespielt. Die EU-Länder haben den Anteil der weltweiten Rüstungsexporte in den letzten Jahren erheblich gesteigert. Das sind die Fakten, die honorigen Prinzipien und "schönen Beschlüssen" gegenüberstehen.

Bleibt die Erkenntnis: Papier ist geduldig, oder, in den Worten eines EU-Diplomaten, bezüglich der angeblich neuen, restriktiven Richtlinien: "Man kann kaum erwarten, daß die EU-Waffenexporte abnehmen werden."

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