Türkei

Den Kreislauf der Gewalt stoppen

von Christine Schweitzer

Neun deutsche Friedensorganisationen wenden sich angesichts des Krieges im Südosten der Türkei an die Bundesregierung. Der Krieg findet weitgehend abseits der Aufmerksamkeit der internationalen Öffentlichkeit statt – Terroranschläge, der Krieg in Syrien und die Flüchtlingsfrage dominieren die Tagesordnung. Dass Präsident Erdogan im Dezember 2015 ankündigte, die PKK zu vernichten, und 10.000 Soldaten und Polizisten u.a. in die Städte Silopi und Cizre schickte, ging dabei unter. Aber angesichts der Gewalt und der Menschenrechtsverletzungen in den vom Krieg zwischen türkischer Regierung und PKK betroffenen Regionen fordern die InitiatorInnen, dass die deutsche und europäische Politik nicht länger wegsehen darf, und haben zu diesem Zweck eine Online-Petition bei Weact-Campact gestartet, die sich an Außenminister Steinmeier richtet. Sie wird ergänzt durch Postkarten, die mehrere Organisationen an ihre UnterstützerInnen mit der Bitte verteilt haben, sie direkt an das Auswärtige Amt zu senden. Bis Anfang April sind schon deutlich über 5000 Unterschriften eingegangen. Und auch auf Ebene der EU gibt es die gleichlautende Petition, gerichtet an die „EU-Außenministerin“ Federica Mogherini.

Im August 2015 begann erneut der gewaltsame Konflikt zwischen der türkischen Regierung und bewaffneten kurdischen Gruppen in der Türkei, nachdem im Juli 2015 der türkische Präsident Erdogan den Friedensprozess mit der PKK aufgekündigt hatte. Damit wurden erste Ergebnisse eines bereits bestehenden Friedensprozesses zunichte gemacht. Opfer ist die Zivilbevölkerung. Die türkische Armee setzt willkürlich Panzer und schwere Waffen ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung ein. Stadtviertel werden bombardiert. Hunderte von Toten, wochenlange Ausgangssperren in mehrheitlich von KurdInnen bewohnten Städten und Regionen sowie schwere Menschenrechtsverletzungen haben zu einer humanitären Krise geführt. Zudem nimmt die Türkei gleichzeitig die kurdischen Siedlungsgebiete in Syrien unter Beschuss. Bei seiner Neujahrsansprache erklärte Präsident Erdogan, er wolle die PKK "bis zum Ende" bekämpfen lassen. "Unsere Sicherheitskräfte säubern sowohl die Berge, als auch die Städte Meter um Meter von den Terroristen und sie werden mit der Säuberung weitermachen", sagte er lt. Spiegel Online vom 31.12.2015. In 2015 seien dabei 3.100 Aufständische und 200 Sicherheitskräfte getötet worden. Wie viele ZivilistInnen ums Leben kamen, darüber sprach er nicht.

Und auch die PKK erklärt, dass sie den Krieg fortsetzen wolle: Cemal Bayik, der Führer der PKK Und im März sagte er gegenüber der BBC: “Bis vor kurzem fand der Kampf gegen die türkische Armee nur in den Bergen statt. Später breitete er sich in die Städte aus. Jetzt wird er überall sein.“ Und: „In dieser Phase des Kampfes wird jeder Befehl, den wir unseren Guerilla-Kämpfern gegen, legitim sein.“ (Zitiert nach: http://bianet.org/english/politics/173007-bayik-there-will-be-war-everyw...).

Alles spricht also dafür, dass sich die Lage wahrscheinlich verschlimmern wird, wenn die Gewalt auf beiden Seiten nicht gestoppt werden kann.

Die deutsche Regierung schaut aber weg, im Verbund mit der Europäischen Union. Sie hoffen, dass die türkische Regierung Flüchtlinge davon abhalten wird, die EU zu erreichen, und die Außengrenzen schließt. Sie wollen auch das NATO-Mitgliedsland Türkei nicht verärgern, das ein wichtiger NATO-Stützpunkt für den Krieg gegen den IS in Syrien und Irak ist. Mit dieser Politik riskieren die europäischen Regierungen eine neue Flüchtlingstragödie.

Am 16. Februar 2016 erklärte die Berichterstatterin der Europäischen Union, Kati Piri, kurz nach ihrem Besuch in Diyarbakır: "Im Südosten der Türkei mussten schätzungsweise 400.000 Menschen wegen der heftigen Kämpfe ihre Häuser verlassen. In einigen Städten dauern die Ausgangssperren seit mehr als zwei Monaten an." Kati Piri ruft die Europäische Union zudem auf, sich für einen sofortigen Waffenstillstand und die Wiederaufnahme des türkisch-kurdischen Friedensprozesses einzusetzen.

Die Initiatoren sind: Bund für Soziale Verteidigung, Connection e.V., Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Dialog-Kreis „Die Zeit ist reif für eine politische Lösung im Konflikt zwischen Türken und Kurden“, Internationaler Versöhnungsbund – Deutscher Zweig, Komitee für Grundrechte und Demokratie, IPPNW, pax christi – Diözesanverband Limburg und War Resisters‘ International.

Die Adresse der Online-Petition an Außenminister Steinmeier: https://weact.campact.de/petitions/stoppt-den-kreislauf-der-gewalt-in-der-turkei

Die Online-Petition an die EU: https://you.wemove.eu/campaigns/stop-violence-in-turkey

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Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.