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Das 4. Weltsozialforum in Mumbai - Eine Bilanz
vonDas soeben in Mumbai zu Ende gegangene vierte Weltsozialforum war ein wichtiger Meilenstein für die globalisierungskritische Bewegung. Erstmals fand das Forum nicht im brasilianischen Porto Alegre, sondern in Asien statt. Dieser Umzug ist nicht nur geglückt, sondern das Forum hat in vielfacher Hinsicht davon profitiert. Die über 1200 Veranstaltungen und mehr als 100.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurden stark von den Bewegungen des indischen Subkontinents geprägt. Wie in Porto Alegre gelang es GewerkschafterInnen, Nichtregierungsorganisationen, soziale und ökologische Initiativen genauso wie radikale Basisgruppen auf einem Forum in einem Geist von "Einheit in Pluralität" zu versammeln.
Viel stärker als auf den vorangegangenen Foren waren direkt von Unterdrückung Betroffene auf dem Forum dabei. Die niedrigste Kaste der Dalit, Homo- und Transsexuelle, Frauengruppen, Behinderte, aus ihren Wäldern vertriebene BewohnerInnen und Indigene machten ihre Anliegen lautstark hörbar. Gerade Gruppen, die es in Indien sonst schwer haben, konnten das Forum für sich nutzen. Ihre Basisgruppen und Organisationen schufen mit Demonstrationen, Tänzen und Musik eine zweite Sprache auf dem Forum.
Auf den Seminaren und Konferenzen, der ersten Sprache des Forums, waren solche Veranstaltungen besonders gut besucht, die viele Menschen in Indien direkt betreffen: Fragen des Zugangs zu Wasser, Land und Saatgut, des Kastenwesens aber auch der Vertreibungen durch Großprojekte wie Staudämme. Auffallend war auf vielen Veranstaltungen, wie stark sich Initiativen der direkt von Ausbeutung Betroffenen auf das Konzept der Menschenrechte bezogen. Die frühere Kritik an diesem "bürgerlichen Rechtskonzept" spielte hier kaum eine Rolle. Neu war auch das große Interesse an Konzepten globaler Demokratie, wie die Vorschläge des britischen Autors und Aktivisten George Monbiot zu einem Weltparlament.
Parallel zum Weltsozialforum fanden diverse weitere Treffen statt. Der Kongress "Mumbai Resistance" fiel besonders auf, weil dort das Forum hart kritisiert wurde. Kernpunkt der Kritik ist der Pluralismus des Weltsozialforums. Gefordert wurde vielmehr mehr politische Klarheit, man könnte es auch Enge nennen -, also eine klare anti-imperialistische und anti-kapitalistische Haltung sowie Sozialismus als konkrete Alternative zur bestehenden Weltordnung. Auch eine deutliche Ablehnung der Globalisierung wurde gefordert ("Globaliszation cannot be humanized"). Ob eine solche "Rückbesinnung" auf antiquierte Organisationsformen angesichts von Globalisierung der Herausforderungen und Pluralität der Antworten innerhalb der Bewegungen klug ist, muss bezweifelt werden. Das sahen wohl auch die meisten indischen Basisgruppen so, die zahlreich beim Weltsozialforum waren und dafür sorgten, dass Mumbai Resistance eine verhältnismäßig kleine Veranstaltung blieb.
Bedauerlich ist, dass das Thema China auf dem Forum kaum zur Sprache kam. So mussten die TibeterInnen ihre Lage ohne ChinesInnen diskutieren. ArbeitnehmerInnen- und Menschenrechte in China wurden wenig diskutiert, ebenso wie die Bedrohung der jungen Industrie vieler asiatischer Länder durch die harte chinesische Konkurrenz.
Auch andere Teile der Welt wie Afrika, der Nahe Osten und Osteuropa waren auf dem Forum deutlich unterrepräsentiert. Leider haben es ebenfalls viele südamerikanische Gruppen nicht bis nach Indien geschafft. Erfreulich ist dagegen, dass über 1.000 Menschen aus Pakistan am Weltsozialforum teilgenommen haben. Zwar stoppte die indische Regierung - entgegen anderer Zusagen - die Vergabe von Visas. Trotzdem war das Forum die größte Konferenzdelegation aus dem Nachbarland seit der Unabhängigkeit.
Fest steht, dass das nächste Forum im Januar 2005 in Porto Alegre stattfinden wird und zwar wieder parallel zum Weltwirtschaftsforum in Davos. Das Weltsozialforum ist international der beste Ort, Kampagnen zu planen und mit Aktiven aus der ganzen Welt zu diskutieren. Nirgendwo sonst sind so viele der Akteure an einem Ort versammelt.
In der parallel zum Forum tagenden Versammlung sozialer Bewegungen wurden verschiedene Aktivitäten für dieses Jahr verabredet. Unter Anwesenheit von GewerkschaftsvertreterInnen, Anti-Kriegsbewegung, dem Kleinbauernnetzwerk Via Campesina, Friends of the Earth International, Frauennetzwerken, diversen lokalen und nationalen Sozialforen und Attac wurde beschlossen am 20. März zu einen internationalen Aktionstag gegen die Besatzung im Irak aufzurufen. Auf der Versammlung der europäischen Initiativen wurden nochmals die Aktionstage gegen Sozialabbau in Europa am 2./3. April bekräftigt. Außerdem werden die anwesenden Bewegungen zur nächsten WTO-Ministerratskonferenz in Hongkong mobilisieren, deren genauer Termin jedoch noch nicht feststeht. Auf der Versammlung der Anti-Kriegsinitiativen hat sich außerdem ein Netzwerk gegen ausländische Militärbasen gegründet. In vielen Teilen der Welt regt sich zunehmender Widerstand gegen die diversen NATO-Stützpunkte. Schließlich vereinbarte die Versammlung sozialer Bewegungen die Stärkung der internationalen Strukturen. Es wurden drei permanente globale Arbeitsgruppen eingerichtet sowie ein monatlicher Rundbrief zu Fragen der Strategie sozialer Bewegungen.