Der Friedenspolitische Ratschlag 2000

von Kathrin Vogler
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Politik zivilisieren! - Mit Ausrufezeichen schrieb sich das Motto des Friedenspolitischen Ratschlags am 2./3. Dezember in Kassel. Angesichts zunehmender Militarisierung der deutschen und europäischen Politik keine kleine Aufgabe, die sich die 300 TeilnehmerInnen vorgenommen hatten.

Und so war das Programm der Tagung auch angefüllt mit allerlei politischen und friedenswissenschaftlichen Diskussionen, mit Vorträgen und Arbeitskreisen. Besondere Beachtung bei der Suche nach Kriegsursachen fanden diesmal ökonomische Fragen, vom Einleitungsvortrag von Prof. Maria Mies, die sich ausführlich mit der Gewalt fördernden Rolle von IWF und Weltbank beschäftigte, über Themen wie die "politische Ökonomie des Krieges" und die mögliche Rolle von Wirtschaftsembargos als Alternative zu militärischer Gewalt. Auf weniger Interesse bei den TeilnehmerInnen stieß hingegen der Widerstand gegen die Militarisierung des Weltraums, nur sieben Interessierte verirrten sich in die Arbeitsgruppe gegen die geplante US-Raketenabwehr im All.

Der Friedenspolitische Ratschlag hat sich als fester Termin auf der antimilitaristischen Agenda längst etabliert. Wo sonst treffen Aktive aus vielen Städten und allen Regionen Deutschlands zusammen und nutzen die Gelegenheit, Informationen und Meinungen auszutauschen? Dem Arbeitskreis Friedensratschlag gelang es zudem wieder, ein attraktives inhaltliches Programm zu organisieren, wenn auch mit Beiträgen auf höchst unterschiedlichem Niveau. Angenehm die Offenheit, mit der auch scheinbar Widersprüchliches und Nebensächliches seinen Platz findet. Unangenehm, dass so manche TeilnehmerInnen diese Offenheit nicht oder nur sehr schwer ertrugen. In mehr als einem Arbeitskreis wurde mit den Füßen über die "political correctness" des Vortrags abgestimmt. Während über dem Saal Petra Kelly vom handgenähten Wandbild aus Greenham Common herablächelt, muss sich im Arbeitskreis der grüne Abgeordnete Nachtwei für seine Rolle bei der Relegitimierung von Krieg rechtfertigen.
 

Bei allem Bemühen, den Blick wieder nach vorne zu richten, wurde auch hier deutlich, dass die Friedensbewegten mit dem Krieg um Kosovo noch nicht abgeschlossen haben. Kein Beitrag genoss ebenso viel Aufmerksamkeit wie der des Ex-Generals Heinz Loquai. Seine These: Es stimme nicht, dass das erste Opfer des Krieges die Wahrheit sei. Diese müsse vielmehr schon vorher hingerichtet werden, um Krieg überhaupt möglich zu machen. Detailliert zeigte er auf, wie die NATO Chancen zur Kriegsverhinderung und Deeskalation des Konflikts ignoriert, ja torpediert habe und der Öffentlichkeit dann die "Unabwendbarkeit" dieses Kriegs suggerierte.

Der Wahrheit Gehör zu verschaffen, gestaltet sich jedoch mehr als schwierig, angesichts von Zynismus der Regierenden und devoter Hofberichterstattung durch die Medien. Um so nötiger wären zumindest einzelne Aktionen von überörtlichem Charakter, zu denen alle Strömungen der Friedensbewegung beitragen können. Davon allerdings scheinen wir weiter entfernt als je. Die TeilnehmerInnen des Ratschlags nahmen nur einen Aktionsrahmen mit nach Hause, in dem sie die bekannten und regelmäßig wiederkehrenden friedenspolitischen Termine nachlesen können, vom zehnten Jahrestag des Golfkriegs über die Ostermärsche bis zum Antikriegstag...

Das Dilemma: Bei allem Anspruch auf Vollständigkeit fehlte beim Ratschlag doch der Raum, um konkrete Projekte und Ationen zu beraten und zu planen. Um diesem Defizit zu begegnen soll im Juli am Rande des evangelischen Kirchentags in Frankfurt eine eintägige "Aktionsberatung" stattfinden. Dort wird es darum gehen, das Skelett der Schwerpunktthemen "Interventionen gegen das Völkerrecht", "Neue Offensivwaffen", "US-Raketenabwehr" und "Alternativen" sozusagen mit Fleisch zu bedecken.

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