Sozialabbau und Bemühungen um den Zusammenschluss der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie

Der Eurofighter vorm Abheben

von Thomas Klein
Schwerpunkt
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"Nach meiner Einschätzung will die Bundesregierung in die Produktion des "EFA 2000" (Abkürzung für Eurofighter, Anm. des Autors) einsteigen. Die bisherigen Planungen gehen davon aus, dass das "teuerste, riskanteste und fragwürdigste Militärprojekt" (Der Spiegel) um die Jahrtausendwende in die `Beschaffungsphase` kommen wird. Sollte es zu einer Produktionsentscheidung kommen, wäre die Fortsetzung des rücksichtslosen Sozialabbaus zu Lasten der Schwachen in unserer Gesellschaft und zu Lasten des,kleinen Mannes` vorprogrammiert - denn wie soll der "Jäger" sonst finanziert werden?" - Achim Schmillen, 1994

Vor fünf Jahren war Achim Schmillen wissenschatlicher Mitarbeiter im Büro Joschka Fischer. Die Stellungnahmen zum Eurofighter (der zunächst Jäger 90 hieß) waren zu dieser Zeit eindeutig: Die Bundesregierung betreibe, so die Oppositionsparteien SPD und B90/Die Grünen, bei dem Milliardenprojekt neues Jagdflugzeug eine verantwortungslose, nachfolgende Generationen belastende Politik. Das Zitat oben stammt aus einem Artikel, der die Überschrift trägt "Jäger 90 und Sozialabbau". Die Schlussfolgerung, das teuerste europäische Rüstungsprojekt ist "ein Sinnbild für den militärischen Größenwahn und die strategische Umorientierung der Bundeswehr", so Schmillen 1994, teilten nicht nur friedenspolitische Gruppen, sondern es gab eine breite gesellschaftliche Ablehnung dieses Vorhabens der CDU/CSU/FDP-Regierungskoalition.

Inzwischen ist Achim Schmillen Büroleiter im Büro Fischer, sein Chef ist Aussenminister einer rot-grünen Regierung und um den "Eurofighter" ist es still geworden.
 

Zuletzt stieß bei Friedensorganisationen der Satz aus dem rot-grünen Koalitionsvertrag: "Die Koalition unterstützt aktiv die Bemühungen um den Zusammenschluss der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie" auf Verwunderung, teils auch auf Entsetzen. Schließlich war genau das die Position, die Staatssekretär Simon im Namen der alten Bundesregierung immer wieder vorgetragen hatte und die die Zusicherung bedeutete, der Industrie auch im Hinblick auf den Rüstungsexport jegliche Unterstützung zu gewähren. Welche Brisanz darin steckt, zeigt sich u.a. in der schon bekundeten Absicht der Industrie, den Eurofighter auch in Krisenregionen exportieren zu wollen.

Zur veränderten Sicht der Dinge ein Interview mit Andreas Körner, wissenschaftlicher Mitarbeiter des bündisgrünen Bundestagsabgeordneten Winfried Nachtwei.

Andreas Körner: In einem Antrag von Juli 1997 forderten bündnisgrüne Abgeordnete, darunter Winfried Nachtwei, den Stopp der deutschen Beteiligung am Eurofighter-Projekt. Bedeutet der Abschluss von Verträgen mit der Industie das Ende der Bemühungen, dieses Milliardenprojekt zu stoppen?

Winfried Nachtwei: Da wir wussten, welche immens hohen Folgekosten die Beschaffung von 180 Eurofightern für die nächsten 30 Jahre haben wird, wollten wir, dass die damalige Bundesregierung darauf verzichtet. Selbstverständlich macht es einen erheblichen Unterschied, ob ich aus einem bereits geschlossenen Vertrag aussteige oder diesen Vertrag überhaupt nicht erst schließe. Einen Stopp des Eurofighters halte ich politisch für nicht mehr möglich. Die Existenz von Industrieverträgen bedeutet aber nicht, dass man darauf verzichten muss, nach Wegen zu suchen, die einen Teil-Ausstieg oder eine Modifizierung des Programms ermöglichen.

Heißt das: Der "rücksichtslose Sozialabbau zu Lasten der Schwachen" (A. Schmillen) wird als nicht mehr zu korrigierende "Erblast" der Kohl-Regierung hingenommen?

Es ist richtig, dass die Milliarden, die in den Bau des Eurofighters gesteckt werden, im Bundeshaushalt für andere Projekte fehlen. Dennoch: Wenn man sich die ersten Maßnahmen der neuen Bundesregierung ansieht, kann man davon ausgehen, dass jetzt alles andere als ein "rücksichtsloser Sozialabbau zu Lasten der Schwachen" betrieben wird.

Nach Angaben der Zeitschrift "Flugrevue" von Juli 1998 führt das Eurofighter-Konsortium Gespräche u.a. mit Brasilien, Australien, Singapur, Südkorea und Griechenland. Spielt die Einschätzung, dass skandalträchtige Exporte absehbar sind, bei der Gesamtbewertung aktuell noch eine Rolle?

Wohlwissend, dass der Rüstungsexport des Eurofighters zu einem heiklen Problembereich werden kann, haben sich die Eurofighter-Staaten die potentiellen Export-Regionen untereinander aufgeteilt. Die Veto-Möglichkeit eines einzelnen Staates wurde weitgehend ausgeschlossen. Die neue Bundesregierung kann also nicht jeden Rüstungsexport des Eurofighters blockieren.
Eine bündnisgrüne Position, Ausstieg aus dem Eurofighter-Projekt, also Kündigung der Verträge, Verhandlungen mit der Industrie zu deren Forderungen, die unterm Strich möglichts deutlich unter den Anschaffungskosten liegen sollten, würde erhebliche Konflikte mit dem Koalitionspartner heraufbeschwören. Ist die Bereitschaft zum Konflikt hier einer eher resignativen Haltung gewichen?

Nicht immer ist da, wo ein Wille ist, auch ein Weg. Die bisherigen Erfahrungen haben in der Tat gezeigt, dass die Bündnisgrünen zwar in vielen Politikbereichen kreative und überzeugende Politikalternativen vorgelegt haben, sich aber bei der Realisierung nur bedingt durchsetzen konnten. Richtig ist, dass man seine begrenzte Kraft und Energie auf die Felder konzentrieren sollte, bei denen man ohne großen Widerstand am meisten erreichen kann. Beim Eurofighter ist mit erheblichem Widerstand sowohl von Seiten der Industrie, von der Opposition als auch von Seiten internationaler Projektpartner zu rechnen. Wir werden aber innerhalb und außerhalb der Bundesregierung dafür werben, das Eurofighter-Projekt quantitativ deutlich herunterzufahren. Schließlich haben auch schon andere Partnerländer Rüstungskooperationsprojekte aus politischen und finanziellen Gründen unverhofft revidieren müssen.

"Die Koalition unterstützt aktiv die Bemühungen um den Zusammenschluss der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie" steht für die Bemühungen, der US-amerikanischen Dominanz eine relevante europäische Konkurenz entgegenzusetzen. Ob das gelingt, wird die Zukunft zeigen. Die Anschaffung des Eurofighters ist auf jeden Fall ein Bestandteil dieser Politik.

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