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Interview mit Paul Russmann
Demo: Entrüstet Daimler
vonPaul Russmann (Ohne Rüstung Leben) war einer der OrganisatorInnen der Demonstration "Entrüstet Daimler", die am 17. November in Stuttgart stattgefunden hat. (Wir berichteten im letzten Friedensforum.) Wir haben ihm ein paar Fragen zur Demo und zur weiteren Arbeit gegen den Rüstungskonzern Daimler-Benz gestellt.
Red: Paul, Du bist einer der OrganisatorInnen der Demonstration. Kannst Du ein paar Sätze zum Ablauf der Demo sagen und ob Du im Rückblick zufrieden bist?
Paul Russmann(PR): Die Demonstration war keine sehr große; ungefähr 5.000 Teilnehmer sind gekommen, was mehr war als wir erwartet hatten. Gleichzeitig war es eine schöne und sehr bunte Demonstration, die unüberhörbar war durch die musikalische Begleitung durch Samba-Gruppen und lateinamerikanische Musik.
Insgesamt sind wir zufrieden mit der Demonstration, denn es war im Bereich der Rüstungsexporte die bisher größte Demo, die es gegeben hat und die hat eine sehr positive Resonanz bekommen. Das Presseecho im Vorfeld war hier im baden-württembergischen Raum so groß· wie lange nicht mehr. Die Pressekonferenz war die bestbesuchte, die seit 1984 im Bereich der Friedensbewegung stattgefunden hat. Das Presseecho als solches war in regionalen Zeitungen und Zeitschriften ganz gut und es hat relativ viele Rundfunkinterviews mit uns gegeben, die auch gesendet worden sind. Was auch wichtig war, war die Unimog-Tour, die im Vorfeld stattgefunden hat: Ein Daimler-Unimog ist mit einem Zirkuswagen durch mehrere Städte der Bundesrepublik gefahren, in den Städten wurden Infoveranstaltungen durchgeführt und auf Marktplatze Infos für die Demonstration verteilt.
Red: Die Demonstration ist schon seit längerer Zeit geplant gewesen, schon lange vor Beginn der Golfkrise. Kann man sagen, da· sich durch die Golfkrise ihr Schwerpunkt verlagert hat und die Demo beinahe zu einer Demonstration gegen die militärische Intervention Golfkrise wurde. Stimmst Du dieser Einschätzung zu und wie beurteilst Du diese Entwicklung?
P.R.: Die Demo war ursprünglich geplant unter dem Motto "Entrüstet Daimler". Wir haben das dann während der Golfkrise ergänzt um das Motto "Kein Krieg am Golf", sehen das aber nicht als Schwerpunktverlagerung, sondern als Ergänzung. Es war eine notwendige Ergänzung, denn gerade die Daimler-Tochter Messerschmitt-Bîlkow-Blohm (MBB) war an zahlreichen Rüstungslieferungen an den Irak beteiligt.
Red.: Es heißt, da· Daimler Gespräche über Konversion mit der Friedensbewegung angeboten hat. Ist das wahr und wenn ja, nimmt die Kampagne dieses Angebot an?
P.R.: Wir sind schon im Frühjahr auf Daimler zugegangen und haben um ein Gespräch mit dem Vorsitzenden der Deutschen Aerospace AG, dem Rüstungsbereich im Daimler-Konzern, gebeten. Wir sind dann im Juni mit einer sechsköpfigen Delegation dort gewesen und haben auch vereinbart, diese Gespräche fortzusetzen. Es ist das Bestreben von Daimler-Benz, den Anteil an Rüstung zu reduzieren. Sie sind interessiert an Gesprächen mit Gewerkschaft, Kirchen usw., denn Daimler legt Wert auf sein positives Image. Ob man es als Vereinnahmungsstrategie bezeichnen kann, weiß· ich nicht. Sie wollen wohl unsere Argumente auch hören, um ihre Produkte besser verkaufen zu können.
Es stellt sich natürlich auch die Frage, welche Projekte an die Stelle der Rüstungsproduktion treten soll. Wir sagen, es sollen sozial nützliche und umweltverträgliche Güter sein. Daimler im Gegensatz orientiert sich allein daran, was sich am besten verkaufen läßt und strebt eine Produkt-Diversifikation an. In einem Satz: Wir wollen eine politische Konversion, keine technische.
Gleichzeitig fordern wir ein Verbot von Rüstungsexporten und Rüstungswerbung und die Veröffentlichung der betriebsinternen Richtlinien für Rüstungsexporte. Laut Daimler sollen diese Richtlinien strengere Maßstäbe anlegen als die gesetzlichen Bestimmungen über Rüstungsexporte.
Red.: Die letzte Frage: Wie geht es mit der Arbeit gegen Daimler weiter?
P.R.: Die Kampagne "Entrüstet Daimler" ist langfristig angelegt. Wir werden uns weiter an drei Entscheidungsträger wenden: Erstens sind das die Entscheidungsträger bei Daimler-Benz (die Aktionäre, der Vorstand und die Betriebsräte), zweitens sind das die Entscheidungsträger in Politik und Kirche und drittens die Öffentlichkeit.
Bezüglich Daimler-Benz werden wir wieder eine Aktion bei der Aktionärshauptversammlung machen, das Gespräch mit dem Vorstand Fortführen und im Konversionsbereich mit der Gewerkschaft zusammenarbeiten. Die IG Metall wird z.B. im nächsten Jahr eine Konversionsfachtagung durchführen.
Neben unseren Kontakten zu Grünen und SPD werden wir im Bereich von Politik und Kirche verstärkt versuchen, mit kirchlichen Entscheidungsträgern
und besonders mit CDU- und FDP-Politikern ins Gespräch zu kommen.
In Bezug auf Öffentlichkeitsarbeit Überlegen wir derzeit folgendes:
- ein Sport- oder Kulturfestival "Entrüstet Daimler" durchzuführen, weil Daimler ja sehr stark in diesem Bereich als Sponsor auftritt.
- Aktionstage "Entrüstet Daimler". Das ist gut regional möglich, weil Daimler ein flächendeckendes Netz von Verkaufsniederlassungen hat.
- Wir werden sehen, ob wir, wenn sich im nächsten Jahr nichts Entscheidendes ändert, 1992 verstärkt direkte gewaltfreie Aktionen durchzuführen.
Red.: Vielen Dank für dies Interview und viel Erfolg weiterhin bei Eurer Arbeit.
Nächstes Vernetzungstreffen der Kampagne: 15.-17. Februar in Mainz. Dazu sind alle Interessierten herzlich eingeladen.
Kontaktadresse: Entrüstet Daimler, Bahnhofstr. 18, 6270 Idstein, Tel.:06126/53118, Fax: 06126/54660