Es vertieft die Gräben und sät zusätzliches Mißtrauen

Das neue Ausländergesetz

von Irmgard Jasker

Ende Oktober erklärte das Bundesverfassungsgericht das kommunale Wahlrecht, das die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein beschlos­sen hatten für verfassungswidrig. Aus den Bundesländern der ehemali­gen DDR kommt ein neuer Schub Ausländerfeindlichkeit auf uns zu. Die Debatten über AsylbewerberInnen verschlimmert das Klima zusätzlich. Im April hat der Bundestag in Bonn ein neues Ausländergesetz be­schlossen. Wir lesen darüber, hören von nachteiligen Konsequenzen, aber wissen doch nicht über die neuen Bestimmung Bescheid.

 

Eines unsere Mitglieder, Irmgard Jasker, hat die Bedenken dem neuen Gesetz ge­genüber knapp zusammengetragen.

 

Geichzeitig hat sie einen Antrag an die Stadt, in der sie wohnt, verfaßt, um da­mit wenigstens vor Ort das Gesetz zu problematisieren und die negativen Fol­gen für die in unserem Land wohnenden AusländerInnen abzufangen.

Wir bringen im folgenden die Informa­tion und gleichzeitig auch den Antrag an die Stadt als Anregung für die eigene Arbeit.

Das neue Ausländergesetz, das der Bun­destag im April, letzten Jahres, be­schlossen hat, erfüllt uns mit großer Sorge. Nach unserer Einschätzung ge­fährdet es den inneren Frieden in unse­rem Lande, weil es geeignet ist, Men­schen in ihren ohnehin eingeschränkten Rechten noch weiter zu beschneiden, und sie in Unsicherheit und Angst zu versetzen. Zwischen deutschen und ausländischen BürgerInnen vertieft es Gräben und sät Mißtrauen.

Folgende Punkte erscheinen uns beson­ders kritikwürdig:

  1.  Der Bundesinnenminster erhält alle wesentlichen Kompetenzen. Die politi­sche Einflußnahme der Länder ist na­hezu ausgeschlossen. Regelungen, die im Gesetz nicht abschließend formuliert sind, können durch Rechtsverordnung des Innenministers eingeschränkt, ver­ändert oder aufgehoben werden ( 3, 9, 10, 64, 65). Damit widerspricht das Ge­setz dem föderalistischen Prinzip.
  2. Die Ausländer unterliegen einer tota­len, datenmäßigen Erfassung. Behörden und "öffentliche Stellen" sind ver­pflichtet, oder können verpflichtet wer­den, Informationen über AusländerIn­nen an  die Ausländerbehörden weiter­zugeben. Und zwar geht es um Erkennt­nisse, die den Betroffenen zum Nachteil gereichen, z.B. zur Ausweisung führen können (Sozialhilfebezug, Hilfe zur Er­ziehung usw.). Unklar bleibt, was eine "öffentliche Stelle" ist. Über die aufge­führten Behörden wie Jugend- und Sozialämter hinaus kann es eine Schule, eine Beratungsstelle oder ein Wohl­fahrtsverband sein. Sie alle müßten das Vertrauen der von ihnen Beratenen und Betreuten mißbrauchen. Dies möglichen Auswirkungen der  75 und 76  halten wir für besonders bedenklich und aus der Erfahrung mit der jüngsten deut­schen Geschichte für gefährlich. Be­griffe wie Bespitzelung und Denunzia­tion drängen sich auf.
  3. Die verschiedenen Arten von Aufent­haltgenehmigungen stellen in den mei­sten Fällen eine Verschärfung gegen­über dem bisherigen Recht dar ( 3 bis 35). Verbesserungen für Familienangehörige werden durch die weitgefaßten Ausweisungsgründe zunichte ( 45 ff). Lediglich die schwer zu erreichende Aufenthaltsberechtigung bietet langfri­stig Sicherheit für die Betroffenen.
    Bei Inkrafttreten des Gesetzes gibt es nur für die ausländischen Menschen eine gesicherte Zukunft, die jetzt schon eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis haben. Schon die Geburt eines Kindes oder eine auslaufende Arbeitserlaubnis kann für andere das Raus bedeuten ( 13, 14, 96).
    Daß alle Aufenthaltsgenehmigungen von dem Nachweis ausreichenden Wohnraums anhängig gemacht werden, ist angesichts des herrschenden Woh­nungsmangels geradezu zynisch.
  4. Die Verbote und Einschränkungen politischer Tätigkeit sind extrem weitge­faßt.
    Der dafür zuständige  37 wäre leichter zu ertragen, wenn nicht nur die Auslän­derInnen für die Mißachtung der Grundwerte "einer die Würde des Men­schen achtenden staatlichen Ordnung" bestraft werden würden, während die tagtäglichen ausländerfeindlichen Stö­rungen noch nicht einmal mit einem Bußgeld geahndet werden.
  5. Die Gründe für die Ausweisung sind teilweise so formuliert, daß sie dem Prin­zip des Sozialstaates widersprechen. Ausweisungsgründe sind u.a. Notlagen wie längerfristige Obdachlosigkeit, Sozialhilfebezug, Hilfe zur Erziehung und Hilfe für Volljährige ( 45, 46, 47).
  6. Menschen aus Krisengebieten oder Unrechtsstaaten müssen in Zukunft da­mit rechnen, an der Grenze zurückge­wiesen zu werden ( 60, 66). Weil wir in all diesen neuen Bedingungen eine Tendenz zur Verschlechterung nicht nur der Situation der Betroffenen, sondern des gesamten politischen Klimas sehen, wenden wir uns gegen das Gesetz. Wir bitten die Ratsversammlung der Stadt sich als "Weltoffene Gemeinde" zu zei­gen, indem sie sich mit diesem Gesetz auseinandersetzt, eine entsprechende Resolution verfaát und diese den ande­ren "Weltoffenen Gemeinden" zukom­men l„át, um diese ebenfalls zu bewe­gen, gegen dieses Gesetz anzugehen.

Die Landesregierungen sollen gebeten werden, das bereits beschlossene Gesetz verfassungs- und datenschutzrechtlich überprüfen zu lassen.

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Irmgard Jasker