Die Weigerung zu bezahlen

Der Widerstand gegen Kriegssteuern wird größer

von Ruth Benn

Wut, Entrüstung, Traurigkeit und Hoffnungen bezüglich der Idee, einen neuen Schritt zu unternehmen, um sich dem Krieg im Irak zu widersetzen: Die Organisatoren aus der Gemeinschaft des Widerstands gegen Kriegssteuern hören immer wieder von solchen Gefühlsregungen.

"Im vergangenen Jahr verdiente ich ungefähr 18.000 Dollar und nun entnehme ich der IRS-Tabelle (International Revenue Service = Steuerbehörde), dass ich Cheney, Rumsfeld und Rice 2.000 Dollar geben soll. Wenn ich machen könnte was ich will, würde ich diese Gelder einfach umleiten und für die lokalen Bedürfnisse verwenden, wie zum Beispiel als Wohngeld für Geringverdienende, für die Anschaffung alternativer Verkehrsmittel, zur Unterstützung von Bildungsmaßnahmen und für die Finanzierung der Bibliothek. Gibt es eine Methode, die auf solider Forschungsarbeit beruht und aufzeigt, wie die ursprünglich für imperialistische Zwecke eingeplanten Gelder zurück an die Gemeinden geleitet werden können, denen sie entzogen wurden, um die imperialistischen Expeditionen durchzuführen?"

Hawaii
Der Widerstand gegen Kriegssteuern ist normalerweise nicht der erste Schritt, den Kriegsgegner unternehmen, um zu protestieren. Aber mit der Zeit erscheint er als eine sinnvolle Möglichkeit um zu protestieren, denn die Leute fragen sich selbst: "Wie kann ich für den Frieden arbeiten und trotzdem noch Kriegssteuern zahlen?" Je länger der Krieg dauert, umso drängender erscheint diese Frage - und umso schneller sind Menschen bereit, sich an Aktionen zu beteiligen, vor denen sie zunächst noch zurückgeschreckt waren.

Seit den Wahlen im letzten November konnte das Büro des Nationalen Komitees zur Koordination des Widerstands gegen Kriegssteuern (National War Tax Resistance Coordinating Committee Office = NWTRCC) ein deutlich ansteigendes Interesse am Widerstand gegen die Kriegssteuern feststellen. Dieses Phänomen wird auch von unserem Netzwerk aus BeraterInnen und Gruppen im ganzen Land bestätigt, sowie außerdem durch die Aufrufe auf unserer Internetseite. Im Mai 2004 hatten noch durchschnittlich 150 Menschen pro Tag unsere Website besucht. Von Oktober bis Dezember ist die Zahl der Besucher stetig auf schließlich 2.200 am Tag angestiegen.

Der Widerstand gegen die Kriegssteuern ist außerdem ein beliebtes Thema auf der Website der War Resisters League (WRL). Die beliebteste Seite der WRL, die durchschnittlich 700 Mal am Tag aufgerufen wird, ist die mit der Kreisdiagrammanalyse der jährlichen Militärausgaben. Erstaunlicherweise wird diese Seite sogar öfter besucht als die Homepage der WRL. Direkt nach den allgemeinen Wahlen vom November waren sieben der 30 beliebtesten Seiten der WRL (von mehr als 400) solche, die sich mit dem Widerstand gegen Kriegssteuern beschäftigten, angeführt von "Wie widersetze ich mich?".

"Ich bin 83, verfüge über Aktienkapital und Wertpapiere, und ich habe immer Steuern bezahlt, obwohl ich mein ganzes erwachsenen Leben Friedensaktivist und Kriegsgegner bin. Dieses Jahr wurden die Irakinvasion und der Kriegswucher zu viel für mein Gewissen, und so habe ich einfach aufgehört zu zahlen."

Oregon
Im letzten November schreibt Voices in the Wilderniss-Aktivistin Kathy Kelly in einem Artikel mit dem Titel "Was wir selbst kontrollieren können": "Von den meisten von uns wird kein körperlicher Einsatz gefordert und auch keine Zustimmung - sondern nur unser Geld. Und darüber haben wir selbst die Macht." Der Artikel wurde auf der alternativen Medien-Webseite Counterpunch veröffentlicht, mit einem Link zur Seite von NWTRCC, und das Interesse an dieser Homepage nahm sofort schlagartig zu, mit unglaublichen 800 Besuchern an zwei Tagen in Folge.

Zu einem nicht viel späteren Zeitpunkt schrieb der Autor Greg Moses einen ergreifenden Artikel, in dem er den US-Angriff auf Falludscha als "eine Kampagne ... zum reinen Zweck des Terrors" beschreibt.

"Was machte Falludscha möglich?", schrieb er. "Wer machte es möglich, dass die Haushaltspläne voller imperialistischer Ideen waren? Es waren die amerikanischen Steuerzahler. Wenn man die Spur der Kriegsfinanzierung zurückverfolgt, gelangt man zu Dir und zu mir, wir sind die Ko-Investoren, die dies möglich gemacht haben. Tausende von Leben wurden für immer ausgelöscht. Um für diesen moralischen Bankrott zu bezahlen, sind wir jeden Morgen aufgestanden, haben den ganzen Tag gearbeitet und Geld an die Kriegsmaschinerie geschickt."

Dieser Artikel wurde auf vielen Websites mit einem Hinweis auf NWTRCC veröffentlicht, und erneut erreichten uns viele E-Mails und Anrufe.

Eine neue Methode der Steuererklärung
Ende Januar kündigte NWTRCC seine neue Kriegssteuererklärung an (siehe The Nonviolent Activist, Winter 2005). Anstatt dass wir wie gewöhnlich von der Presse ignoriert wurden, erhielt die Vorankündigung sehr viel Aufmerksamkeit, einschließlich einiger wütender Reaktionen in der Mainstream-Presse. Die größte Reaktion erhielten wir durch Amy Goodmans Bericht über die Friedenssteuererklärung in "Democracy Now!". Am Tag nach der Veröffentlichung dieses Artikels besuchten 2.200 Menschen die Website von NWTRCC und an den beiden darauf folgenden Tagen immerhin noch 800 Menschen. Das waren weit mehr als die üblichen 200 Besucher am Tag.

Wir wissen nicht, ob die Steuererklärung schon im ersten Jahr nach ihrer Veröffentlichung als Kampagne anschlagen wird, aber in England hat eine ähnliche Aktion sehr gut funktioniert, das Experiment lohnt sich also.

Die wohl größte Kampagne zum Widerstand gegen Kriegssteuern in der Geschichte der USA war die Verweigerung der Telefonsteuern während des Vietnamkriegs. Es gibt keinen Zweifel daran, dass die Anzahl der Verweigerer damals einen entscheidenden Anteil der ganzen Antikriegsbewegung ausmachte, und der Tatbestand, dass der IRS sogar für geringe Beträge, die an Telefonsteuern nicht gezahlt wurden, Eigentum beschlagnahmte, zeigt, wie beunruhigt die Regierung über diese bescheidenen Versuche der Kriegssteuermissachtung war. Es ist wichtig herauszustellen, dass es nicht auf den Betrag ankam, der verweigert wurde - der war mit Sicherheit zu gering um einen Krieg zu stoppen - sondern auf die Verweigerung an sich.

In letzter Zeit gab es einige Versuche anderer Kampagnen zur Kriegssteuerverweigerung, die alle von NWTRCC unterstützt wurden. Die "One Million Taxpayers for Peace"-Kampagne wurde nach dem 11. September 2001 in Sonoma County, Kalifornien ins Leben gerufen. Die "Axis of Peace"-Kampagne im Nordwesten des Landes - sie wurde von örtlichen Unterstützern von WRL in Portland und Seattle gegründet - forderte die Leute auf, 9 Dollar 11 oder einen ähnlichen Betrag mit Bezug zum 11. September zu verweigern und sich gegen die Militäraktionen der USA nach dem Anschlag zu stellen. "Hang up on War", eine Internetkampagne zur Verweigerung von Telefonsteuern, wurde im Herbst 2003 durch die Initiative des Netzwerks "Iraq Pledge of Resistance" gegründet. Ob sich nun die Friedenssteuererklärung zu einer Kampagne entwickeln wird, die besonders große Unterstützung erhält, bleibt abzuwarten. Aber trotzdem, je länger dieser Krieg dauert, desto sicherer wird es, dass heftigere Schritte unternommen werden müssen um die derzeitige Verwendung der amerikanischen Steuergelder zu stoppen.

Einen Sack voll Flöhe hüten
Die Friedenssteuererklärung folgte als Reaktion auf ein paar Dinge, die wir immer wieder hören:

"Ich würde mich widersetzen, wenn es eine Kampagne gäbe, der ich mich anschließen könnte."

"Wenn der IRS ruft, muss ich selbst entscheiden, was ich tue."

"Wie viele Widerständler gibt es denn überhaupt?"

Die letzte Frage ist schwer zu beantworten. Kriegssteuergegner zu erfassen wurde oft verglichen mit der Aufgabe, Flöhe zu hüten. Außerdem haben wir hier wenige Informationsquellen.

Es gibt verschiedene Kategorien von Widerständlern, einige davon machen sich stärker sichtbar als andere:

  • Widerständler, die sich offen zu ihrer Weigerung erklären, Steuern zu zahlen: Diese Widerständler, die ihrer Steuererklärung üblicherweise einen Brief beilegen, in dem sie dem IRS mitteilen, dass sie sich der Zahlung widersetzen, sind wohl am einfachsten zu zählen. Sie haben keine Angst davor, ausfindig gemacht zu werden, weil sie dem IRS bereits mitgeteilt haben, was sie tun. Trotzdem ist es schwer, sie zu finden. Viele weigern sich schon so lange Steuern zu zahlen, dass es für sie nicht in Frage kommt, die Friedenssteuererklärung zu nutzen oder sich einer neuen Kampagne anzuschließen. Sie würden sich jedoch vielleicht an einer Umfrage beteiligen, sofern diese sie erreicht.
  • Widerständler, die einen sehr kleinen Steueranteil verweigern: Es gibt Tausende Verweigerer von Telefonsteuern. Wir wissen das zum Teil daher, dass die Telefongesellschaften die Verweigerer häufig dazu auffordern, die WRL oder das NWTRCC anzurufen, um das "offizielle Formular" zu erhalten und es den Rechnungsüberweisungen beizulegen. Viele dieser Leute sagen: "Ich bin nicht wirklich ein Kriegssteuerverweigerer", weil sie denken, dass es nur zählt, wenn jemand 100 Prozent seiner Einkommenssteuer verweigert. Diese Leute wären eventuell dazu bereit, sich zählen zu lassen, aber viele von ihnen zahlen schon so lange nicht, dass es ihnen nicht in den Sinn kommt, sich auf der Website von "Hang up on War" einzutragen oder sich sichtbarer zu machen.
  • Widerständler, die sich nicht registrieren lassen: Viele, die nicht für den Krieg zahlen wollen, erreichen ihr Ziel, indem sie der Reichweite des IRS fernbleiben, keine Steuererklärung abgeben, ihre Einnahmen nicht angeben sowie selbstständig oder schwarz arbeiten. Weil diese Methoden zum Teil illegal sind und eine gewisse Diskretion verlangen, ist es schwierig, diese Form des Protests an die Öffentlichkeit zu bringen.
  • Widerständler, deren Einkommen unter der Steuergrenze liegt: Diese Kategorie überschneidet sich zum Teil mit der der nicht gespeicherten Personen, jedoch sind die Geringverdiener in der Regel eher gewillt, ihren Protest öffentlich zu machen, da er legal ist. Viele dieser Leute würden wohl gerne mehr verdienen, wenn sie sicher gehen könnten, dass ihr Geld nicht für den Krieg verwendet wird. Andere haben eine eher anarchistische Einstellung und möchten dem Staat zu keinem Zweck irgendwelche Gelder zukommen lassen.
  • Eine immer größere Bedeutung gewinnt die Kategorie der Widerständler, die legale Methoden anwenden, um ihr zu versteuerndes Einkommen zu reduzieren: Dabei handelt es sich um Leute, die unter anderen Umständen nicht so sehr darauf achten würden, wie viel Geld der Staat durch sie einnimmt. Sie erklären der Regierung beispielsweise: "Indem ich in diesem Jahr mehr für meine Pension zurücklege, zahle ich 300 Dollar weniger Steuern, weil ich nicht will, dass mein Geld für den Krieg verwendet wird." Einige behaupten, dass es sich dabei nicht um eine Verweigerung handele, jedoch schmerzt es den Staat natürlich, wenn er von vielen Menschen 300 Dollar weniger erhält.

Diskussionen unter den Verweigerern der Kriegssteuern drehen sich häufig um die Frage der Sichtbarkeit. Einige fragen sich, ob es überhaupt Sinn macht, die Kriegssteuern zu verweigern, wenn der Protest nicht öffentlich ist und keine Auswirkungen auf die Regierung zu verzeichnen sind. Andere denken, dass es einfach wichtig ist, das Geld der Privatleute von der Kriegsmaschinerie fernzuhalten, und wenn das zur Folge hat, dass sie von weniger als 8200 Dollar im Jahr leben müssen (Beispiel für eine Einzelperson im Jahr 2005), dann nehmen sie das gerne in Kauf. Andere glauben, dass es zwar wichtig ist, die eigene Verbindung zum Krieg zu reduzieren, betonen aber zusätzlich die Bedeutung der Konfrontation mit den Kriegsmachern. Gerade die ist jedoch problematisch wenn man anonym bleiben will.

Alles in allem geht es nicht darum, über die Art und Weise der Steuerverweigerung zu urteilen - sondern darum, der Bevölkerung einen Weg aufzuzeigen, über den sie ihre Steuern verweigern können! Es ist für fast jeden, der in den USA arbeitet oder ein Telefon besitzt, möglich, an dieser Form des Protests teilzunehmen, das heißt sich zu weigern, freiwillig Steuern für den Krieg zu zahlen. Immer mehr Leute denken kreativ darüber nach, wie man sich gegenseitig bei der Verweigerung von Kriegssteuern unterstützen kann. Beispielsweise können verweigerte Steuern zusammengelegt und gemeinsam an Hilfsprojekte oder Programme gespendet werden. Auf diese Art und Weise können sich zehn bis zwanzig Leute zusammentun und, wenn der IRS die Steuern einholen will, als Unterstützer-Netzwerk auftreten.

"Also, wie viele Verweigerer der Kriegssteuer gibt es nun?". Diese Frage bleibt zunächst unbeantwortet, aber so wie sich die Dinge zur Zeit entwickeln, könnten wir bereits in einem Jahr konkrete Zahlen vorlegen.

Ruth Benn war früher Herausgeberin der Friedenszeitschrift "The Nonviolent Activist" und Leiterin des nationalen Büros. Sie ist inzwischen Mitarbeiterin des NWTRCC. Der langjährige Verweigerer von Kriegssteuern Ed Hedemann hat für diesen Artikel Internetstatistiken und Kommentare zur Verfügung gestellt.

Aus: The Nonviolent Activist (War Resisters` League`s Zeitung) March-April 2005.

Übersetzung: Sandra Busch

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