Eine erfolgreiche Druckkampagne

Daimler-Minen-Stoppen

von Wolfgang Menzel

Politische Kampagnen sind dann wirksam, wenn sie innerhalb eines begrenzten Zeitraums ein realistisches Ziel erreichen. Wirkung bedeutet hier: Eine tatsächliche Veränderung realer Verhältnisse zu erreichen. Dem kann eine grundsätzliche Änderung einer Einstellung oder Haltung bei EntscheidungsträgerInnen vorausgehen, muss aber nicht. Wenn PolitikerInnen oder UnternehmerInnen pragmatisch und zweckrational handeln, reicht der Aufbau eines hinreichenden äußeren Drucks aus, um diese zu einem Umsteuern zu veranlassen.  

Der Kampagne Daimler-Minen-Stoppen ist es vor fast 20 Jahren gelungen, die Weiterentwicklung eines bestimmten Waffensystems, der so genannten Panzerabwehrrichtmine (PARM) zu unterbinden. Das Resultat ist heute als lakonischer Lexikoneintrag nachzulesen: die Weiterentwicklung der PARM sei "auf öffentlichen Druck hin" eingestellt worden (https://de.wikipedia.org/wiki/DM-12_PARM). Wie das damals bewerkstelligt wurde, zeigt der folgende Bericht aus dem "Friedensforum" 1998.

Auch die zunächst im Bestand verbliebene Panzerabwehrrichtmine PARM-1 gehört schon lange nicht mehr zur offiziellen Bewaffnung der Bundeswehr. Interessant ist, dass das Heer (www.deutschesheer.de) unter dem Stichwort "ehemalige Technik" beispielsweise den ausgemusterten Minenwerfer Skorpion aufführt, nicht aber die PARM - es wird also verschwiegen, dass diese Waffe jemals existiert hat. Besonders peinlich war die Minenproduktion dem damaligen Eigentümer des DASA-Werks Schrobenhausen, welches die Minen entwickelt und produziert hatte. Die Daimler-Benz AG, später Daimler-Chrysler, seit 2007 Daimler AG, stieg sukzessive aus weiten Bereichen des Rüstungsgeschäfts aus. Das hat nicht verhindert, dass das Werk Schrobenhausen unter dem neuen Eigentümer MBDA sehr erfolgreich Lenkwaffen und andere Rüstungsgüter produziert.

Die Daimler-Minen-Kampagne war erfolgreich, weil sie die von Uli Wohland aufgestellten "goldenen Regeln" für Kampagnen berücksichtigte und die Trägerorganisationen (u.a. ORL, RIB, Pax Christi Rottenburg-Stuttgart, Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden) ausgesprochen gut zusammenarbeiteten.

Friedensforum 1998: Wird die Daimler-Minen-Produktion ab 1999 auf Eis gelegt?
Der Daimler-Benz-Konzern begrüßt das Ottawa-Abkommen über ein uneingeschränktes Verbot von Anti-Personenminen. Dies erklärte Vorstandsvorsitzender Jürgen Schrempp auf der Aktionärsversammlungam 27. Mai 1998 in Stuttgart. Gleichzeitig deutete er an, dass die Produktion der Panzerabwehrrichtmine PARM bei der Daimler-Tochter TDA/TDW in Schrobenhausen in diesem Jahr ausläuft. Dieses öffentliche Bekenntnis ist bemerkenswert, denn es kommt vom größten deutschen Rüstungsproduzenten und einem der weltweit technologisch führenden Hersteller moderner Panzerminen.

Es ist dies ein Erfolg der Kampagne "Daimler-Minen Stoppen", die in Zusammenarbeit mit den Kritischen AktionärInnen Daimler-Benz dieses Thema bereits zum wiederholten Male auf einer Aktionärsversammlung des Konzerns angesprochen und mit guter Pressearbeit und öffentlichen Aktionen begleitet hat. Bis vor Kurzem hatte der Konzern noch behauptet, keine Landminen zu produzieren, musste dann aber die Herstellung von Panzerabwehrrichtminen zugeben, wobei Konzernsprecher betonten, es handele sich nicht um Anti-Personenminen, sondern um "automatisierte Panzerfäuste". Nun sieht es tatsächlich so aus, als würde sich auch Daimler-Benz der allgemeinen, auch bei der Bundeswehr üblichen Sprachregelung anschließen, nach der zur Gattung der Landminen neben Anti-Personenminen auch Panzerabwehrminen gehören.

Im Rüstungsbereich, dem klassischen Betätigungsfeld der Kritischen AktionärInnen (sie gründeten sich 1991, als Daimler-Benz mit der Übernahme von MBB massiv ins Rüstungsgeschäft einstieg), ist der kritische Dialog dagegen seit geraumer Zeit ins Stocken geraten. Daimler-Benz mauert. Man will sich nicht in die Karten schauen lassen, vor allem jetzt, da auch Fusionen in der Rüstungssparte anstehen. Immerhin, teilweise erhielten die KritikerInnen am 27. Mai auf konkrete und präzise gestellte Fragen konkrete Antworten. Der Export von Daimler-Rüstung sei zurückgegangen, Ausfuhrgenehmigungen seien erteilt worden nach Nahost und Afrika, wobei Daimler Auskunft über Art und Umfang der Exporte verweigert. Der Rüstungsumsatz am Gesamtumsatz der DASA beträgt 32%, das sind etwa 5 Mrd. DM. Im Fahrzeugbereich wurde 1997 kein Umsatz mit Dual-Use-Gütern gemacht, wohl aber im Bereich Nachrichtentechnik (Funksatelliten). Die DASA wirbt in allen einschlägigen nationalen und internationalen Militärzeitschriften für ihre Waffen. 1997 habe der Konzern 1,5 Mio DM Forschungs- und Entwicklungsgelder aus dem Verteidigungshaushalt erhalten.

Öffentliche Proteste wirken
Hatte Schrempp in den vergangenen Jahren Fragen zur Landminenproduktion noch mit der Behauptung "Wir produzieren keine Landminen" vom Tisch zu wischen versucht, so gab er diesmal bekannt, dass die Produktion der PARM 1 in diesem Jahr auslaufen werde und die weitere Entwicklung der PARM 2 "eingefroren" sei. Grund: Diese verbesserte Mine soll ab 2005 von einem internationalen Konsortium unter Führung des Konkurrenten Dynamit-Nobel unter dem Markennamen ARGES für die Bundeswehr gebaut werden. Es gebe weiterhin keine Entwicklungsaufträge für Minen, versuchte Schrempp die AktionärInnen zu beruhigen. Als der Redner der Kritischen AktionärInnen die Aufgabe der ethisch unvertretbaren und imageschädigenden Minenproduktion forderte, gab es Applaus in der ganzen Halle. Mit dem Slogan "Wir wollen keine Daimler-Chrysler Landminen AG" konnten sich viele identifizieren.

Dank des vielfältigen, bundesweiten Protests und der Tausenden von Briefen, die an den Konzern geschickt wurden, dank zahlreicher öffentlicher Aktionen und Veranstaltungen, dank der Unterstützung durch andere Organisationen und der Kirchen (z.B. hatte noch am 16. Mai die Synode der Evangelischen Kirche der Pfalz eine Resolution für ein Verbot aller Arten von Landminen verabschiedet, in der die PARM ausdrücklich erwähnt wurde!) und dank einer in dieser Frage sensibilisierten Öffentlichkeit ist die Kampagne Daimler-Minen Stoppen ihrem Ziel, dem vollständigen und endgültigen Ausstieg von Daimler-Benz aus der Minenproduktion ein gutes Stück näher gekommen. (...)

Die Kritischen AktionärInnen setzten Daimler-Chef Jürgen Schrempp nicht nur mit dem Minenthema zu. Die katastrophale Ökobilanz der Mercedes-Fahrzeuge, dubiose Fahrzeuggeschäfte im sog. Schwarzlichtmilieu, Rüstungsproduktion und -exporte allgemein sowie der möglicherweise drohende Verlust tausender Arbeitsplätze im Gefolge der Fusion mit dem US-Autohersteller Chrysler waren weitere Themen. Sie wurden mit großem Sachverstand höflich und sachlich vorgetragen. Ebenso höflich im Ton aber hart in der Sache wies Jürgen Schrempp die Kritik zurück. Doch ein aufmerksamer Beobachter konnte leise Anzeichen dafür entdecken, dass steter Tropfen tatsächlich den Stein höhlt. Der KAD, bisher eher lästiger Stachel im Fleisch des Giganten, hat sich zum respektierten Gegner gemausert, dessen unbestreitbare Sachkompetenz auf fast alle konzernrelevanten Gebieten (Geschäftspolitik allgemein, Ökologie, Rüstung, Menschenrechte, Soziales) anerkannt wird.

Während draußen vor der Halle, begleitet von rhythmischen Trommelklängen, der 16-seitige Alternative Geschäftsbericht verteilt, mit Transparenten auf die "neue M-Klasse, den Mercedes unter den Minen" hingewiesen und Geld für Minenopfer gesammelt wurde, brachte drinnen Jürgen Grässlin den ansonsten außerordentlich souverän agierenden Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp mit seinen Bedenken gegen die Übernahme von Chrysler und Vorwürfen wegen der umstrittenen Maßnahmen zur Senkung des Krankenstandes im Werk Sindelfingen beinahe aus der Fassung. Hatte sich Schrempp in seiner Eingangsrede noch damit gebrüstet, 1997 über 12.000 zusätzliche Stellen geschaffen zu haben, musste er auf Nachfragen zugeben: Von 1990 bis 1997 hat der Konzern 77.000 Arbeitsplätze abgebaut, davon allein 40.000 in den kritischen Jahren 1993 bis 1995.

Bereits am Vortag hatte der KAD ein Geheimnis gelüftet und an die Medien weitergeleitet, das Daimler-Benz gerne noch länger gehütet hätte: Den vom Konzern verhängten Entwicklungsstopp für ein verbrauchsarmes Zwei-Liter- Auto. KAD-Verkehrsexperte Alexander Dauensteiner warf dem Konzern vor, das Konzept in der Schublade verschwinden lassen zu wollen. Der Konzern konnte nur noch bestätigen: Ja, es gebe das Zwei-Liter-Auto von Daimler-Benz, es passe nur nicht in die Produktpalette. Kein Wunder, denn diese besteht aus spritfressenden Klimakillern mit einem Flottenverbrauch von 11 Litern auf 100 Kilometern - dem höchsten Verbrauchswert aller deutschen PKW-Hersteller. Der Vorstand war sichtlich geschockt, doch Schrempp ging in die Offensive. Er lud den KAD-Sprecher zum Fachgespräch in die Mercedes Forschungs- und Entwicklungsabteilung ein. Ein aus Sicht der Kritischen AktionärInnen überraschendes - diesmal von Seiten des Konzers unterbreitetes – Dialogangebot.

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