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Der alltägliche Rassismus gegen Frauen
vonIn diesem - von uns gekürzen - Artikel geht es um die Ursachen und die Entstehunggeschichte von Rassismus und Sexismus und um Solidartät zwischen deutschen und ausländischen Frauen
Ich setze Rassismus und Sexismus bewußt nebeneinander, denn beide haben ihren ideologischen und theoretischen Ursprung in der europäischen Aufklärung. Das heißt nicht, daß es vorher keine Frauenunterdrückung gab oder davor keine fremden Völker unterdrückt oder ausgebeutet wurden. Ich halte einen kleinen Rückgriff auf die Geschichte für nötig, weil heute mit der ökonomischen und ökologischen Krise wieder Stimmen zu hören sind, die ein erneutes "Zurück zur Natur" propagieren und sich dabei insbesondere auf nichteuropäische Kulturen beziehen. Ein weiterer Grund, warum Rassismus und Sexismus an ihren Wurzeln gepackt werden müssen, ist, daß der alltägliche Rassismus von heute nicht nur ein Problem ist für ausländische Minderheiten in unserer Gesellschaft ist. Die besondere Ausprägung des rassistischen Sexismus ist auch das Problem für mitteleuropäische Frauen, die sowohl als Täterinnen als auch als seine Opfer fungieren, in der Vergangenheit ebenso wie heute. Es ist kein Zufall, wenn heute in den Medien oder den Regierungsprogrammen über zu viel ausländische Kinder und Überfremdung des Deutschen gesprochen und gleichzeitig beklagt wird, daß die Deutschen ausstürben.
Rassismus und Sexismus haben Tradition
Die Ursprünge des Rassismus stammen aus den sozialdarwinistischen Gedanken des 19. Jahrhunderts. Im Zeitalter der Aufklärung beschäftigten sich Wissenschaftler verstärkt mit der Definition der Stellung des Menschen in der Natur. Theoretisch wurde die Trennung zwischen Mensch und Natur vollzogen. Der Mensch wurde zum Mittelpunkt der Erde proklamiert, und man definierte ihn als dynamischen Täter.
Die Natur wurde degradiert und als ein geschlossener statischer Zustand verstanden. Aber die Trennung bestimmte nicht allein das Verhältnis von Menschen und Natur, sondern auch die Beziehung der Menschen zueinander. Mit Hilfe biologischer, evolutionärer Theorien sollte die soziale Entwicklung menschlichen Lebens gesteuert werden, der Begriff "Naturvölker" tauchte als Gegensatz zu den sogenannten zivilisierten Völkern auf. Dies war der Beginn einer ideologischen Hierarchisierung der Menschheit und ihrer verschiedenen Völker. Den Weißen sprach man die Rolle des zivilisationsfähigen, rationalen Menschen zu, der an der Spitze der menschlichen Pyramide steht, die fernöstlichen Völker galten als unkreativ und materialistisch, und die Völker Afrikas stempelte man zu unfähigen, wenig intelligenten, der Natur verbundenen, allenfalls sinnlichen Kreaturen. Im Rahmen dieser Hierarchisierung wurde der Begriff Rationalität immer enger, bis er schließlich nur dem Weißen, das heißt weißen Mann zugesprochen wurde. Die weiße Frau war nicht naturwüchsig wie die Naturvölker, aber man sah sie doch emotional, kindlich und mehr im Bereich der Gefühle lebend. De facto war sie entmündigt und dem Mann ausgeliefert. Die weißen Patriarchen gingen daran, die Welt rational unter sich zu organisieren und ihre zivilsatorische Mission über den ganzen Erdball auszubreiten. Koloniale Eroberungen, Raub, Plünderungen, Völkermord, Ausbeutung und Unterdrückung, sie alle fanden ihre ideologische Legitimation in den rassistischen, sexistischen, naturfeindlichen Ideen.
Rassismus ist Ausbeutung, Unterdrückung und basiert auf ethnischer Zugehörigkeit und biologischen Charakteristika, wie Hautfarbe, Augen, Haare und Körper. Er ist aber auch Ausbeutung und Diskriminierung, die auf kulturellen Unterschieden beruhen. Vor allem in der Bundesrepublik setzt sich heute der letzte, der kulturelle Rassismus immer mehr durch. Das beinhaltet insbesondere die systematische Diskriminierung von Menschen, die anders handeln und anders sind als es die westliche Kulturnorm vorschreibt. Für uns Ausländer heißt das, daß unsere nationale und Kulturelle Identität gebrochen werden soll, daß man uns zu entmündigten Menschen zweiter Klasse degradiert und uns gleichzeitig auch ökonomisch diskriminiert. Der Rassismus heute zielt nicht mehr nur auf die Diskriminierungen von Menschen aus ehemaligen Kolonien. Genauso, wie sich die Ausbeutung auf andere Länder ausgeweitet hat, verschiebt sich auch das Ziel rassistischer Diskriminierung. Während in England Inder und Schwarze und in Frankreich Araber rassistisch diskriminiert werden, sind es in Deutschland an erster Stelle die Türken. Rassismus ebenso wie Sexismus sind nicht nur eine Frage von Bürokratien und Behörden oder gar ökonomischer Ausbeutung. Rassismus ist ein fester Bestandteil unseres Alltages.
Rassismus ist die Macht zu diskriminieren
Was heißt das nun konkret für die ausländische Frau oder das ausländischen Mädchen in dieser Gesellschaft? Zum einen gibt es sie nicht. Sie hat nichts, womit sie sich hier identifizieren kann, sie ist praktisch nicht existent in dieser Gesellschaft. Das Bild der Frau, das hier vermittelt wird in den Medien, hat nichts mit ihr zu tun. Die Frauenprobleme, die in den Medien oder sonst wo diskutiert werden, haben wenig mit ihren gemeinsam. Ich lebe seit 13 Jahren in einem Land, wo es mich gar nicht gibt. Auch in den Diskussionen über Ausländerrecht wird die ausländische Frau kaum erwähnt, auch dann nicht, wenn das Ausländeramt verschärft wird. Sie wird einfach ignoriert. Es kein Wunder, daß eine 13-j„hrige Marokkanerin nicht als solche erkannt werden will oder da? Ein Mischlingskind nicht von seiner schwarzen Mutter von der Schule abgeholt werden will.
Zum anderen wird sie stereotypisiert, zum Beispiel als total entmachtete Frau, als dem deutschen Mann ergebene Exotin, oder, beiden Linken, als kämpfende Befreierin.
Rassismus ist nicht das gleiche wie Vorurteile, womit er öfter verwechselt wird. Rassismus ist vielmehr die Macht zu diskriminieren. Das berührt auch die Einstellung zu der allseitig geliebten und geförderten Integration. Wir sollen in die herrschende Kultur, d.h. in die Kultur der Herrschenden integriert werden. Zu fragen ist daher, in was sie sich integrieren soll, welches Bild für sie gemeint ist. Soll sich einfühlen in die Einsamkeit der deutschen Hausfrau, in ihre emotionale und ökonomische Abhängigkeit von einen einzelnen Mann, oder in das gehetzte, mechanisierte, entmenschlichte Dasein der deutschen Arbeiterin, oder in das frustierende, auf Leistung fixierte Leben der intellektuellen Frau? Ist es vielleicht das Frauenbild der Medien, der Werbung, der Vergnügungsindustrie oder gar der Pornohefte, das Vorbild zur Integration sein soll? Ich persönlich will nicht so integriert werden.
Die gemeinsame Auseinandersetzung mit unserer Unterdrückung in der Frauenbewegung
Wir müssen allerdings aufhören, nur das uns Trennende zu sehen und die Gemeinsamkeiten in der Form der Unterdrückung für Frauen, deutsche und Frauen gleichermaßen reflektieren. Sie herauszufinden ist nicht möglich nur über Analogien oder Begriffe von ökonomischen Ausbeutungsmechanismen, sondern mit Blick auf unser alltägliches Leben. Der Kern einer möglichen Solidarität zwischen uns liegt in der stündigen Auseinandersetzung in unserem Alltag. Die feministische Bewegung hat das Persönliche zum Politischen gemacht und umgekehrt das Politische zum Persönlichen. Hier sehe ich den Ausgangspunkt auch für den gemeinsamen antirassistischen Kampf, der gleichzeitig ein Kampf gegen Sexismus sein muß. Indem wir unseren eigenen Erfahrungen als Unterdrückte ausgehen, können wir die Erfahrungen der anderen erkennen und sie auch politisch begreifen.
An dieser Stelle muß die Beziehung deutscher und ausländischer Frauen reflektiert werden. Deutscher Frauen haben, bis auf die weiblichen Patriarchen, vielleicht kennen direkten Einfluß auf die rassistische Unterdrückung und Ausbeutung. Es ist vielmehr die institutionalisierte Form des Rassismus, die von ihnen verinnerlicht wurde. Die deutsche Frau, obwohl selbst unterdrückt, ist ein Teil dieser Gesellschaft, das heißt, sie ist ein Teil der Herrenkultur, auch die politisch bewußte Frau. Dadurch rückt sie zwangsläufige in eine dominante Position gegenüber der Ausländerin. Deshalb bitte ich meine deutsche Schwester, wenn sie gegen Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Sexismus kämpft, auch gleichzeitig bei sich selbst nach Antworten auf die Frage zu suchen, warum zum Beispiel keine Ausländerinnen in der Bewegung sind, warum es so schwierig ist, gemeinsame Strategien und Überwindungsmöglichkeiten zu entwickeln. Häufig läuft die Solidarität zwischen uns doch auf der moralischen Ebene, verbunden mit einer Sozialarbeitermentalität, von oben herab. Sozialarbeit beinhaltet aber keine gleichberechtigten Aktionen.
Eine weitere bliche Form der Begegnung zwischen uns ist es, Solidaritätsgröße zu verlesen mit starken Berührungsängsten beiderseits. Hier findet eine echte Auseinandersetzung nie statt. Auch schon in den 60er und 70er Jahren wurde die Dritte Welt von den hiesigen Linken instrumentalisiert für die eigenen revolutionären Wünsche. Die Wurzeln für diese Denken liegen nach wie vor in der Geschichte des Rassismus, nur daß die Ideologie von der Natur zur Ideologie von der "gerechten" Gesellschaft geworden ist.
Der Kern zu einem antirassistischen, antiausländerfeindlichen Kampf ist in der Frauenbewegung vorhanden, wo das Politische und das Persönliche ineinander gehen. Solidarität wird dann heißen, an uns selbst anzusetzen, die eigenen Vorurteile zu überprüfen und sie einander auch mitzuteilen. Dann erst können wir wirklich gemeinsam kämpfen. So frage ich nochmals meine deutschen Schwestern: wenn Kopftuch für Euch Unterdrückung bedeutet, warum? Oder wenn ihr gegen die Klitoris Beschneidung seid, warum? Ist das, weil ihr Kopftücher oder Beschneidung als Unterdrückung empfindet, daß ihr in eurer Emanzipation weiter seid als ich in meiner Gesellschaft? Wenn beispielsweise über Ausländerfeindlichkeit gesprochen wird, stehe automatisch bei manchen Frauen der Patriarchalismus der Männer aus dem Orient im Vordergrund ihrer Äußerungen. Das heißt, daß sie vornehmlich dies interessiert, und weniger die Lage der Ausl„nder im allgemeinen. Wo bleibt die Solidarität, die gemeinsame Betroffenheit? Hier ergeben sich Parallelen, die ich als Frau empfinde, wenn ich mit linken Männern über Frauenbewegung diskutiere und sie Abgrenzung ist ihnen wichtiger als das gemeinsame. Das macht mich skeptisch, und ich suche nach der Solidarität.
Ein weiteres Problem liegt schon in der Begegnung der deutschen Frau und der Ausländerin. Die Feministinnen haben das Gefühl, daß sie die Vorkämpferinnen in der Frauenfrage sind. So begegnen sie uns auch in der Auseinandersetzung. Daß wir Dritte-Welt-Frauen eine ganz andere Kampfform haben, daß wir unsere eigene geschichtliche Entwicklung auch in der Auseinandersetzung mit dem Patriarchat haben, oder daß unsere Probleme vielleicht woanders liegen, wird kaum beachtet. Oder unsere Positionen werden unkritisch toleriert. Das ist eine falsche Tabuisierung, aber keine Auseinandersetzung. Wir werden von Frauen auch stereotypieret. Entweder sind wir die ausländischen Frauen, die Afrikanerinnen. Aber wer ist sie denn? Wir werden bewundert, weil wir sozial sind, weil wir lachen oder weil wir kämpfen. Oder wir sind bedauernswert, nur Opfer.
Beides, Bewunderung oder Bedauern, werden uns nicht gerecht. Wir, deutsche und ausländische Frauen, müssen unsere kulturellen Fesseln durchbrechen, wenn wir uns begegnen. Dann können vielleicht neue Formen entstehen durch Erfahrungsaustausch, kulturelle Verschmelzung und Entdeckung von neuen Wegen. Wir müssen heraus aus den Spielregeln des Patriarchats. Nur durch gemeinsamen Kampf im Alltag und durch gemeinsame Praxis können Vorurteile, Rassismus, Fremdheitsgefühle und Sexismus abgebaut werden.