Buchbesprechung

Der Iran-Konflikt und die Obama-Regierung

von Luay Radhan

Unter dem Titel „Der Iran-Konflikt und die Obama-Regierung – Alter Wein in neuen Schläuchen?“ hat Ali Fathollah-Nejad ein Buch zum Irankonflikt herausgebracht.

Richard Perle, ein neokonservativer Vordenker, war nach Barack Obamas Kabinett-Nominierungen erleichtert: Es würde nämlich ab Januar 2009 nicht so viel Wandel geben, wie er befürchtet hatte. Sogar Obamas Gegenkandidat John McCain lobte Obamas Ernennungen. Die grundsätzliche Überparteilichkeit der US-amerikanischen Außenpolitik hat zwei Pole: Neben VertreterInnen des Mottos „Kapitulation oder Krieg!“ gibt es innerhalb der politischen Elite zuweilen auch Stimmen der Vernunft, die Präsident Obama mitteilen, dass selbst ein Iran mit Atombombe keine größere Bedrohung für den Weltfrieden darstellten als die USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea. Dies könnte leider suggerieren, es sei die Priorität der wirtschaftspolitischen Elite Amerikas, den Weltfrieden zu sichern – eine Illusion, die sich bereits bei einem flüchtigen Blick auf Irans Nachbarländer Irak und Afghanistan, die beide unter amerikanischer bzw. US-angeführter NATO-Besatzung leiden, schnell in Luft auflöst. Vielmehr entsprechen die nackten Tatsachen dem, was Mohssen Massarrat in Afghanistan beobachtet, nämlich ein „programmiertes, strukturelles Chaos als Bestandteil der US-Hegemonialstrategie“, um die langfristige Truppenpräsenz zu rechtfertigen, wovon die Konzerne und Potentaten profitieren. Wenn man sich neben dieser Feststellung die amerikanische Umzingelung des Iran vor Augen führt sowie die Tatsache, dass die Rüstungsindustrie vom USA-Israel-Konflikt mit Iran milliardenschwer profitiert, dann kann es natürlich nicht genug Menschen geben, egal wo, die sich dafür einsetzen, dass sich im Iran kein „zweites Irak“ wiederholt (mit etwa 2-3 Millionen Toten durch Gewalttaten von 1991 bis 2010). Das aus Wissenschaftlern, Experten und Diplomaten bestehende American Foreign Policy Project (AFPP) stellte bereits im November 2008 einige Irreführungen bezüglich des Iran klar: Weder Ahmadineschad noch wichtigere iranische Politiker haben jemals gedroht, Israel zu vernichten. Die Machthaber um den Obersten Rechtsgelehrten Ali Chamenei sind eben keine verblendeten Fanatiker, sondern genau so wie andere Politiker, die ihre Machtpositionen und Privilegien erhalten wollen. Die iranischen Herrscher werden aller Wahrscheinlichkeit nach nichts tun, was mit 100%iger Sicherheit ihren eigenen Untergang bedeutet, wie etwa das Einsetzen einer Atombombe (deren Existenz im Iran bisher nicht bewiesen wurde). Daraus folgt, dass man auch mit ihnen Friedensverträge und Kompromisse schließen kann, insbesondere dann, wenn man aufhört, den Iran mit Kriegen und Sanktionen zu bedrohen und stattdessen eine Nichtangriffsgarantie abgibt. Dass es keine Beweise für das iranische Streben nach einer Atombombe gibt, dass die Islamische Republik Iran laut dem Nichtverbreitungsvertrag (NVV) ein ziviles Nuklearprogramm haben darf und dass sowohl die Generalversammlung der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) als auch die UN dazu auffordern, in Südwestasien eine nuklearwaffenfreie Zone herzustellen, kann gar nicht oft genug betont werden. Die geschätzten 200-300 Atombomben der Republik Israel sind das mit Abstand größte Hindernis hin zur diesem Ziel, das alle verfolgen, denen etwas am Wohlergehen ihrer dort lebenden Mitmenschen liegt. Statt ihre Atomwaffen zu reduzieren, hält es die politische Elite Israels und Amerikas jedoch für ratsamer, iranische Atomwissenschaftler zu töten, das legale iranische Atomprogramm zu sabotieren und den Iran zu spalten. Damit stärkt man bekanntlich die politischen Hardliner, was Israels Erleichterung über Ahmadinedschads Wiederwahl erklärt. Und so lange die etwa 117 anderen Blockfreien Staaten, die mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung vertreten, den Iran gegen die NATO-Kriegstreiberei unterstützen, kann man sicherlich nicht von internationaler Isolation sprechen. Was die häufig erwähnten Sanktionen betrifft, die logischerweise nur der Zivilbevölkerung einen schweren Schaden zufügen, so hat das Regime sie schon 30 Jahre überlebt, einschließlich des grausamen 8-jährigen Krieges gegen den hoch ausgerüsteten NATO-Schützling Saddam Hussein.

Dieses gelungene Buch ist für all jene empfehlenswert, die sich einen Überblick verschaffen wollen über die Diskussionen, Strategien und Hintergründe rund um den USA-Israel-Konflikt mit Iran, der schon seit langem für die Menschen im Iran verheerende Folgen hat und indirekt – aufgrund der Militärausgaben, für die Sozialausgaben geopfert werden – auch vielen Menschen in den USA und in Israel schadet.    

Ali Fathollah-Nejad: ,Der Iran-Konflikt und die Obama-Regierung – Alter Wein in neuen Schläuchen?“, 2010, Potsdam: Universitätsverlag Potsdam, 78 S., ISBN 978-3-86956-042-7, 5 Euro

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Hintergrund
Luay Radhan ist Promotionsstudent der Islamwissenschaft an der Uni Marburg sowie Absolvent der Uni Heidelberg in Politikwissenschaft.