Buchbesprechung

Das Ende der Kriege

von Christine Schweitzer

Der amerikanische Journalist und Schriftsteller William T. Hathaway ist ein radikaler Kriegsgegner, der nicht so recht in irgendeine Schublade passen will. Als junger Mann trat er den US Special Forces bei und kämpfte in Vietnam, weil er – naiverweise, wie er heute sagt – sich Material für eine Enthüllungsstory über die Verbrechen des Militärs erhoffte. Danach kehrte er zum Journalismus zurück und veröffentlichte auch mehrere Romane, die sich alle mit dem Thema von Krieg und Gewalt auseinandersetzen. Derzeit lebt er in Deutschland und ist Lehrbeauftragter in Oldenburg. Sein jüngstes Buch, das im Original den Titel „Radical Peace“ trägt und unter „Das Ende der Kriege“ hier bei uns herausgekommen ist, besteht aus fünfzehn Geschichten von Menschen, die unter den Kriegen der USA gelitten und angefangen haben, sich ihnen zu widersetzen.

Worum es in diesen Geschichten geht, fasst Hathaway selbst am besten zusammen: „Wenn aus Enttäuschung Verzweiflung wird, versuchen Friedensaktivisten neue Wege zu finden, um diese Todesmaschinerie zu stoppen. Da Demonstrationen und Petitionen uns unserem Ziel nicht näher brachten, sind wir neue Wege gegangen: Wir haben uns der Regierung und ihren Gesetzen widersetzt und ihnen das Kriegführen erschwert. Das Ende der Kriege stellt diese Versuche vor. Das Buch erzählt von persönlichen Erfahrungen, die Kriegsverweigerer, Deserteure und Aktivisten aus den USA, Europa, dem Irak und Afghanistan gemacht haben. Es ist eine Hoffnung verbreitende Reise auf den Pfaden der Gewaltlosigkeit – die wahren Geschichten von Menschen, die auf unkonventionelle Art und Weise für den Frieden kämpfen.“ (S.10-11)

Die ProtagonistInnen der Geschichten sind anonymisiert – nicht nur durch falsche Namen, sondern, so kann man wohl vermuten, auch durch Veränderung manche Details der Geschichten. Das muss auch so sein, denn fast alle handeln von Menschen, deren Aktionen Gesetze brechen und manche nicht erst seit dem Patriot Act für viele Jahre ins Gefängnis müssten, wenn sie gefasst würden – die Bandbreite reicht von Desertion und Beihilfe zur Desertion bis hin zu Sabotage an Kriegsgerät. All dies ist für Hathaway legitim. Legaler Protest ist in seinen Augen ineffektiv geworden, weshalb eine neue Militanz erforderlich sei. Im deutschen Diskurs gehen solche radikale Positionen oftmals einher mit Steinewerfen, ‚Mollies‘ und direkten Kämpfen mit der Polizei. Nicht hier: Die beiden Erzähler, bei denen es um Sabotage geht, achten sehr genau darauf, kein Menschenleben zu gefährden. Aber sie sind keine Pflugscharaktivisten, die sich hinterher festnehmen lassen, sondern ihr Ziel ist der konkrete materielle Schaden, den sie dem Militär zufügen.

Um noch einmal Hathaway zu Wort kommen zu lassen. „Unsere Erfahrungen bieten Antworten auf die Frage: ‚Wie kann ich helfen, den Krieg zu beenden?‘ Nicht alle von uns stimmen mit jedem der hier beschriebenen Ansätze überein, aber wir alle sind der Meinung, dass diese Geschichten es verdient haben, erzählt zu werden. Wir hoffen, mit der Veröffentlichung dieser Berichte mehr Menschen für unsere Sache zu begeistern. Die Bewegung muss größer werden: Nur wenn sich genug Menschen für den Frieden einsetzen, werden wir in der Lage sein, Kriege zu verhindern.“ (11)

Keine der Geschichten ist harmlos, manche sind schwer zu ertragen. Die Menschen, die sich Hathaway offenbart haben und deren Aktivitäten er beschreibt, sind fast alle Opfer extremer Gewalt und Traumatisierung. Manche waren SoldatInnen, erlebten Vergewaltigung oder beteiligten sich an Massakern, bevor sie den Ausstieg fanden. Ein Mann, der heute in den USA unterwegs ist und unbewachte Militärfahrzeuge anzündet, war in seiner Jugend Friedensaktivist, wurde dann zum Drogendealer, tauchte schließlich unter und führt heute ein Doppelleben, in dem er eine scheinbar bürgerliche Existenz mit Anschlägen auf US-Militärgerät verbindet, die er stets allein verübt. Es gibt auch andere, scheinbar private Erzählungen, die aber genauso wenn nicht noch mehr unter die Haut gehen – ein jüdisches Ehepaar, beide mit Verwandten, die im Holocaust umgekommen sind, das sich über die Positionierung zur US-Politik und Israel zerstreitet, oder eine Mutter, die mit ihrem aus dem Krieg zurückgekehrten Sohn eine sexuelle Beziehung aufbaut, um ihn von seinem Trauma zu befreien.

Das Buch ist gut geschrieben und nimmt den Leser sofort gefangen. Es ist eines jener Bücher, die auch noch lange nach dem Lesen in Erinnerung bleiben werden. Es gibt wenige Dokumente, die so schonungslos ehrlich darüber sprechen, was Krieg und Militär Menschen antut – und was sie tun, um sich davon zu befreien.

Hathaway, William T. (2011) Das Ende der Kriege. Wie Kriegsgegner in Deutschland, Amerika, Afghanistan und im Irak für den Frieden kämpfen. Oldenburg: Jesbin Verlag. ISBN 978-3-939276-04-4, 188 S. 14,90 €. Siehe auch http://www.peacewriter.org/

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Hintergrund
Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.