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Bundeswehr wird fünfzig!
Das Gewissen als Wehrkraftzersetzer?
vonDie Bundeswehr feiert ihren 50. Gründungstag, mit Pompöse, Gelöbnissen, Zapfenstreichen usw. Die Eingewobenheit in die Bevölkerung soll beschworen werden. Pseudoreligiöse Rituale sollen dazu dienen, den Soldaten und ihren Waffen höhere Weihen zu verleihen: Helm ab zum Gebet ...
Gewissen begehrt auf!
Aber wenn der Helm ab ist, ist der Kopf zum Glück meistens noch drauf. Von diesem hatte im Irak-Krieg 2003 ein Bundeswehr-Major gewissensmäßig Gebrauch gemacht. Er kam für sich zum Ergebnis, dass er den völkerrechtswidrigen Irak-Krieg der Alliierten in keiner Weise unterstützen dürfe. Doch die Bundeswehr hing in diesem Krieg - trotz offizieller Nichtteilnahme - in vielfältiger Weise mit drin. Konkret hatte der Major mit Computerprogrammen zu tun, deren Gebrauch für den Irak-Krieg seine Vorgesetzten nicht ausschließen konnten. Der Major begehrte auf.
Funktionsfähigkeit der Streitkräfte in Gefahr
Zunächst wurde der Major in der bundeswehreigenen Klapsmühle untersucht, jedoch für gesund befunden. Das Truppendienstgericht rückversetzte ihn zur Strafe in den Dienstgrad eines Hauptmanns und forderte weiterhin seinen Gehorsam ein, da sonst die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte gelähmt oder zumindest in Frage gestellt würde.
Ein mutiges Bundesverwaltungsgericht spricht Recht
Erst in letzter Instanz, vor dem Leipziger Bundesverwaltungsgericht, bekam der Major im Juni 2005 Recht und wurde rehabilitiert. Ein Sieg für die Gewissensfreiheit! Das Gericht stufte den Befehl als unverbindlich ein, da das Gewissen des betroffenen Majors ihm die entsprechende Handlung verboten hatte. Das Gewissen als Grundrecht rangiere eben höher als militärische Befehle bzw. die unbedingte Gehorsamspflicht. Zwar hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit diesem Spruch einer gerichtlichen Bewertung des Irak-Krieges als völkerrechtswidrig geschickt entzogen, aber dennoch schimmert die Einschätzung des Gerichtes mehr als deutlich durch den Urteilsspruch hindurch. Das Urteil sagt im Grunde sogar weitergehend, dass der Major - selbst wenn er den Krieg irrig für völkerrechtswidrig eingeschätzt hätte - zu Recht seinem Gewissen gefolgt wäre.
Aufschrei in der bürgerlichen Presse
Die bürgerliche Presse kommentierte das Urteil weitgehend scharf. Die FAZ sah "ein Tor für Gehorsamsverweigerungen" geöffnet und forderte, "auch die `schrankenlosen` (Anführungszeichen im FAZ-Original!) Grundrechte in einen Ausgleich mit den kollidierenden Werten von Verfassungsrang" zu bringen (24.6.05 / Reinhard Müller). Die Süddeutsche meinte, befehlsverweigernde Berufssoldaten sollten ihren Beruf wechseln: "Ein Offizier, der ... sein Gewissen zum Maßstab der Welt macht und Offizier bleiben will, ist in jedem Fall falsch am Platz" (24.6.05 / Kurt Kister). Diese Zitate machen schon deutlich, wie schlecht es um die Anerkennung der Grundrechte in diesem Land steht, wenn es um konkurrierende staatliche Militärinteressen geht. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar die militärische Landesverteidigung in seiner ständigen Rechtsprechung nach und nach - gegen die ursprüngliche Intention der entsprechenden Verfassungsartikel - zu einem mit Verfassungsrang ausgestatteten Wert hochstilisiert. Dennoch bleibt die Gewissensfreiheit ein unverletzliches Grundrecht!
Die lange Geschichte der Bundeswehr mit dem Gewissen
Militär und Gewissen waren noch nie sehr kompatibel miteinander. Aus der Geschichte des Umgangs mit den Wehrmachtsdeserteuren sollte Deutschland eigentlich seine Lektion gelernt haben. Aber seit es die Bundeswehr gibt, gibt es auch einen Streit um die Auslegung der Gewissensfreiheit hinsichtlich von Wehrdienst/Kriegsdienstverweigerung und Kriegsdienst: Die Kriegsdienstverweigerung selbst wurde entpolitisiert, indem allen Verweigerern ein (fast pathologischer) schlecht verstandener Radikalpazifismus aufgedrängt wurde, der dann in den "Gewissensprüfungen" auseinandergenommen wurde. Die Totalverweigerer haben am konkretesten zu spüren bekommen, wie der Staat mit Knaststrafen Gewissen zu brechen versucht.
Auch unter den Soldaten gab es früher bereits einzelne Verweigerungen. So hatte während der Friedensbewegungsdebatte der 80er Jahre eine Gruppe von Rekruten einen eingeschränkten Eid geleistet und jede Beteiligung an Massenvernichtungswaffen abgelehnt. Auch im Krieg gegen Jugoslawien haben einzelne Piloten ihren Kriegseinsatz verweigert. Die Bundeswehr und die ihren Interessen folgende Rechtsprechung weigerte sich jedoch bislang beharrlich, ein situationsbezogenes Gewissen und entsprechende Entscheidungen von Soldaten zu akzeptieren. Auch Friedensbewegte, die Soldaten immer wieder (u.a. Golfkrieg 1991, Jugoslawienkrieg 1999, Irakkrieg 2003) zur Verweigerung dieser Kriege und völkerrechtswidriger Befehle aufforderten, wurden wegen Aufforderungen zu Straftaten verfolgt.
So kann nun das neue Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in der Tat einen Meilenstein bedeuten auf dem sicher noch langen Weg, dem Grundrecht auf Gewissensfreiheit auch in der Armee zu seinem Recht zu verhelfen. Die Wehrpflicht ist bekanntlich ein Auslaufmodell und die Bundeswehr damit auf dem Weg zum Berufsheer. Um so wichtiger wird es zukünftig, dass gerade Berufssoldaten ihr Gewissen behalten und es zumindest im Fall völkerrechtswidriger Kriege und Befehle zur Geltung kommen lassen, wenn sie schon nicht erkennen, dass Krieg immer ein Verbrechen gegen die Menschen ist.
50 Jahre Bundeswehr sind also für uns kein Anlass zum Feiern. Die neue Ausrichtung der Bundeswehr zu Auslandseinsätzen zur Verfolgung imperialistischer Ziele gilt es anzuprangern und dabei auch konkret die Soldaten auf ihre eigene Gewissensverantwortung hin anzusprechen. Die bevorstehenden Feierlichkeiten zum 50. Gründungstag bieten der Friedensbewegung entsprechende Möglichkeiten.