Eine Woche vor Ostern rufen wir mit unserem Aufruf "Kriege stoppen - Frieden und Abrüstung jetzt! " in mehreren Zeitungen zur Teilnahme an den Ostermärschen 2025 auf. Hilf auch du mit bei der Mobiliserung!
Den Winter überleben
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Die Gastfamilien, die zum Teil seit Dezember mit wachsender Sorge auf "ihre" Flüchtlinge warten, hatten schon fast jede Hoffnung aufgegeben. Von den mehr als 2.000 bosnischen Menschen auf unserer Dringlichkeitsliste waren bis Ende Februar "erst" knapp 400 in der Bundesrepublik eingetroffen. Jetzt - Anfang März - ist es für viele endlich so weit: Mehrere von serbischen Roten Kreuz organisierte Konvois passieren die bosnisch-kroatische Grenze und mehr als 360 Flüchtlinge aus Bosanska Dubica treffen in der Bundesrepublik ein. (Seit Anfang des Jahres hat dagegen die Bundesregierung ca. 260 "Kontingent-Flüchtlinge" aufgenommen!).
Die Flüchtlinge, die am 4. März in 4 Bussen und 20 Autos in Novska eingetroffen sind, kommen mit leeren Händen: Auf der kurzen Strecke von Dubica nach Gradiska wurden sie von serbischen Einheiten sechsmal gestoppt, gefilzt und ausgeplündert.
Die mit einem Minimum an bürokratischem Aufwand organisierte und von Spenden finanzierte Initiative "Den Winter überleben" ist in den letzten Wochen für viele bosnische Muslime zum rettenden Strohhalm geworden. 2350 Flüchtlinge sind von uns erfaßt, wesentlich mehr haben sich an uns gewandt. Immer häufiger bitten uns in der BRD lebende ex-jugoslawische StaatsbürgerInnen verzweifelt um Hilfe bei der Rettung ihrer Verwandten. Ungefähr 400 Flüchtlinge haben seit Beginn der Initiative (10. Dezember 1992) bei Gastfamilien in Deutschland Zuflucht gefunden. Weitere 100 Menschen warten noch mit fertigen Papieren an verschiedenen Orten Bosniens auf eine Möglichkeit der Flucht.
Die meisten Muslime, die unsere Hilfe suchen, leben in der sogenannten "serbischen Republik" Bosnien-Herzegowinas (Karadzic-Regime). In dieser Region, die für die hiesigen Medien ein blinder Fleck ist, befindet sich die Bevölkerung in größter Gefahr. Aus allen Städten und Dörfern erreichen uns Berichte über Massaker. Nach der Beerdigung an der Front gefallener serbischer Soldaten kommt es zu "Vergeltungsaktionen" (Faustregel: 1 gefallener Soldat = 10 ermordete Muslime). Für Muslime herrscht Ausgangssperre. Viele Menschen hausen seit Monaten im Keller. Wenn sie aus der Heimat fliehen müssen, wird ihr gesamter Besitz auf Serben überschrieben.
Aufgrund des großen Engagements der Gastfamilien funktioniert die soziale Integration der Flüchtlinge in den meisten Fällen hervorragend. Die BosnierInnen besuchen Deutschkurse, manche haben schon Arbeit gefunden, die Kinder gehen zur Schule. Für die deutschen GastgeberInnen ist die ungewohnte Anstrengung, sich über Sprachbarrieren hinweg mit den Menschen über ihre traumatischen Erlebnisse zu verständigen, eine Quelle menschlicher Bereicherung. Sie stellen Kontakt her zu sprachkundigen ex-jugoslawischen StaatsbürgerInnen an ihrem Wohnort und machen Erfahrungen mit Behördenwillkür, die üblicherweise nur AusländerInnen "vorbehalten" ist. - Wir sehen darin auch einen Beitrag zum Abbau rassistischer Vorurteile.
Kommunen und Länder bauen den Gastfamilien zum Teil unüberwindliche Hürden beim Einladungsvorgang auf und bremsen damit die Hilfsbereitschaft: So werden noch immer nicht in allen Bundesländern die Krankenkosten vom Sozialhilfeträger übernommen. Für die Gastfamilien, die dann nur auf begrenzte Reisekrankenversicherungen zurückgreifen können, kommen damit unabsehbare Risiken im Fall einer Erkrankung oder gar eines Krankenhausaufenthalts zu. Außerdem werden in manchen Kommunen Verpflichtungserklärungen für mehrere Jahre, die gesamte Kriegs- oder Aufenthaltsdauer verlangt. Aber auch hier lassen sich die Gastfamilien nicht völlig abschrecken: Befreundete Familien, Friedensgruppen und Kirchengemeinden schließen sich zusammen, um sich in die Verantwortung teilen.
Auch zum Austausch von Erfahrungen und praktischen Tips und um den Kontakt ihrer Gäste untereinander zu ermöglichen treffen sich Gastfamilien in Regionalgruppen.