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Computer im Krieg
von
Computergestützte Kriegsführung war noch vor recht kurzer Zeit ein Thema für wenige ExpertInnen. Nach dem Golfkrieg und seiner medial geschickt vermittelten Botschaft eines auf den ersten Blick opferlosen und mit höchster Präzision geführten Krieges wurden die lange bekannten Möglichkeiten computergestützter Kriegsführung zum zentralen Thema.
Computer sind zum integralen Bestandteil militärischer Systeme geworden. Der Anteil elektronischer Komponenten und Software am Beschaffungspreis moderner Waffensysteme beträgt heute um die 70%. Computer haben die Kriegsführung entscheidend verändert. Computergestützte Waffensysteme existieren in so großer Zahl, daß wir uns hier auf ausgewählte und besonders signifikante Punkte beschränken müssen, die den Zusammenhang zwischen Computertechnik und militärischen Anforderungen erhellen.
Ursprünge
Die Informatik ist ganz wesentlich von militärischen Anforderungen geprägt. Der Anteil der vom US Department of Defense bezahlten Anwendungs- und Grundlagenforschung liegt bei 85%. Die spezifische Form der Entwicklung von Computern allgemein und militärischer Systeme im besonderen hat vor allem einen historischen Grund: Die Politik der USA im Atomzeitalter. Daraus resultieren militärische Notwendigkeiten, die aus vier Forderungen bestehen:
1. Notwendig ist die Aufklärung, ob ein Angriff droht. Die schrumpfende Reaktionszeit führt zur Notwendigkeit einer
2. Kommunikation rund um den Globus, deren Ziel die
3. Kontrolle aller möglichen Arten von Aktionen überall auf dem Globus ist - etwa die Kontrolle über eine mögliche Eskalation einer Spionageoperation (Punkt 1.) in eine militärische Aktion. Die Reaktionen darauf benötigen Mittel zum
4. Kommando über die eigenen Truppen.
Diese Punkte bilden den zentralen Begriff von Command, Control, Communications and Intelligence (C3I). C3I ist die Daten- und Kommunikationsinfrastruktur zur Projektion von militärischer und politischer Macht. Computer sind eine technische Antwort auf die strategischen Zwänge atomarer Abschreckung. Vergessen werden sollte nicht, daß auch die Sowjetunion versuchte, Computertechnik zu entwickeln oder daran zu gelangen, denn die strategische Lage sah für sie nicht anders aus.
Umbrüche
In demselben Maße, wie immer kleinere Computer seit den 70er Jahren in immer mehr militärische Systeme eingebaut wurden und diese miteinander kommunizieren konnten, wandelte sich die Computertechnologie vom Instrument der strategischen auch zu einem der taktischen Kriegsführung.
Zu dieser Zeit wurde die Umsetzung zweier als besonders wichtig erkannter Projekte forciert: die Reduktion der Verletzlichkeit der C3I-Hardware gegen den Elektromagnetischen Impuls (EMP) in einem Atomkrieg durch die Umstellung auf Glasfaserkabel und gehärtete Chips, sowie die Einbeziehung von Computern in taktische militärische Planungen und Operationen in einer neuen Kampfdoktrin, der AirLand-Battle-Doktrin.
Die AirLand-Battle Doktrin für eine hochintegrierte mobile Kampfführung ist nur möglich durch ein gut funktionierendes C3I-Netz. Ihre militärischen Ziele lassen sich nur erreichen durch bessere Aufklärung des Gegners, bessere Kommunikation zwischen den eigenen Truppen für besseres Kommando über diese und bessere Kontrolle von militärischen Aktionen durch wiederum bessere Aufklärung. Was im Golfkrieg als das Bild "intelligenter" Waffen geboten wurde, ist das Resultat von AirLand-Battle und des permanent ablaufenden und unsere Welt umspannenden C3I-Zyklus.
Dieser im Golfkrieg genutzte Zyklus beginnt mit den unsichtbaren Waffen der elektronischen Kriegsführung, zu der auch Computerviren gehören. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wird vierundzwanzig Stunden am Tag das gesamte elektromagnetische Spektrum überwacht, analysiert und ausgewertet. Bereits Anfang November 1990 gingen im Special Technical Operations Center (STOC), dem Lagezentrum des Pentagon für Spezialeinsätze, in Echtzeit Aufklärungsbilder und -daten ein. Störsender und Suchzünder der gegen Radar- und Kommunikationsanlagen eingesetzten Raketen wurden auf die ausgespähten Frequenzen, Cruise Missiles auf die gesammelten Bodendaten programmiert. Mit Kriegsbeginn liefen höchst genau geplante, komplexe Handlungsfolgen ab, die das umsetzten, was Aufklärung und Spionage an Daten geliefert hatten und was in Simulationsläufen auf Computern erprobt worden war. Was die "intelligenten" Chips vollbrachten, war keine Denkleistung, sondern das Ausführen einprogrammierter Befehle.
Weit stärker wuchsen die Anforderungen während der Bodenoffensive. Satelliten, flugzeuggestützte Systeme wie u.a. das Joint Surveillance and Target Attack Radar System (JSTARS) oder ferngelenkte oder "autonome" Drohnen sammelten Radar-, Infrarot-, und Videosensordaten. Diese Daten wurden an die Computer der diversen Lagebewertungs- und Analysesysteme auf dem Schlachtfeld übermittellt, von wo aus sie an die Rechner der verschiedensten Waffensysteme weiterverteilt wurden. Das Resultat, die einschlagende "intelligente" Bombe oder "brilliante" Granate, ist also nur Endpunkt dieser Datenverarbeitungsprozesse - und gleichzeitig wieder ihr Anfang, denn ihre Wirkung wird genauestens von der Videokamera des Kampfflugzeuges oder der Drohne festgehalten und später noch von anderen Aufklärungssystemen verifiziert.
Um diese Aktionen auch überall auf dem Globus steuern zu können, wurde der Ausbau der Satellitenkommunikation stark forciert. So ist es möglich, daß sich heute etwa vom Weißen Haus oder vom STOC aus die Position einzelner Soldaten überall auf dem Globus auf wenige Meter genau verfolgen, Nachrichten an sie übermitteln oder von ihnen wichtige Videoaufnahmen überspielen lassen: die Befehlsstände von heute sind für den globalen Krieg wohlgerüstet.
Computergestützte Systeme dienen zur Steuerung und Kontrolle militärischer Macht. Dies geht von der strategischen Ebene über die taktische bis hin zum einzelnen Waffensystem: "intelligente" Munition dient ebenfalls nur dazu, die Waffenwirkung durch bessere Steuerung zu optimieren. Das Ziel ist, je besser militärische Aktionen zu steuern sind, desto besser sind sie politisch berechenbar. Wenn sie politisch ziemlich exakt berechenbar scheinen, so lassen sie sich auch einsetzen.
Zwar sind Kriegshandlungen nie berechenbar, doch kommt es darauf gar nicht an, sondern darauf, daß Systeme existieren, die es den Verantwortlichen ermöglichen, wenigstens an eine Berechenbarkeit zu glauben und sich so von Teilen der Verantwortung freizusprechen. Dies leisten computergestützte Systeme sehr gut und in Simulationsläufen anschaulich und vertrauenserweckend.
Dabei sollte die ganze technische Betrachtung nicht vergessen machen, daß diese Art der Kriegsführung kein sauberer, d.h. opferloser Krieg ist, sondern, daß diese neue Art von Krieg Tod und Zerstörung in nie zuvor gekanntem Ausmaß hervorbringt.
Entwicklungslinien
Einige Entwicklungslinien zeichnen sich ab. Zur Kompensation der Abrüstungs-bedingten Reduktionen ist die Computerisierung weiterer militärischer Systeme absehbar. Dabei ist es zwar auch wichtig, weitere Waffensysteme mit Computertechnik zu bestücken, wichtiger ist es jedoch, die Zahl der Kampfverbände zu erhöhen und Soldaten aus der Verwaltung an die Front zu befördern.
Um die Soldaten auf dem hochmobilen Schlachtfeld der Zukunft zu entlasten und deren Leistung zu steigern, wurden in den letzten fünfzehn Jahren die Nutzung der Robotik und die Kopplung von Mensch und Computer in bionischen Systemen erforscht.
Roboter sollen als nicht-, halb- oder vollautonome Systeme eingesetzt werden. Roboter sollen Nachschubtransporte wie Aufklärungsfahrten ins gegnerische Gelände leisten. Dafür werden in den USA besonders Expertensysteme und Neuronale Netze gefördert. Misserfolge mit vollautonomen Robotersystemen haben die Bedeutung der bionischen Forschung ansteigen lassen. Bionische Systeme und Cyborgs, dies klingt nach Science Fiction, aber der Soldat der Zukunft wird schon entwickelt. Dem Menschen sollen Chips direkt ins Hirn eingepflanzt und Cyborgs überall im Kampfeinsatz genutzt werden. Auch die Bundesrepublik beteiligt sich an derartigen Forschungen. So hat sich das Bundesministerium für Forschung und Technologie zum Ziel gesetzt, "Erkenntnisse der Hirnforschung kontinuierlich in die Grundlagenforschung zur Informatik" einzubringen.
So wird die Informatik auch in Zukunft von militärischen Anforderungen bestimmt, um neue Waffensysteme für die Kriege des nächsten Jahrtausends zu liefern. Dies ist die stark gekürzte Fassung eines Beitrags aus dem FIFF-Buch: Heiko Dörr (Hrsg.): Herausforderungen an die Informatik?, Bonn, 1992. Ausführlich behandelt das Thema: U. Bernhardt, I. Ruhmann (Hrsg.): Ein sauberer Tod. Informatik und Krieg, Marburg, 1991. Beides ist zu beziehen über: FIFF e.V., Reuterstr. 44, Bonn