"Comfort-women" kämpfen

von Christiane Wieczorek

Schätzungsweise 200.000 Frauen wurden von 1937 - 1945 durch die japanische Armee sexuell versklavt und gefoltert. Einige dieser Opfer haben sich organisiert, um eine Entschädigung durchzusetzen.

Außer den kämpfenden "comfort-women" macht auch die Menschenrechtskommission Druck auf die japanische Regierung. 50 Jahre nach der japanischen Kapitulation erfolgte erstmals eine explizite Entschuldigung von offizieller japanischer Seite. Ein weiteres Jahr mußte vergehen, bevor erste Entschädigungen an Folter- und Prostitutionsopfer gezahlt wurden. Dennoch lehnt Premierminister Murayama es ab, Entschädigungszahlungen aus staatlichen Finanztöpfen zu bestreiten. Dafür hatte Japan vergangenes Jahr eine private Stiftung eingerichtet.

HistorikerInnen schätzen die Anzahl von Mädchen und Frauen, die im zweiten Weltkrieg von der kaiserlichen japanischen Armee sexuell versklavt und z.T. gefoltert wurden, auf mehr als 200.000. Soweit bekannt, stammten 80% der in Soldatenbordellen zwangsrekrutierten Frauen aus Korea und die anderen 20% der Frauen aus China, Indonesien, den Philippinen und aus Taiwan. Außerdem wurden einige Niederländerinnen in Bordellen gefangengehalten. Diese entstammten der niederländischen Kolonialschicht, die in Indonesien gelebt hatte.

Suizidabsichten, fehlende Selbstsicherheit, mangelndes Selbstwertgefühl, Schuldgefühle, Autoaggressionen und Beziehungsunfähigkeit sind nur einige der psychischen Langzeitfolgen von (Kriegs-)vergewaltigungsopfern. Psychische Schäden kommen nicht selten in psychosomatischen Beschwerden zum Ausdruck. Darunter sind z.B. Ernährungsstörungen, Hormonstörungen, Veränderungen der Menstruation und Schlafstörungen zu fassen. Die physischen Folgen sind nur schwer von psychosomatischen Beschwerden zu unterscheiden. Störungen im Genitalbereich, Magen- und Darmstörungen wie Übelkeit, Erbrechen und Appetitlosigkeit sind nur die bekanntesten körperlichen Erkrankungen.

Die Opfer werden aktiv

Aufgrund der an ihnen begangenen Verbrechen an der Menschlichkeit klagte ein Zusammenschluß von Südkoreanerinnen im Frühjahr 1992 gegen den japanischen Staat. Eingeklagt werden sollte eine staatliche Entschädigung. Den Prozeß führte ein Gerichtshof in Tokio. Bis Mitte Dezember 1992 dauerten die Anhörungen an. Durch einen anderen Prozeß, der im August 1992 gegen zwölf japanische Offiziere ebenfalls in Tokio geführt wurde, kamen folgende Tatsachen an die Öffentlichkeit: Eine "comfort-station" in Suvaram, auf der Insel Java, wurde nachweislich auf Befehl eines japanischen Oberkommandos eingerichtet. Dort wurden 1944 ca. 100 Frauen und Mädchen interniert. 36 von diesen 100 Frauen waren Niederländerinnen. Weitere Dokumente aus anderen Gerichtsverfahren, die gegen das japanische Militär geführt wurden, beweisen ebenfalls, daß die sog. "Troststationen" auf Befehl der kaiserlichen Armee organisiert, eröffnet und geführt wurden.

Angesichts der so bekannt gewordenen Daten entstand ein massiver Druck in der Öffentlichkeit. Infolge dessen bekundete die Regierung Japans ihr Bedauern. Entschädigungen an die geschändeten Frauen wurden aber verweigert. Außerdem sagte der damalige japanische Staatsminister Kato trotz allem noch im August 1992, er sähe es nicht als bewiesen an, daß die Frauen zu diesen sexuellen Diensten genötigt worden seien. Trotz der dargelegten Beweise behauptete ein zuständiger Minister sogar noch im Dezember, die Armee hätte mit der Unterhaltung sowie der Organisation dieser Bordelle nichts zu tun gehabt.

Erste Erfolge

Die Sonderberichterstatterin der Menschenrechtskommission zu Gewalt gegen Frauen, Radhika Coomaraswamy, bezeichnet in dem Anhang 1 ihres Berichts die Zwangsvergewaltigungen und Zwangsprostitution, die durch die japanische Armee im 2. WK getätigt wurden, als ein bislang noch ungelöstes Problem.

1994 hat die Menschenrechtskommission, wie von der Wiener Menschenrechtsweltkonferenz 1993 angeraten, die Einrichtung des Amtes einer Sonderberichterstatterin zu Gewalt gegen Frauen beschlossen.

1995 hat Radhika Coomaraswamy ihren ersten Bericht nebst mehreren Anhängen vorgelegt. Nachdem sie Recherchen in beiden koreanischen Staaten und in Japan vorgenommen hatte, spricht die Sonderberichterstatterin folgende Empfehlungen aus:

- Der japanische Staat soll akzeptieren, daß die Betreibung von Zwangsbordellen durch die japanische Armee während des 2. WKs eine Verletzung ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen war. Darüber hinaus soll die japanische Regierung dafür die Verantwortung übernehmen.

- Die japanischen Behörden sollen den sexuell versklavten Frauen eine Entschädigung zahlen.

- Dokumente zu diesen "comfort-stations" sollen von der japanischen Regierung zugänglich gemacht werden.

- An die einzelnen Opfer soll der japanische Staat schriftliche Entschuldigungen entrichten.

- Öffentliche Erziehungsprogramme sollen insofern modernisiert werden, daß historische Ereignisse in das Bewußtsein der Bevölkerung gebracht werden.

- Die Täter, die mit den Kriegsvergewaltigungen und deren Institutionalisierung beschäftigt waren, sollen identifiziert und bestraft werden.

Nach Bekanntwerden dieser Veröffentlichung machte die japanische Regierung sofort publik, daß sie alles Machbare unternehmen wolle, um diese Forderungen zurückzuweisen. Sie hatte in Genf gezielte Lobbyarbeit bei allen Mitgliedsstaaten der Menschenrechtskommission betrieben, um die Annahme des Berichts zu verhindern. Da bis auf China und den beiden koreanischen Staaten unter den Regierungsdelegationen in keinster Weise die Absicht bestand, Japan mit einer Resolution Schaden zuzufügen, war ein massiver und andauernder Einsatz von Menschenrechtsorganisationen und Frauenverbänden nötig, um gegen Japans Lobbyarbeit anzugehen. Nach tagelangem Ringen erreichten die Frauen, daß der Anhang des Berichts nicht nur angenommen wurde, sondern die Menschenrechtskommission die Arbeit mit großer Zufriedenheit begrüßte. Die Menschenrechtskommission verurteilte alle Menschenrechtsverletzungen an Frauen in Kriegen und forderte effektive Wiedergutmachungen. Mit dieser Resolution der Menschenrechtskommission ist der Kampf der Prostitutionsopfer noch nicht gewonnen, aber die Frauenverbände haben etwas in der Hand, womit sie sich bei der japanischen Regierung für die geschändeten Frauen einsetzen können.

Jubiläumszugeständnis

Am 15.08.95, dem 50. Jahrestag des Kriegsendes, konnten die ehemals sexuell versklavten Frauen einen ersten Sieg erleben. Der japanischer Premierminister Tomiichi Murayama hat sich bei Opfern von Kriegsverbrechen entschuldigt. "Ich drücke mein Gefühl des tiefen Bedauerns aus und entschuldige mich von ganzem Herzen", sagte der Regierungschef vor der internationalen Presse. Somit hat sich erstmals seit 50 Jahren ein japanischer Amtsträger explizit entschuldigt, nicht wie seine Vorgänger undeutlichere Begriffe wie etwa "Bedauern" benutzt. Seine Entschuldigung hat er später gegenüber den zur Prostitution Gezwungenen noch einmal wiederholt. In der Bedeutung geschmälert wurde diese Entschuldigung Murayamas durch die Pilgerung acht seiner Kabinettskollegen an diesem Jubiläumstag zu dem umstrittenen Yasukuni-Schrein. Das ist eine Gedenkstätte zur Ehrung japanischer Gefallener, unter denen sich wissentlich auch zahlreiche Kriegsverbrecher befinden. Vertreter des Hinterbliebenen-Verbandes ließen verlauten, eine Entschuldigung würde die Totenruhe der Kriegshelden stören.

Eine Entschädigung für die überlebenden Opfer lehnt Murayama, wie auch seine Vorgänger, ab. Lediglich die Präsidentin des Unterhauses, Takako Doi, die auch der Sozialistischen Partei angehört, beklagte, daß Japan keine Entschädigung für die Opfer leisten wolle. Auch japanische Veteranen bemängelten, daß ihr Land immer noch nicht bereit sei, eine Entschädigung für Kriegsverbrechen zu zahlen.

Die Reaktionen des Auslands auf die Entschuldigung des Premiers waren unterschiedlich. Zum Teil wurde die Entschuldigung nur als eine persönliche Aussage, nicht aber als eine offizielle angesehen.

Bei den KoreanerInnen wurde der 15.08.95 als Tag der Befreiung gefeiert. Laut einer koreanischen Nachrichtenagentur haben 300.000 Menschen an einer Zeremonie in der koreanischen Hauptstadt teilgenommen. In der Tokioter Innenstadt fand an diesem Tag eine Demonstration koreanischer Frauen statt. Sie forderten eine Entschädigung für die von japanischen Soldaten vergewaltigten und zwangsprostituierten Koreanerinnen.

Erste Entschädigungszahlungen

Am 19.07.95 wurde in Japan der "Asian Woman's Fund" (AWF) eingerichtet. Mittels dieser privaten Stiftung sollen während des zweiten Weltkriegs von der japanischen Armee vergewaltigte, mißhandelte und zur Prostitution gezwungene Frauen entschädigt werden. An dieser Einrichtung möchte sich die japanische Regierung mit umgerechnet etwa acht Mio. DM beteiligen. Premierminister Tomiichi Murayama appellierte an die Bevölkerung, zu spenden. Die Vereinigung der Opfer nannte die private Stiftung eine Wohlfahrtseinrichtung und verlangte stattdessen direkte Entschädigungen vom Staat neben einer Entschuldigung.

Im Juni 1996 kündigte der japanische Ministerpräsident Ryutaro Hahimoto an, den rd. 300 noch lebenden ehemals Zwangsprostituierten, die aus den Philippinen, Südkorea und aus Taiwan stammen, eine Entschädigung neben einem "von Herzen kommenden Brief mit Entschuldigung und Bedauern" zu übermitteln.

Zum Abschluß eines zweitägigen Gipfeltreffens mit dem südkoreanischen Präsidenten Kim Young Sam hat sich Hashimoto im Namen des japanischen Volkes bei Südkorea für die sexuelle Versklavung koreanischer Mädchen und Frauen entschuldigt. "Ich möchte eine von Herzen kommende Entschuldigung und Bedauern aussprechen", sagte der japanische Ministerpräsident am 23.06.96 auf der südkoreanischen Insel Cheju.

Am 5. Juni '96 entschied der AWF nach einer sechs Stunden andauernden Sitzung, vier philippinischen Frauen jeweils zwei Mio. Yen (umgerechnet ca. 27.200 Mark) zu zahlen. Später sollen weitere Opfer Entschädigungszahlungen erhalten. Am 14. August des Jahres war es dann soweit, daß diese Entscheidung Realität wurde. Sie sind die ersten Opfer, die eine Entschädigung aus dem im vergangenen Jahr gegründeten privaten Fonds akzeptierten. Die vier Philippinerinnen gehören einem Zusammenschluß von 48 philippinischen ehemaligen Zwangsprostituierten der kaiserlichen japanischen Armee an, die Japans Regierung auf eine Entschädigungszahlung verklagt haben. Ihre Klage wollen sie auch nach dieser Auszahlung nicht fallen lassen. Denn sie erwarten eine höhere Entschädigung und v. a. fordern sie, daß diese vom Staat und nicht aus Spenden von der Bevölkerung bestritten wird.

Sprecherinnen der mißbrauchten Frauen, die sich organisiert haben ("Verein der damals 'Vergnügungsdamen' genannten Opfer", Unterstützungsgruppe "Japanische Bürger[Innen]rechtsgruppe"), zeigten sich tief enttäuscht. Diese Entschädigungssumme ist viel zu gering im Verhältnis zu den daraus resultierenden gesundheitlichen (psychisch sowie physisch) Konsequenzen. Dennoch sehen sich viele gezwungen, die kleine Summe anzunehmen, weil sie zu alt sind, um noch länger zu warten. Von japanischen BürgerInnenrechtsgruppen wird außerdem stark kritisiert, daß es immer noch Abgeordnete gibt, die versuchen, die japanischen Kriegsverbrechen zu leugnen. Die Frauen wollen diese geringe Summe nicht ohne weitere Proteste hinnehmen.

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Hintergrund
Christiane Wieczorek studiert Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin und ist Redakteurin sowie Mitherausgeberin der Zeitschrift antimilitarismus information (ami).