Visionen in Realitäten umsetzen

Das Global Challenges Network (GCN)

von Hans-Peter Dürr

Vorschläge von Beschäftigten in der Rüstungsindustrie zur Umstellung der Produktion auf zivile Zwecke gibt es schon relativ viele. Anders bei zivilen Alternativen zur Militär- und umweltgefährdenden Forschung. Hier fehlt es vor allem an internationaler, blockübergreifender Kooperation. Ein Schritt dabei ist Global Challenges Network, das wir hier vorstellen.

Das GLOBAL CHALLENGES NETWORK baut Brücken zwischen engagierten Wissenschaftlerinnen, Bürgerinitiativen. und Umweltschutzverbänden sowie staatlichen Stellen und der Industrie.
Seine Projekte überschreiten die Grenzen von Disziplinen ebenso wie die Grenzen von Ländern und politischen Machtblöcken. Nur gemeinsam haben wir die Stärke, die großen Vorhaben endlich anzupacken.
GCN sucht nicht nach neuen Problemen, sondern nach neuen Lösungen, es versucht, bereits vorhandenes Wissen in die Lösung drängender Probleme umzusetzen.
GCN appelliert an die Wissenschaftler, ihre Verantwortung für ihr Tun auf sich zu nehmen und insbesondere ihre Verbindungen für eine Zusammenarbeit zwischen Ost und West und die Rettung unseres Planeten zu nutzen.
GCN erschließt Bürgerinitiativen und engagierten Gruppen den Zugang zu kritischer Sachkompetenz. GCN ermöglicht ihnen, ihre Forderungen mit qualifizierten Argumenten zu untermauern und verleiht ihnen damit mehr Gewicht. GCN bietet Menschen eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich ehrenamtlich zu engagieren, mit Gleichgesinnten zusammenzukommen, am Aufbau der Organisation mitzuwirken und Visionen in Realitäten umzusetzen.
Diese Anregungen sind überall dort unverzichtbar, wo eine kritische Gegenöffentlichkeit,  die von Industrie und Staat Maßnahmen zum Schutz der Umwelt einklagt, angesichts des er¬rückenden Wissensvorsprungs der "Gegenseite" in Beweisnot gerät.

Welche Projekte werden gegenwärtig betrieben? – Das Meßnetz
Das Meßnetz soll die Arbeit all jene Gruppen und Einzelpersonen unterstützen, die sich aktiv gegen die fortschreitende Zerstörung unserer natürlichen Umwelt zur Wehr setzen. Die Teilnehmerlnnen am Meßnetz geben nach standardisierten Regeln ihre Wahrnehmungen, Beobachtungen und Messungen von Umweltschäden in einen Personalcomputer ein, der mit anderen durch das Telefon verbunden ist. Die eingegebenen Daten werden entweder selber oder von einem lokalen Meßnetz-Zentrum oder auch von den Teilnehmerinnen selbst verarbeitet. Mit Hilfe der zusammengefaßten Daten können beweisbare Aussagen über den Zustand der Umwelt in den erfaßten Regionen gemacht werden. Um möglichst vielen engagierten Bürgerlnner eine Chance zum Mitmachen zu geben, wurden für die Pilotphase Sachgebiete ausgewählt, auf denen auch informierte Laien ein gewichtiges Wort mitreden können; so zum Beispiel bei der Erfassung von Bioind¬katoren, mit denen die Wasserqualität von Bächen und Flüssen bestimmt werden oder bei der Bestimmung des Nitratgehalts des Trinkwassers oder des Schwefeldioxidgehalts der Luft. Sobald die Teilnehmerinnen und die Betreiberinnen ausreichend Erfahrung gesammelt haben, werden weitere Methoden wie die Bestimmung von Waldschäden oder der Radioaktivität der Luft hinzukommen.
Das Meßnetz ist ein Beispiel dafür, wie moderne Kommunikationstechnik auf dem Gebiet des Umweltschutzes angewendet werden kann. In der Auswahl der einzelnen Meßtechniken stand dem Meßnetz dessen wissenschaftlicher Beirat zur Verfügung, dem Wissenschaftler aller für die jeweilige Fragestellung relevanten Disziplinen angehören.

Initiative "Saubere Ostsee"
Robbensterben, Algenblüte, Wüsten auf dem Meeresboden, Schwimmverbot für hunderte Kilometer von Stränden sind nur einige Symptome, die deutlich machen, wie krank die Ostsee ist. Die Ursachen sind die verschmutzten Flüsse und die vergiftete Luft aus vier westlichen und drei östlichen Staaten. Wenn das Problem nicht durch die vereinigten Anstrengungen aller Anrainer angegangen wird, ist der Tod allen Lebens für dieses Meer unausbleiblich.
Im November 1988 lud das Global Challenges Network engagierte Umweltschützerinnen und Wissenschaftlerinnen aus West und Ost zu einem Workshop ein, auf dem an Strategien und Wegen zur Überwindung der wichtigsten Engpässe gearbeitet wurde. Das Ergebnis des Treffens war die Initiative "Saubere Ostsee", in der Menschen und Organisationen aus der Bundesrepublik Deutschland, Schweden, Polen, der Sowjetunion und Dänemark zusammenwirken. Wichtige Umweltgruppen wie der Bund Naturschutz, World Wide Fund for Nature, der Polnische ökologische Klub, die neugegründete Estische Grüne Bewegung haben beschlossen, gemeinsam das Problem anzupacken. Alle anderen unabhängigen Gruppen sind ebenfalls eingeladen, mitzuarbeiten. Ein erster Schritt besteht darin, Polen zu helfen, die Situation der Weichsel, die zu den am stärksten verschmutzten Flüssen der Welt zählt, zu bessern. Weitere Schritte sind die Reduzierung der Düngung, das Umdirigieren von Investitionen dorthin, wo sie am wirksamsten sind, der Austausch von technischem Wissen, besonders auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft, und die Aufklärung der Bevölkerung.
Das Global Challenges Network spielt die Rolle des Vernetzers und der treibenden Kraft, die immer mehr Gruppen zur Zusammenarbeit bringt, womöglich für viele Jahre. Die Initiative "Saubere Ostsee" ist ein vielversprechender Anfang, aber es ist noch ein langer Weg bis zum Erfolg.

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Prof Dr. Hans-Peter Durr ist Physiker und Gründer von Global Challenges Network.